Wenn nur dieser Ludger nicht immer neben Ansgar sitzen würde
Wer war Ludger? Esther stützte den Arm auf die Tischplatte. Schon seit Stunden grübelte sie über dieser Frage. Er war eines Nachmittags in Renées Tagebuchskizzen aufgetaucht, erst der Name, danach immer schärfer und konturierter auch seine Person, ihre Finger auf der Tastatur kamen kaum ihren Gedanken hinterher. Ludger, leicht wie eine Schokoladentorte, in die man viel Backpulver eingearbeitet hatte. Etwas pulverisiert und trocken. Und nun kam ihr zum ersten Mal der Gedanke, diesem Ludger alles an Eigenschaften zuzuschieben, was sie selbst hasste. Ludger war nur eine Nebenfigur in Renées Leben, ein Freund ihres Bruders Ansgar, ein Angeber, ein Aufschneider, ein Hochstapler, der dann auch noch politisch rechts wurde. Ihr war leicht schwindlig, sie fühlte sich unkonzentriert, und die Ellbogen schmerzten. Alles schien schwergängig und mühsam. Sie hatte nicht das Recht, um Ludger eine Geschichte zu stricken. Aber Ludger gehörte zum Freundeskreis um Renée, sie hatten ihn mitgenommen.
Esther dachte an den Rosenkohl, der heute in der Küche verarbeitet werden sollte und der Geruch verband sich mit den Gedanken an Ludger. Er widerte sie zunehmend an.
Bravo!