Ludger

Wenn nur dieser Ludger nicht immer neben Ansgar sitzen würde

Wer war Ludger? Esther stützte den Arm auf die Tischplatte. Schon seit Stunden grübelte sie über dieser Frage. Er war eines Nachmittags in Renées Tagebuchskizzen aufgetaucht, erst der Name, danach immer schärfer und konturierter auch seine Person, ihre Finger auf der Tastatur kamen kaum ihren Gedanken hinterher. Ludger, leicht wie eine Schokoladentorte, in die man viel Backpulver eingearbeitet hatte. Etwas pulverisiert und trocken. Und nun kam ihr zum ersten Mal der Gedanke, diesem Ludger alles an Eigenschaften zuzuschieben, was sie selbst hasste. Ludger war nur eine Nebenfigur in Renées Leben, ein Freund ihres Bruders Ansgar, ein Angeber, ein Aufschneider, ein Hochstapler, der dann auch noch politisch rechts wurde. Ihr war leicht schwindlig, sie fühlte sich unkonzentriert, und die Ellbogen schmerzten. Alles schien schwergängig und mühsam. Sie hatte nicht das Recht, um Ludger eine Geschichte zu stricken. Aber Ludger gehörte zum Freundeskreis um Renée, sie hatten ihn mitgenommen.

Esther dachte an den Rosenkohl, der heute in der Küche verarbeitet werden sollte und der Geruch verband sich mit den Gedanken an Ludger. Er widerte sie zunehmend an.

2 Kommentare

  1. Also Ludger, der kam ja ins Café. Und saß dann schon so da, als Ansgar die Tür aufmachte (die übrigens schwergängig war), und nass das Café betrat. Ansgar, der sich erblickt fühlte durch Ludger, schrumpfte augenblicklich ein. Als sei er durch den Regen eingelaufen, wie die Gardine in Mutters Wohnzimmer nach dem Waschen. Scham und Unsicherheit ergriffen ihn augenblicklich. Er wollte doch nur Kaffee trinken und Zeitung lesen. Die Musik genießen. Und da saß Ludger und sah ihn sofort. Jetzt konnte er nicht mehr raus, jetzt musste er zu seinem Tisch gehen, und ihn begrüßen. Er spürte, wie sein Magen sich verkrampfte und sein Hals wie zugeschnürt war. Der Tag war verdorben. Er würde mit Ludger am Tisch sitzen, ob er ihn überhaupt bei sich haben wollte, war ihm ein Rätsel, aber er musste aus Höflichkeit auf ihn zugehen, und da er verstummen würde, kurz nachdem er Ludger begrüßt hatte, würde Lugder auffahren und ihm wieder seine politischen Ansichten auseinandersetzen. Hauptsache, er hatte einen Zuhörer. Ansgar war total dagegen, traute sich aber nicht, seine Meinung zu sagen. Alle Gedanken in seinem Kopf zerfaserten, sobald er Ludger gegenüber saß.

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