Aus: Meine Schwester – das Leben

Boris Leonidowitsch Pasternak

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Definition der Poesie

Das ist ein steil aufgegossener Pfiff,
Das ist das Stottern von Eisschollen unter Druck,
Das ist Nacht, die die Blätter vereist,
Das ist das Duell zweier Nachtigallen.

Das ist die verstummte verwildernde Zuckerschote,
Das sind Tränen des Alls in den Schulterblättern,
Das ist der Figaro, der als Weinbeere – seine Pulte und Flöten
Verlassend – sich in die Furchen der Reben hinabsenkt.

Alles das, was der Nacht so wichtig aufzufinden ist
In den tiefen Wirrnissen klaffender Umkleidekabinen,
Und dass der Stern bis ins Gärtchen getragen wird
Auf den zitternden feuchten Handflächen.

Flacher noch als Bretter auf dem Wasser ist die Schwüle.
Das Himmelsgewölbe zusammengesunken zur Erle.
Diese Sterne würden dem All noch aufs Gesicht zukichern
An einem stummen Ort wie diesem.

(Sommer 1917)

Zhenja
Künstlername des aus Südrußland stammenden Dichters Jewgeni Sacharow; hob unter nickname Zhenja 2007 gemeinsam mit Gesche Blume und Viktor Kalinke den literarischen Blog www.inskriptionen.de aus der Taufe. Das seit 2009 verwendete Pseudonym stand dabei zunächst Pate für eine Reihe von Versuchen, sich zugleich die Bild- und Klangsprache des 1922 verstorbenen futuristischen Dichters Viktor Vladimirovic Chlebnikov und die Ausdrucksmöglichkeiten des Deutschen als literarischer Nichtmuttersprache zu eigen zu machen. Zunehmende Vermischung eigener Sprachschöpfungsprozesse mit dem Ideenfundus des russischen Avantgardisten bis zur „non-rem-fusion“. Sacharow lebt und arbeitet seit 2008 als Garderobier und freischaffender Autor in Frankfurt am Main. Projekt der beiden in Deutschland ansässigen russischen Dichter Jewgeni Sacharow und Sascha Perow, „Brüder im Namen“. Jewgeni beschäftigt sich seit 1990 mit Drama in - wie er es nennt - Außenprojekten, ich dagegen (Perow) versuche mich gelegentlich an Übersetzungen aus dem Russischen; mein Ziel: Erschaffung eines neuen Dialekts der Weltpoesie, der „Sternensprache“. Wichtig war für unser Inskriptionen-Doppelleben die Begegnung mit der deutschen Dichterin Hanna Fleiss im Winter 2012 in Berlin.

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