Aleksandr Blok : Über die wunderbare Dame / Wege Gablungen

Freudlose Samen gehen auf.
Wind schlägt an kalte, nackte Zweige.
In meiner Seele gehen Krakel* auf.
Ich deck‘ sie zu und hüll‘ sie ein – an Dörfer Mauerresten, Wege Gablungen…
Und schleiche, wie ein Schatten, entlang der bleichen Wände.
Es wechselt, dunkelt und verschwimmt die Wand.
Ein süßes Rinnsal rinnt durch meine Hände,
Ein jeder Tag gebiert und bleicht aus dunkler Hand.
Was bin ich wach, wie quillt des Blutes Schlag in mir!
Hier bin ich heimisch, unterirdisch quellend!
Verhüllte Augenblicke! Du, Liebe ewig!
Ich habe euch verstanden! Bin mit euch! Folge und bedecke** euch!
Es wächst, ein Riese, wächst die Wand.
Wind schlägt an kalte, nackte Zweige…
Ich habe euch geborgen, Krakelhände.
Ich berge*** lächelnd euch an Wege Gablungen.

6.9.1902

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* (alt) Runen; vgl. Josif Brodskij: „karakuli“, z.B. (dt.) Lammkrakelschatten
** entdecke (m/ich in) euch
*** lege

Zhenja
Künstlername des aus Südrußland stammenden Dichters Jewgeni Sacharow; hob unter nickname Zhenja 2007 gemeinsam mit Gesche Blume und Viktor Kalinke den literarischen Blog www.inskriptionen.de aus der Taufe. Das seit 2009 verwendete Pseudonym stand dabei zunächst Pate für eine Reihe von Versuchen, sich zugleich die Bild- und Klangsprache des 1922 verstorbenen futuristischen Dichters Viktor Vladimirovic Chlebnikov und die Ausdrucksmöglichkeiten des Deutschen als literarischer Nichtmuttersprache zu eigen zu machen. Zunehmende Vermischung eigener Sprachschöpfungsprozesse mit dem Ideenfundus des russischen Avantgardisten bis zur „non-rem-fusion“. Sacharow lebt und arbeitet seit 2008 als Garderobier und freischaffender Autor in Frankfurt am Main. Projekt der beiden in Deutschland ansässigen russischen Dichter Jewgeni Sacharow und Sascha Perow, „Brüder im Namen“. Jewgeni beschäftigt sich seit 1990 mit Drama in - wie er es nennt - Außenprojekten, ich dagegen (Perow) versuche mich gelegentlich an Übersetzungen aus dem Russischen; mein Ziel: Erschaffung eines neuen Dialekts der Weltpoesie, der „Sternensprache“. Wichtig war für unser Inskriptionen-Doppelleben die Begegnung mit der deutschen Dichterin Hanna Fleiss im Winter 2012 in Berlin.

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