Zimmer ohne Sonne

Ein eigenartiges Licht fiel in den Raum. Als hätte jemand einen Drahtkäfig auf uns niedergelassen. Auf bunte Tiere. Puten, Tiger, Papageien, Salamander. Ein dünner Streifen Himmel über dem Haus vor dem Fenster, sonst nichts. Wir hatten das Zimmer am Morgen, am Mittag, am Nachmittag, am Abend besichtigt. Immer das gleiche, eigenartige Licht. Monochromes Tageslicht, mono no aware, ständige Wärme. Eduard drängte. Worauf wartest du? Die Stimmung in meinem Herzen hatte das Niveau des Meeresplateaus erreicht. Gern hätte ich leuchtende Fische angeknipst. Draußen spielten Kinder im Sonnenschein, machten Lärm, der durch die dichten Fenster den Eindruck des Abgeschiedenseins eindringlicher an mich heran ließ. Ich habe geträumt. Ich habe geträumt, das Kätzchen sei ins Schaumbad entglitten, ich zog gerade den Mantel an, um den untersetzten Mann, den du anhimmeltest, zu treffen, ich hatte mich so in die Ärmel des Mantels verkeilt, dass das Kätzchen fast ertrunken wäre, bevor ich es ergreifen konnte. Es war voller Schaum und vollkommen glatt. „Die Kommode kann dort hin.“ Die Ecke, in die Eduard zeigte, war in einem tiefen blaugrau gestrichen.

crysantheme
Wer eine Crysantheme verblühen lässt oder ihr den Kopf vor ihrer Zeit abschneidet, der erntet zur Strafe nur noch grünes Friedhofskraut.

11 Kommentare

  1. Klarer Fall von Vitamin D- Mangel: allgemeine Müdigkeit, chronische schlechte Laune, Blick aus dem Drahtkäfig, tiefgraue Stimmung.
    Pillen gibt es in der Apotheke. Was hilft noch? Weg vom Blog, Augen weit öffnen für das lichthelle Leben da draußen!

  2. Oh Schwestern! Die ihr nach tausenden Gefahren den Okzident erreicht habt, bedenkt, ihr seid nicht geboren, um wie Motten nach dem Mond zu manövrieren, sondern um Wissenschaft und Dichtung und Tugend zu studieren.

  3. Rotkäppchen hatte genug von ihrer Mutter. Nie interessierte sie, was Rotkäppchen wollte. Gestern erst hatte sie sie im „Cafe Maitre“ gefragt, du, Rotkäppchen, wo magst du gern sitzen, ist doch dein siebzehnter, den wir heute feiern. An dem kleinen Tisch da, hatte sie geantwortet, neben dem, wo sonst immer der Dichter sitzt. Besser am Fenster, hatte die Mutter gesagt, und sich an einen Tisch am Fenster gesetzt. Was magst du essen? fragte die Mutter. Einfach ein Crêpe, bitte. Ach was, du hast Geburstag. Ich bestell Dir die gegrillte Andouillette mit lauwarmen Kartoffeln, Dijonsenf und Cornichons. Mama, nein. Herr Ober, die Andouillette bitte. So ging das immer. Da hatte Rotkäppchen genug. Sie schlief die ganze Nacht nicht. Heute früh am Morgen legte sie ihr rotes Käppchen ab und schlich sich ganz leise aus der Wohnung. Raus, in die Welt.

  4. Könnte es sein, dass ihr neuer Name „rapunzel“ ist? denn ohne Kappe, da kann sie ja jetzt ihr Haar ungehindert runterlassen – vorausgesetzt, der Zopf ist noch nicht ab. Oder laufen da am Ende 2 Kreuzungen rum: Rakäppchen (Eine, die zu scheu ist, ihre Haare zu zeigen, geschweige denn runterzulassen – und Rotpunzel, jemand, der immer, rot von emotiver Tätigkeit, umherpunzelt, ein Fliegenpilz?

  5. So leuchtende Fische, da gibt es doch welche, da sieht man doch das Leuchten nicht, da braucht man einen speziellen Filter, eine andere Brille. Das eine sind eben Fische und das andere Menschen, zwei verschiedene Welten eben.

  6. (…) Auch interessant: hier lebt jemand in einem gesellschaftlichen Vakuum und ist gerade dabei, dies zu erkennen. Der Text gestaltet diesen allerersten Erkenntnisimpuls und die nachfolgenden Impulse, den Prozess an seinem Beginn. (…) hat überdies die Funktion, die Reizung des Nervensystems nicht per Screening zu erfassen, sondern sie in bildreiche Worte zu übersetzen. (S.89)

  7. (…) in dieser Textpassage o.a. ganz anders, als beispielsweise zu Beginn des Romans. Nach weiteren 103 Seiten klingt es dann so: (…) verkrustete Hülle, in der nur noch (…)und an den fünffingrigen Hochstrahlblüten nicht aufgezüchtet worden war.“ Hier zeigt sie die in das Bewusstsein der Erzähler eingegangene, nicht mehr fühlbare Substanz aus einem Agglomerat einzelner Individuen

  8. (…) und die Steuer noch am Anfang des Jahres. Gaming-PC. 4K – fast wie 3D ohne Brille, einer, der die Wand anleuchtet. Technik, Makeup, Haare, Auto, Jungs, rasiert de Haare! Das passt schon. Kee Auto, kee nichts, ich roche nich. Mein Mann hat im Monat zweehundert Euro verqualmt! Jeden Abend sitzt du, da geht die Magic weg. (…)

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