Die Abtei

(Öffnung der Almanache II)

Wir Zöglinge tragen unsere Herzen auf schneeigen Stirnen.
Das Siegel der nackten Füße aus fünfhundert Jahren
ist den Steintreppen eingeschrieben.
Wenn wir durchs Tal gehen, Hand bei Hand
und immer einer hinter dem andern
eilen unsere Silberstimmchen uns züchtig voran.

Alle Abende nehmen wir heimlich den Duft
des Weihrauchs mit in die Betten.
Die Glockentöne legen sich schwer auf die Brust
die nicht atmen will, wenn die eine Hand
das Gebet spricht und die andere
sich im Feuer verzehrt.

Die müden Patres haben auch ein Herz zu verschenken.
Sie schmücken es mit den Dornen der Winterschlehe
und reinigen so ihr geschwätziges Blut.
Wie ein Klingelbeutel springt es von Hand zu Hand
und hört doch nicht auf, vor sich hin zu murmeln.

O, daß die Nächte nun wieder kürzer werden
wie die Kerzen vor dem gestrengen Altar!
In den Gängen türmt sich der Schnee
der vergeblich seiner Erlösung harret.
Die hohen Feste – Ostern, Pfingsten, Fronleichnam –
fädelt der Raureif auf seine Perlenschnur.

Ein Kommentar

  1. Am Wartehäuschen knackt ein Ast. Schon lange ist hier kein Bus mehr vorbeigekommen. Dennoch stellen wir uns hier unter, für eine kleine Verschnaufpause. Wir wickeln unsere Schulbrote aus dem Papier, betrachten ihre ungesunde Farbe, klappen sie hoch und schütteln den Kopf über die gekratzte Margarine und das Scheibchen blassrosa Cervelatwurst. Klappen sogleich das Innenleben wieder zu und beginnen zu essen, kauen nur mit den Zähnen etwas, das sättigt. Danach wischen wir uns die fettigen Finger an unseren Manteltaschen ab und setzen uns auf die Holzbank.

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