Bobrowski

Weit Sarmatiens Himmel,
Tage wehten in brennender Bläue
über die Memel, in der Schläfe
die Schatten der Wälder.

Katzengleich schmiegten
weiße Städte sich an die
Ufer der Ströme, lautes Getön
an den Abenden.

Über Dörfern, den Dörfern
aus Tränen, lag die Nacht, lang,
und die Ebene schwieg in
riesigem Schlaf.

Gesungener Schmerz,
niemals verwunden – wen,
das Flüstern, die Zärtlichkeit,
berührten sie nicht.

Antigone
Weder gewesene Pionierleiterin, Mitglied des Politbüros oder gar Geliebte des Staatsratsvorsitzenden (wie hier vermutet), sondern schlichte DDR-Bürgerin, nunmehr für 18 Milliarden DM zusammen mit 17 Millionen DDR-Bürgern zwangsweise verkaufte Bürgerin des Staates BRD. Hanna Fleiss: geb. 1941, wohnhaft in Berlin, Veröffentlichungen: zwei Gedichtbände "Nachts singt die Amsel nicht" und "Zwischen Frühstück und Melancholie" sowie in zahlreichen Anthologien und im Internet.

11 Kommentare

  1. „Leute, es möchte der Holunder sterben an eurer Vergeßlichkeit…“
    Das ist gut. Spannung gehalten vom ersten bis zum letzten Wort. Anregend. Fast schon vergessen eben. Leider.

  2. Warum nicht einfach alles ins Präsens? Nichts ist gegenwärtiger als die Erinnerung, die Vergangenheit! Im Präsens kommt das gute Gedicht noch besser und direkter, eindrücklicher, finde ich.

    Weit Sarmatiens Himmel,
    Tage wehen in brennender Bläue
    über die Memel, in der Schläfe
    die Schatten der Wälder.

    Katzengleich schmiegen
    weiße Städte sich an die
    Ufer der Ströme, lautes Getön
    an den Abenden.

    Über Dörfern, den Dörfern
    aus Tränen, liegt die Nacht, lang,
    und die Ebene schweigt in
    riesigem Schlaf.

    Gesungener Schmerz,
    niemals verwunden – wen,
    das Flüstern, die Zärtlichkeit,
    berühren sie nicht.

  3. Liebes literarische Forum,

    du/ihr wäret mir wesentlich sympathischer, wenn ihr nicht immer wieder so oberflächliches Zeugs verzapfen würdet. Vermutlich habt ihr schon lange den Bobrowski durch den Bukowski ersetzt, was ihr anscheinend für die Krone der Lyrik haltet. Bobrowski ist keinesfalls vergessen, wenn aber, dann auf dem schnelllebigen westlichen Literaturmarkt, dem es nicht auf Klasse, sondern auf Kasse ankommt. Aber herzlichen Dank für den Kommentar.

    Gruß, Antigone

  4. Lieber Werner,

    nein, das Gedicht lebt erst durch das Präteritum. Denn erstens ist es nach Bobrowskis Tode geschrieben, zweitens handelt es sich bei den Gedichten Bobrowskis immer um die verlorene Heimat Litauen – und da bietet sich nicht nur an, sondern wird die Vergangenheit geradezu erzwungen. Zumal Bukowski sein Litauen nur mit dem Blick in die Vergangenheit beschreibt.

    Zum Präsensschreiben mal ein Hinweis: Gedichte und auch Prosa im Präsens, das ist meine Erfahrung, biedern sich beim Leser an, sie gaukeln ein „Miterleben“ vor und verdecken in Wirklichkeit doch fast immer die Schwächen des Werkes. Und dann noch etwas zum Überlegen: Der Schreiber kann logischerweise das Gedicht erst im Nachhinein aufschreiben, nachdem eine Begebenheit passiert ist. Es ist also nicht ganz ehrlich, wenn ein Autor im Präsens schreibt. Das Präteritum wird die lyrische Vergangenheit genannt. Sie ist die bevorzugte Zeitform, in der jedes gute, ernstzunehmende literarische Werk geschrieben ist. Noch nicht bemerkt?

    Bei deiner Umschreibung ins Präsens stelle ich genau die von mir angeführten Probleme fest. Zum Beispiel steht bei mir die letzte Zeile im Konjunktiv, während du den Indikativ einsetzt. Das ist eine Verfälschung, die durch das Präsens zustande kam.

    Gruß, Antigone

  5. wenn du ihn schon selbst in deiner antwort bukowski nennst (bukowski kenne ich kaum, bobrowski gut) … jedenfalls lebt bobrowski noch, vom poetischen her gesehen, Christoph Meckel war mit ihm befreundet und würde dir sicher dasselbe sagen … aber, ich sehe das anders mit dem präsens und imperfekt, präteritum, futur usw. in einem gedicht oder auch sonstigen literarischen text findet manchmnal alles gleichzeitig und in der gegenwart (zumindest in der schreibgegenwart) statt, das ist bisschen so wie im traum, wo die gesetze von zeit und raum aufgehoben sind für die dauer gewisser sequenzen … wie ist denn der konjunktiv präsens 3. person plural von berühren? aber, ich bin grammatikalisch nicht sehr gebildet. es gibt sprachen, die kennen nur eine zeit, die des präsens, das bietet vorteile. aber, ein interessantes literarisches problem, das du hier aufgeworfen hast. darüber ließe sich sicher noch weiter drüber reden. nun denn, es war eine idee, und ich sehe, nicht in deinem sinne, auch recht. darüber streiten verbietet die literatur, verbietet bobrowski.

  6. @Antigone: Bukowski? Kenn ich nur aus dem Tatort…, der übrigens heute wieder läuft. Im Ernst: Wer mit 16 nicht Bukowski liest und Grün wählt, hat kein Herz.
    Aber mal was ganz anderes: Woher kommt eigentlich Ihr Klassenstandpunkt? Er erscheint mir sehr aggressiv. Was hat Sie so zerrissen? Und warum reagieren Sie so bissig auf Kritik?

  7. letztendes ist es mir egal, es ist ja nicht mein gedicht. der autor / die autorin muss das am ende selbst für sich und das gedicht entscheiden. von bissig also keine spur. tatort sehe ich widerum nicht, ist mir viel zu brutal, ich bin pazifist. mit 16 habe ich beckett, ionesco, girodoux und anouilh gelesen. hat bukowski überhaupt schon veröffentlicht, als ich 16 war, 1971/72?

  8. Lieber Werner,

    egal ist es dir, ob Präsens oder Präteritum. Sollte dir aber nicht egal sein.
    Die Zeit ist dem Autor ein wichtiges Element, seine Texte zu schreiben, so wichtig wie der Plot oder die Sprache. Also, von egal kann da keine Rede sein, wenn du ernsthaft schreiben willst. Und ja, das habe ich auch schon festgestellt, dass von Handwerk heute bei den Autoren kaum noch Spuren vorhanden sind, da geht es nicht nur zeitlich munter durcheinander, vermutlich hat das mit der Nichtqualität des Deutschunterrichts in den Schulen zu tun, der Unkenntnis von Literatur überhaupt. Anders ist das nicht erklärbar, du schreibst ja selbst, dass du von den Grundlagen des Schreibens keine Ahnung hast, wenn du noch nicht mal die Zeitformen beherrschst. Wobei, nebenbeigesagt, man Bukowski durchaus kennen sollte, zumindest ist das keine Schande. Und man sollte bei ihm nicht klauen, aber das ist die Normalität heute allgemein, das macht so einen coolen Eindruck auf den Leser, und Ärger gibt es auch nicht.

    War nett, mit dir zu plaudern. Und hab Dank für deinen Kommentar, er hat mir die Situation bestätigt, wie ich sie selbst einschätze.

    Gruß, Antigone

  9. Hallo „Literarisches“ Forum,

    von welchem „Klassenstandpunkt“ schreiben Sie hier? Jeder Mensch hat einen Klassenstandpunkt, auch wenn er sich dessen gar nicht bewusst ist und ihn auch nicht vertritt oder gar verteidigt. Mir geht es um Literatur, ich bin aber der Ansicht, dass auch der Autor Teil der Gesellschaft ist, in der erlebt, und sich da auch gar nicht rausschmuggeln kann, sozusagen: Ich bin der Niemand, der niemandem Böses will und die ganze Welt liebhat.

    Und wenn Sie es kränken sollte, dass ich den bundesdeutschen Literaturmarkt verdächtige, weniger auf Klasse als vielmehr auf Kasse zu setzen, dann liege wohl nicht falsch. Erfahrungswerte, nicht nur meine.

    Gruß, Antigone

  10. @antigone: jetzt reicht es aber mit der überheblichkeit. du bist nicht die einzige, die deutsch kann und schreibt. ich selbst schreibe seit nunmehr 46 jahren „literarisch“, veröffentliche seit über 20 jahren (und nicht in einem druckkostenzuschussverlag), seit fünf jahren sehr ambitioniert und intensiv (inzwischen kann man mich in literarischen anthologien und zeitschriften finden zusammen mit einer literaturnobelpreisträgerin, mit einem büchnerpreisträger, einer bachmannpreisträgerin und einem leonce-und-lena-preisträger sowie anderen literarischen „hochkarätern“ der deutschsprachigen gegenwartsliteratur, ich wurde gelesen von Christoph Meckel usw., das alles kommt nicht von ungefähr, mein dritter gedichtband steht kurz vor der veröffentlichung, und das alles „nebenbei“ zu einem acht stunden-arbeitstag als beratender ingenieurgeologe plus zwei stunden fahrtzeit, siehe hierzu auch meine hp unter http://www.weimar-mazur.de/). und als jahrgang 1955 hat man natürlich richtig deutsch gelernt in der schule, auch grammatik. und trotzdem ist mir dein präteritum und kein präsens am ende sch***egal (wie Charles Bukowski auch, den ich natürlich kenne und gelesen habe, Gott hab ihn seelig), weil ich meine texte, vornehmlich gedichte, so schreibe, wie ich sie haben will. ich kann mir auch die bildungslücke erlauben, keine antigone (Hanna Fleiss) gelesen zu haben, dir mir weismachen will, wie man/frau richtig schreibt … und wie nieder sie die anderen schreibenden einschätzt. letzteres hat alles getoppt, was mir bisher an selbstüberschätzung eines autors / einer autorin untergekommen ist. antigone (Hanna Fleiss) ist damit für mich eher erledigt, als dass ihr geschreibe weiter mein interesse weckt. zu den akten! soviel zum thema.

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