Mandelstam

Der Schrei: stumm
wie ein Vogel
unter Wasser.

Gelb ist keine
Farbe, gelb
ist ein Symbol –

Menschen
weizen, jede Ähre
einen Kopf kürzer

nach der Ernte,
nach dem Anbrechen
unserer Zukunft.

Wir haben keine Zukunft.
Unsere Geduld ist am Ende.
Unser Ende längst vorbei,

so graben wir uns
durch Stunden
und Tage

als seien es Monate,
Jahre oder Menschen
alter

J. W. Rosch
geb. 1967 in Charkiv, lebt in Frankfurt am Main. Gedichte, Prosa, Roman. Bisher bei LLV erschienen: Jokhang-Kreisel. Gedichte und kurze Prosa mit Zeichnungen von Anna H. Frauendorf (2003), Goðan Daginn. Gedichte. Mit Radierungen von Mechthild Mansel (2010).

2 Kommentare

  1. Lieber W. Rosch,

    ja, so kann man an Mandelstam herangehen. Vielleicht noch eine Spur deutlicher, damit die Biographie Mandelstams, die ja immer in seinem Werk eine große Rolle gespielt hat, im Gedicht verstanden wird. Sprachlich sauber geschrieben, ohne die beliebten unverständlichen „Metaphern“. Die du verwendest, erklären etwas deutlicher, als es auf realistische Weise herüberkäme, das ist ihre Funktion und nicht die, die Realität zu verschwiemeln.

    Vielleicht noch eine Überlegung: Im Zusammenhang mit dem „Gelb“ wäre es vielleicht ganz angebracht, auch den Begriff „Stern“ einzubringen.

    Lieben Gruß, Antigone

  2. @Antigone: Nein, dieser Zusatz wäre dann doch zu platt. Man muss ja nicht mit der Nase in den Brei fallen. Eine Handbreit sollte schon dazwischen sein. Und ein wenig Grübeln schadet nie.

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