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Er war ein Dandy, der Extravaganzen schätzte, die er sich gar nicht leisten durfte: Debussy verdiente schlecht, Publikum und Kritiker waren ihm kaum gewogen, er selbst zweifelte an seinen Fähigkeiten und klagte 1893 in einem Brief: „Da bin ich nun 31 und meiner Ästhetik gar nicht sicher. Noch immer gibt es Dinge, die ich nicht fähig bin zu tun — zum Beispiel Meisterwerke zu erschaffen.“

(Der Spiegel, 5.1.1970)

7 Kommentare

  1. Tja, auf Druck geht eben nix…
    Dachte Debussy ernsthaft, er sei ein Götterkind, zur Genialität berufen? Woher kommt dieser Wunsch zur Aufmerksamkeit, zur Anerkennung, zu Ruhm und Ehre? Woher der Drang, nicht nur was Großes, was Einzigartiges zu schaffen, sondern damit auch größere Beachtung zu finden? Wenn es denn nur beim „stillen“ Meisterwerk bleiben würde. Nein, die Meisterschaft muss bestätigt werden. Ohne Zeugnis kein Abgang. Ist das nicht alles ein wenig krank?
    „Es kann die Spur von meinen Erdentagen nicht in Äonen untergehn“…ein luziferischer Gedanke, geben wir es doch zu. Einfach können alle. Doch wer will schon ALLE sein. Und so quält sich der durchs Leben, der von Geburt an wie ALLE einzigartig ist, aber dies auch bestätigt haben will. Bedauerliche Kreatur.

  2. Debussy zog Katzen den Menschen vor. Er glaubte nicht an Gott. Wen bedauern Sie? Sich selbst, da sie von Musik nichts zu verstehen scheinen? Sie sind ein armer Wicht, Herr Pastor. Allerdings genießen auch Genies zuweilen, Ihnen zu beichten. Aus ästhetischen Reflexen, möglicherweise.

  3. Beim Lesen eines Romans: Rilke. Einen Traum zurückholen. Ein Gefäß, in dem Blasen aufsteigen. Züchtung, Leben, chem. Reaktion: Geburt. Leere Seite. Von der (speckiger) Glanz ausgeht. Eine Welt, in der noch alles anders herum ist. Er (Rilke) wollte seine privaten Bedürfnisse etc. entblößen. Dominanz anmelden: „Wer langmüthig und hingebungsvoll seine Gülle auf dem Felde trocknet, der darf erschauen, wie ER (Gott) hieraus feste Ackerfurche macht.“ Dass er (der Roman) mir soviel zugestanden hat.

  4. Auuuuuuuh … schrill und gleichzeitig gedämpft stieg der tiefe Klang seinen Abhang hinauf, zielstrebig, scheinbar ewig. Solange die Bewegung währte, brummte und brabbelte es im Wald. Die Nymphe, welche gestern erst auf Nimmer Wiedersehen in die Höhle zwischen den Wurzeln der Weide gekrochen war, streckte ihre Augen aus dem Dunkel hervor, dass es aussah, als habe der Unterleib des Baums urplötzlich zwei Petrischalen ausgetrieben, Froschmuster von der anderen Seite der Dinge her: grauenvolle Erstarrung. Doch der Klang erreichte seinen Gipfel, haargenau in dem Moment, da der Augendruck wieder zunahm und sich irgendwo dort draußen die in der leichten Andeutung von Augenbrauen geschwungenen Flügel eines halbrunden Tores schlossen, auf dass niemand mehr hindurch gelange. Endgültigkeit nach allem Gebrabbel. Was hier zurückblieb, erweckte den Eindruck eines dunkelen Morasts mit zittrigen Nadelstichen aus Licht auf seiner dumpf wabernden Berandung, und die ausgedellte Kreisform dieses Schlammlochs hing schräg neben dem senkrecht auf einen runden Rahmen gespannten Fell in einer überdeutlichen Höhle a priori. Hier nun setzten drängend die Streicher ein.

  5. „… Im Übrigen bin ich mehr und mehr überzeugt, dass die Musik ihrem Wesen nach nichts ist, was in eine strenge und traditionelle Form gegossen werden könnte. Sie besteht aus Farben und rhythmisierter Zeit … Alles andere ist ein Schabernack, erfunden von kalten Dummköpfen auf dem Rücken der Meister, die doch vorwiegend nur Musik ihrer Zeit gemacht haben!
    Allein Bach hat die Wahrheit geahnt.“
    Claude Debussy, 3. Sept. 1907 an Jacques Durand

  6. „Er wollte einfach komponieren. Sein innerer Kompass war auf diesen Leitstern ausgerichtet. Das machte ihn natürlich überhaupt nicht einfach. Aber er muss unglaublich anregend im Gespräch gewesen sein. Er hatte eine wunderbare Ironie, die allerdings manchmal auch in Richtung Sarkasmus ging. Aber er musste mit jemandem vertraut sein. Wenn er das nicht war, blieb er stumm wie ein Fisch. Und Smalltalk gab’s bei ihm nicht.“ (Deutschlandfunk)

  7. „Dachte Debussy ernsthaft, er sei ein Götterkind, zur Genialität berufen?“ Ich weiß zwar nicht, ob er es dachte, aber er war es. Weil er es konnte.

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