Ein Kommentar

  1. „Ist etwas mit ihm“, fragte ich Rita. Rita sagte, nein, mit ihm ist nichts. Was soll denn mit ihm auch schon sein? Machen tut er alles wie immer. Um punkt sieben rasselt der Wecker. Dann steht er, erst mit dem rechten, dann mit dem linken Fuß auf. Er tut dies bedächtig und langsam, damit er nicht umfällt. Jammern? Er doch nicht. Der macht das, stoisch, als wäre es eine Aufgabe. Als wäre das ganze Leben eine Aufgabe gewesen, so war seine Existenz. Warum sollte sich das mit siebenundachtzig noch einmal ändern? Was er nicht mehr schnell kann, macht er eben langsam. So ist das Leben. Vielleicht ist sein Gott ein Mineral. Und er wird zu Stein, je älter er wird. Steine sind auch allem ausgeliefert, wehren sich nicht, jammern nicht. Klaglos liegen sie da und lassen sich vollregnen, abwaschen, von der Sonne ausdörren, vereisen, zu Geröll verarbeiten. Steine! Ja, Steine, die sind vollkommen in Ordnung. Wann war da zuerst der Stein? Vor dem Urknall oder erst danach? Er, jedenfalls, kocht so sein eigenes Ewigkeitssüppchen. Vor dem Tod fürchtet er sich nicht. Ganz im Gegenteil. Er sieht darin nur einen natürlichen Prozess, an dem ich, bitte schön, auch ein bisschen teil haben kann, wenn ich das möchte, wo immer und wann immer ich dies möchte. Ja, er philosophiert gern, sobald er in den Socken drin ist und ich ihm sage, dass der Kaffee fertig ist. Dann setzt er sich, im Tempo einer Schildkröte, an den Tisch und ist zufrieden. Ich wette, er hat auch bei Pflegestufe 2 noch ein sonniges Gemüt.“
    „Grad, Pflegegrad heißt das doch jetzt. Mensch Rita. PflegeGRAD, heißt das jetzt. Denk dran, wenn du ihn beantragst.“

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