Braune Politik

„Warum bist du so braun“, fragte mich kürzlich ein Arbeitskollege im Vorbeigehen, „warst du im Urlaub?“ Ich verstand seine Frage nicht. Nun gut, manch böse Zungen behaupten, der Führer hatte Mundgeruch. Das ist eine unverschämte Lüge. Und meine Haut ist blass und ich kann nichts dafür. Blasse Haut wird zum Glück noch nicht als Zeichen von Rassismus gewertet. Ich musste diese Frage also als überflüssig für mich und eine Veränderung im Verhältnis zu einem Kollegen verstehen, dessen Gesicht mir auch nach Monaten nicht vertraut war, dessen Färbung ich nicht einschätzen konnte, und mit dem ich bislang noch keinen Satz gewechselt hatte. Dennoch hatte mich diese Frage, noch dazu am frühen Morgen, nachhaltig verunsichert. Versuchte dieser Kollege mit mir in Kontakt zu treten und erinnerte sich, dass Frauen gerne Bemerkungen über ihr Äußeres hören? Ahnte er, dass ich nicht schlagfertig genug sein würde, um wenigstens mit einem schalen Witz à la, nee, ich habe mir nur 14 Tage lang die Unterhose über dem Kopf ausgezogen, zu kontern? Litt er unter einer angeborenen Rot-Grün-Blindheit, und mein Gesicht war durch die trockene Luft von einem Hautekzem verunziert oder grünlich im Anschein einer nahenden gesundheitlichen Verstimmung? Ich ging auf die Toilette und konnte in der künstlichen Beleuchtung nichts feststellen. Meine Gesichtsfarbe war unverändert und schaute mich ein wenig missmutig an. Ich versuchte ein Lächeln. Der hatte es sicher gut gemeint oder er gehörte zur Sorte Menschen, die nicht viel nachdenken über das, was sie sagen. Braune Haut galt einmal als schön. Heute ist die Farbe in Verruf geraten, nicht nur wegen der Politik, sondern auch wegen der Hautkrebsgefahr, die überall in den Medien beschworen und beklatscht wird. Und wenn es denn gesellschaftlich noch erlaubt ist, über Natur und Gesundheit im Doppelpack zu denken, lasse ich hier eine Bemerkung über das Fell und Gefieder vieler Tiersorten, sowie über die Tellerlinsen fallen. Sie sind überaus gut angepasst, indem sie kaum auffallen oder ihr Gegessen-werden politisch korrekt ist. Übrigens hatte ich vor einiger Zeit einen Disput mit einem anderen Kollegen, der ernsthaft meinte, die Gesellschaft unter Adenauer oder die Bevölkerung im hessischen Gießen sei brauner gewesen als die Jugend in Sachsen und Sachsen-Anhalt. Vielleicht hat er Recht. Denn diese konnten und können sich Urlaub – oder wenigstens den Besuch im Sonnenstudio leisten. Während ich dies hier schreibe, habe ich das Gefühl, mit den Füßen langsam im Morast zu versinken. Nach gehaltvoller langer Weile, dominiert nun, gegen die Monatsmitte hin, wieder die kurze Zeile.Vielleicht liegt das an der Politik meines Schreibens. Sicher bin ich mir nicht. Aber ich nehme mir vor, bei der nächsten Bemerkung eines Kollegen, die ich nicht verstehe, ihm wenigstens dies zu Verstehen zu geben. Man muss nicht jeden Morast durchsteigen.

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