Bruxelles, Musée Fin-de-Siècle.

L‘homme en Rouge war ihr Lieblingsbild. Helles Rot, geparkt auf einem schlanken männlichen Leib, der seine Bewegungen zu koordinieren wusste, den dünnen Schnurrbart zwirbelte. Glitzernde Edelsteine perlten an seinen Fingern, die Stimme hatte den warmen Schokolade-Klang von Cellosaiten. Dass so ein Mann die Frauen liebte, war ein Geschenk, das Esther sich bei der nächsten Gelegenheit abholen wollte. Sagte sie sich. Grüne Salatrüschen wanden sich über ockerfarbenen Käsescheiben und geeister Schaumwein wurde herum gereicht.

Wie im Traum, aus der Zukunft kommend, denkt sie:

Ich will bei ihm bleiben.
Ich bin neugierig.
Das Gefühl ist anziehend.
Nichts stellt sich ihm in den Weg.
Ich lächle das süßeste, kirschrote Lächeln,
stoße mit dem Glas gegen seinen Anzug,
an seine Brust, genau dort,
wo sich das Herz befindet.

„du bist nicht aus dem Barock, du passt nicht zu Rubens, deine Taille ist geschnürt, aber das will ich nicht sehen.“

Ein Bleicher mit grüner Haarsträhne am Hinterkopf gesellt sich zu Esther, und da er merkt, wie sehr sie sich für den Herren im roten Anzug interessiert, spricht er sie ungeniert an. „Die Dame des Salons hat sich mit ihrem Mann gestritten, er redet nicht mit ihr,  und sie isst nun seit drei Tagen nur noch Brot mit dünner Margarine.“

„Eine Verschwendung, bei so einem hübschen Menschen.“

Wo, zum Teufel, blieb in der Gegenwart das Mystische? Es verbarg sich in Spaziergängen, in ihnen lag die Lösung. Wer jedoch in karger Erde grub, würde niemals fündig werden.

„Wissen Sie, wer der Mann dort am Büffet bei den Pralinen ist? Es ist Henry van de Velde. Einer der größten Designer unserer Zeit. Er hat die neue Kunst geprägt.“ „Oh“, macht Esther, senkt die Hand. Blass hält sie den Kelch mit dem kirschroten Bier. „Van de Velde. Mein Gott.“

crysantheme
Wer eine Crysantheme verblühen lässt oder ihr den Kopf vor ihrer Zeit abschneidet, der erntet zur Strafe nur noch grünes Friedhofskraut.

3 Kommentare

  1. PS.: ich habe mich seit langem mal wieder bemüht, die Kategorien einzugeben. Dabei ist mir aufgefallen, dass Sie die „verstreute(n) Schatten unter „Panphobie“ gelistet haben. Wenn damit also die Schatten auf der Lunge gemeint sein sollten: Nichts für ungut. Damit komme ich zurecht.

  2. Danke! Das freut mich. Ich dachte mir, nachdem ich die Texte eingestellt hatte, ich sollte es mir besser verkneifen, hier Meinungen einzufordern. Deshalb habe ich die Texte wieder gelöscht.

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