Erinnerung an Tavira

Nichts gleicht den Stränden im Winter, dem Licht am Wasser, auf hellem Sand. Die kleine Stadt hinter dem Meer, mit ihren weißen Mauern. Dem Platz hinter der Brücke. Cafés und dunkle Arkaden, unter denen das Wort pulsiert. Geschriebenes Wort aus der Zeitung, den Medien, kehlig diskutiert.

In den Menschen ist Zeit, sie hat sich angesammelt in ihnen, wie nutzlos stehen sie herum. Sind einfach da. Geben den Mauern, den Straßen Halt.

Prinzessinnen rennen durch die Straße, Jungen mit Konfetti und knallenden Revolvern, auf der anderen Flußseite. Am Ortsrand. Vom Himmel die Flut aus Licht. S. zeigt mir die weißgekalkten Kirchen, die Ruine eines Kastells. Der Blick über die weiße Stadt, in der Ferne die Linie Meer. Gezogen wie mit dem Lineal. S. ist schon im nächsten Ort, am nächsten Strand. Wir sitzen auf Stühlen vor der Lagune, ein Boot rührt das Wasser auf. Hell leuchtet das Kiosk, wie die Zähne der Frau an der Bar, die den Kaffee bringt.

Es ist möglich, im Auto zu schlafen, hoch über der Stadt. Lila und rote Blüten wachsen über den Duschen, das Wasser läuft kalt.

Der Strand dehnt sich wie Wüste, hell, er scheint endlos. Da ist der Balken aus Wasser, das Blau einer Waage, ins Lot gebracht. Hotelburgen erheben sich fern, am Horizont, weiß auch sie. Abendlich nur das Leuchten.

S. bleibt am Strand, ich fahre zurück in den Ort. Sehe die alten Dächer auf der anderen Flußseite wieder, den Karren, vom Esel gezogen. Die Menschen sind mißtrauisch, die alten Frauen. Die Kinder werden vor mir entfernt, als nähere sich der Leibhaftige. Hinter Greisin und Kind schließt sich die Tür, fällt geräuschvoll ins Schloß.

Der Tag wird aus Licht geboren, aus einem Brunnen aus Zeit. Er steigt herauf, lange, bis die Sonne, unsichtbar, im Zenit steht.

10 Kommentare

  1. Ein Text mit Styl. Darf ich das ungehindert feiern? Ich feiere es. Mir zur Feier. Und im Gedenken an das, was Van de Velde über die Linie sagte:

    „Es ist alles, absolut alles, was das moderne Leben ausmacht. Was den neuen Rhythmus und neue Harmonien bestimmt. … Ebenso fühle ich in den Gegenständen und Blumen … den neuen Rhythmus.“ (Henry van de Velde: Kunstgewerbliche Laienpredigten. 1902)

    1. Danke für den Kommentar und den Hinweis! Das Zitat von van de Velde kannte ich nicht, auch nicht den Titel.
      Der Text ist zugegeben etwas ästhetisierend. Ich erinnere mich an ein Foto aus den 90er Jahren, auf dem diese blaue Linie ungemein deutlich war. Sie ergab sich durch das einfache Schauen.

  2. In der pendelnden Suche nach der Auflösung der Gleichung, die den Eigennamen definiert, schließe ich den Menschen aus. Übrig bleibt die Landschaft. Und in ihr die alten Frauen. Namenlos, mit Kindern an der Hand. Sie zerren das Wachsende weg vom Strand.

    Man kann es ihnen nicht verdenken: Immer sind es die Fremden, die die Schönheit rauben.

  3. Namenlose seien keine Menschen???
    Kinder seien keine???
    Autisten???

    Wie kommen Sie zu solch einer Präsupposition, ist das Ihr – unbewusster – Konstruktivismus — Ihre epistemische Krankheitsform, Ihr – dann zwangsläufig – gewolltes Leiden..?

    Ah Schmarrn, so absurd, dass es noch nicht mal die Mühe wert ist, sich davon zu distanzieren..!

  4. „Hallo???“ reagiert einfach auf die von „Kommentar 3“ eingeführte Unterscheidung von Menschen und Landschaft, ohne den Subtext zu ergänzen, dahingehend, dass damit die „Hauptfiguren“ der Erzählung gemeint seien. Damit bezweifelt Sie einfach, liebes Zhenja, die von Ihnen präsupponierte These, bei den Texten hier handele es sich um „(topoi) — im Reigen der Struktur“… Sie ist eben ein Mensch und fühlt sich – stellvertretend – beleidigt.

  5. Insofern mensch die griechische Tragödie als Antwort auf die Herausforderung des Menschen durch das Übermaß, den quantitativ nicht bestimmbaren Überschuss von Möglichkeiten über die sich in einer Situation selbstverständlich darbietende Vielheit unserer selbst auffasst, Ja. Zwar ist der Mensch eine Vielheit von Personen, und vor dem Gesetz sogar eine endliche, aber mensch kann sich mit solcher Situationsbeschreibung nur schwer zufrieden geben. Heute aber ist die Tragödie noch größer als zu Äschylos‘ Zeiten. Mensch hat endgültig rechnen gelernt und weiß das auch. Der Überschuss fungiert, als Aufgabe – und sei es auch nur – ästhetisierend wie viele Jugendliche in ihrer uneingestandenen Angst vor der Zukunft- als Ablehnung von Übermaß, Extase oder einer – weil in Selbstzerstörung kulminierenden – Pragmatik des Extremismus.
    So weit, so gut. Doch das Übermaß an Möglichkeiten besteht weiter, so auch die Tragödie als Möglichkeit einer Antwort darauf.

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