Sechs neue Gedichte, 4. Reihe

Aus „Wahrenberger Stanzen“



in Windesstille plätschert das Meer
durch die Nacht und an festgemachten
Booten flüstert ein Liebespaar sich
Liebesschwüre durch Fischernetze 
zu Hat an so einem Ort der Engel

Jakob die Hüfte ausgerenkt? wie
nicht untergehn im Kampf mit Ihm 
der im Dunklen kämpft Wie eine
Buhne sich ins Wasser und ins 
Festland Keilt dieser sich in eine 

Brust … Hörst dem Plätschern des
Meeres zu … Das sich um Schiffe 
Fische Steine um Liebesschwüre
mit Salz und Ferne legt Die Luft 
wird schwerer Sprache wird Gehör

               *

das Wasser zischt in der Heizung
(die Eismeere schmelzen und 
Bangladesh und Sylt wird es bald 
nicht mehr geben) während ich 
darüber nachsinn warum sich 

das Leben stets ins Tragische 
wendet Für den Mann an der 
Tankstelle bin ich halb Räuber
halb Kunde Er schickt mich
fort mit dem Beleg Nein ich 

treibe nicht schiffbrüchig im 
Indischen Ozean vor Sumatra  
doch die Hohlheit der Worte ist 
vielleicht grausamer Ich rufe 
Ihn Der den Inhalt schenkt

              *

mein ostfälisches Dorf betört 
mich mit seinen Fachwerkhöfen 
und kleinen Häusern atmend in 
weiten Gärten Noch nicht verkauft 
an den Willen des Markts Am 

Zaun wartet ein Hund Den ich 
mit Leckereien besteche Nachts 
bleiben die Laternen dunkel und 
die Bäume wiegen sich wie ein 
schweres schwarzes Segel Und 

die glänzenden Sterne sind keine 
RTL 2-Oper Hier laufe ich Aber
sehe nicht hinter das Dunkel 
das mich sieht Und bitte Tod 
lösch mir diese Schönheit nicht

                *

die Februartage künden die ersten
Frühlingsboten Leberblümchen und
Krokusgrün So treibt die Erde 
aus Wie aber werden daraus keine 
Ansprüchlichkeiten Wächst mit

Gewinn nicht der Verlust Maria 
bewegt die Worte Die sie gehört 
in ihrem Herzen während man in 
England Qualzucht betreibt mit
menschlichen Embryonen  

sag, warum können wir nicht  
still sitzen Nur sanft die Hand 
erheben derweil die Bäume 
wogen in Mariens Arm rufen
Haltet ein ihr Gewalttätigen

               *

die Katze sitzt auf der Mauer Sie
fürchtet sich nicht im Dunkel und
das Käuzchen ruft durch die Nacht
seine berühmte Melodie aus ganzer
und punktierter Note und Triller

der bis ans Ende der Welt rollt 
und sagt Daß irgendwo jemand 
keinen Menschen hat und vorm 
Fernseher eingeschlafen ist
die warm leuchtenden Fenster

verraten nicht wie klein die 
Wärme ist Von uns gegeben 
und nie umsonst Noch immer
sitzt die Katze auf der Mauer 
schaut im Dunkel die Farben

               *

du möchtest nicht zu einem Volk
gehören Das jenseits seiner Grenzen
ausraubt brandschatzt Müll wegwirft Das
ohne Dank zu Tische sitzt Du möchtest
still im Regen gehen und vielleicht

von fern noch eine Säge hören Ver-
mischt mit dem Gesang von Schwänen
die übers Wasser streifen Möchtest
der Grasnarbe Geduld erspüren und
keinen Politiker wählen Nicht für

drei die Erde verbrauchen Sondern
die Freude wie dein Hund es kann
ins Herz einlassen Willst niemand
in Verzweiflung treiben Dem
andern nicht das Maß festhalten 

September 2022

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Walter Thümler
schreibt Poesie, Philosophie, Erzählprosa

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