Sechs neue Gedichte, 3. Reihe

Solche Fenster

                             für Katharina

es gibt Fenster Die führen hinaus
                      auf den Fluss Andere führen
                                                   direkt
       auf eine Wand
                                und jeder Weg wird 
    noch durch ein Ziel zerstört
                                         nenn nicht der
       Lerche Freudenruf Bewachung ihres
                                         Bestands
    statt Einswerden mit ihrem Gott Wie auch
       ich es suche Wie auch ihr
                                 es sucht (wir alle)
         im falschen Adressbuch
                                  es gibt Fenster todnah
          todklar (verlieren ist der beste
            Weg zum Sieg)



Als wäre

seltsam dass keiner je das Richtige
                                     Treffliche
     sagt sondern nur Dies oder Das als wäre
 seine Sprache ihm entflohen in einen fremden
                                               Körper
   weggebrannt Nur noch Asche
     auf der Zunge
                    was will er mit dem Rest
  der Rede Asche zu Asche
                            stäuben?
                   bleibt nur
   die stummen Wangen 
    aneinanderreiben



Wenn

der weiße Fachwerkhof mit seinen roten Ziegeln
   und warm erleuchteten Fenstern …
                                    als ob dort
 das Glück begänne Das Zuhause Adams 
   noch vor dem Verlust seines halben
                                       Gehörs
                          nebenan
  sitzt eine alte Frau und liest in einem 
    Buch Wird sie ihr Leben noch
   korrigieren können? ein Schwarm
        Krähen fliegt hypnotisierende
                                       Schleifen
     mich liebkosend mit dem Windhauch
           der Flügel


Vierzeiler

              für Adrienne

           *

im Gras putzt eine Katze 
ungerührt ihre Pfoten 
obwohl ihr Herrchen 
gestern gestorben

          *

die Krähe krächzt 
in den März Wartet 
nicht auf Ostern Was
ist ihr Festtag wohl

          *

dem Vogelpaar beim  
Liebesspiel zugeschaut
dem blauen Fluss gefolgt  
er kann nicht umkehren 

          *

muss wie ich zum Meer …
frage mich wann der
Habicht aufhört die Taube  
zu jagen Aber warum 

          *

sollte er … Es gibt
keinen Weg Außer du
gehst ihn Hör ich im
Geblök der Schafe

         * 

die bis zum Boden
gespaltene Weide ...
sie grünt aus
toter Rinde 

         *

das Pferd auf der Wiese 
kommt wie aus Mitgefühl 
zu dir Es weiß Wie schwer
wir zu trösten

        *

gäbe es ein Ende  
müsste es längst
gekommen sein 
sagt der Regen



Wenn ich könnte

noch ist es Herbst nicht Noch
  muss ich nicht die ungeernteten
                                   Früchte
   im Gras verderben sehen Während mein
    Apfel aus Neuseeland im Kühlschrank
                                         glänzt 
          wie ein Hund höre ich auf Hopp und
    Komm des Wetterberichts meines Smart-
     phones oder auf sein Klingelzeichen
                                          Freunde
      verabreden sich aber keiner trifft 
         jemanden an Ich wollte ich könnte 
               dich beim Namen 
                                  nennen 


Noch einmal

                   für Johanna

als ich im Paradies eintraf war  
ich noch nicht bereit und bat
zurückzukehren ins Gewölk
aus Wenn und Aber Und
in die Angstlinien

              *

und man erhörte mich
und gab mir eine Sonne Einen
Pfirsich und einen Bleistift
und eine Stimme sagte
das laß dir genug sein

              *

da trat ich hinaus in die
Weite und wußte Ich bin
wieder wortlos verloren
und schlug mich mit einem
Ast Den ich fand Der

              *

zerbarst wie Porzellan in
tausend Teile Ich flehte: Gib
mir ein Wort Dann werde
ich jede Scherbe feiern Doch
die Stimme sagte: Warte!



Walter Thümler, Juli 2022

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Walter Thümler
schreibt Poesie, Philosophie, Erzählprosa

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