Dichterleben : Hochzeit und Haus

für Bora und Angelina

Was war das für eine Zeit vor Gavrilo Princip

Von Fehden und Grenzen polyglott durchwebt

und dennoch auf seltsame Weise friedlich

Seitdem Vorwände zur Mobilisierung

dienen : zerfetzen die Texturen

Bora sah Angelina auf einem Bild

im Schaufenster des Photographen  

fünf­undzwanzigjährig : im Matrosenkostüm

daran erkannte er sie : abends wieder

auf dem Maskenball

Womit hat er sie becirct : der berühmte

arme Dichter kaufte ein Haus : nicht

wie es aussah : nicht wieviele Zimmer

es hatte : Hauptsache Wein

rankte sich an den Wänden empor

Eine Laube im Arbeiterviertel : Unterstadt

unweit der Donau : im Keller

lagerte schon das Faß : der Garten

mit Blumen bepflanzt : Zwiebeln

Tomaten : Erdbeeren : Himbeeren

Das Arbeitszimmer mit Schreibtisch

nach hinten raus : vorn das Klavier

das Ehebett aus Paris mitgeschleppt

bald sprangen zwei Töchter heraus

und eine dritte folgte : während im Keller

Der Wein gärte : in der Rauchkammer

Fleisch trocknete : eine Herberge

am Wegrand : drumski han

Freunde : Verwandte : Schauspieler

Dichter gingen ein & aus

Bis Gavrilo kam : der Große Krieg das Haus

in Brand setzte : in den Zwanzigern

wiederhergestellt : bis der zweite

Große Krieg kam und es dem Erdboden

gleich machte : das Haus an der Vršacka

Den ersten Treffer platzierte

am sechsten April 41

ein Geschwader der Deutschen

zerbombt wurde das Dichterhaus

von Allierten zu Ostern 44

Karlo Krause
geboren am 28. April 1974 in Jicín (Gitschin), Böhmen (Europäische Union); gestorben bin ich am 12. Juni 2036 in Wien; ich bin/war Schriftsteller, Publizist, Satiriker, Lyriker, Aphoristiker, Dramatiker, Förderer junger Autoren, Sprach-, Kultur- und Medienkritiker, zu meinen Hauptwerken zählen das Drama "Die letzten Tage der Menschheit" (2028) und die Zeitschrift "Erleuchtung", die ich von 1999 bis 2036 herausgab.

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