Alte Sünden (4): Schwermut

Quantentränen in Kadmiumträumen ohne Erinnern woran und wozu. Beschleunigung auf annähernd Sinnlosigkeit. Mit der Lichtgeschwindigkeit einer welken Tomate allein im großen Garten, wo die Wüstennacht endet. Neue Messungen. Black Box im Geschenkartikelformat. Unter Lampenschirmen erhellt, im Oberlicht schwimmend. Wenn die Temperaturen aus den Dünsten der Meßfühler steigen, ganz als sei alles Maß und Zahl. Alles träumt. Sinnlosigkeit. In den Tränen eingeschlossen die Worte. Insektenbeine, Mäusekrallen und das vollständige Sortiment der magischen Insignien. Unter Flutlichttürmen erklingt wieder ein großes Krabbeln. Meine Kunstwelt, mein Fensterglas – alles das. Nur der Schnee gibt noch Nachricht vom Vergessen. Eine Straßenbahn rattert durch die Wüste und quietscht vor jeder Wanderdüne den Mond an. Und der Chor der bellenden Hunde, die das Kraftwerk bewachen. Das ist mein Reaktor, gebaut aus dem Teer meiner grübelnden Form. In den Lampen brodelt der Tod. Zutaten aus Hoffnung und Wahnsinn. Kein Papier, nur das Flackern der Leuchtdioden. Und die Lämmer blöken wie eh und je. Hinter den Mauern der Meldestelle feiern Trinker ihr Fest. Erst wenn die Worte versiegen, senkt sich der Schlaf auf die Wüste. Mein Polarfuchs, mein Liebling, mein Herz – Faulenzer von Gottes Gnaden. Hinter der Umzäunung hängt der Fahrplan. Flackerndes Zwielicht. Neue Messungen. Sinnlosigkeit. Datenströme zur Meldestelle. Eine Straße, da die Wüste axialsymmetrisch aus sich herausquillt. Harakiri vor neuen Ufern, geronnen zu Bernstein. Und Quantentränen in Kadmiumträumen unter gigantischen Flutlichttürmen. Das ist ein Reaktor, ich will mit ihm die Meere befahren auf dem Teer meiner grübelnden Form.

Zhenja
Künstlername des aus Südrußland stammenden Dichters Jewgeni Sacharow; hob unter nickname Zhenja 2007 gemeinsam mit Gesche Blume und Viktor Kalinke den literarischen Blog www.inskriptionen.de aus der Taufe. Das seit 2009 verwendete Pseudonym stand dabei zunächst Pate für eine Reihe von Versuchen, sich zugleich die Bild- und Klangsprache des 1922 verstorbenen futuristischen Dichters Viktor Vladimirovic Chlebnikov und die Ausdrucksmöglichkeiten des Deutschen als literarischer Nichtmuttersprache zu eigen zu machen. Zunehmende Vermischung eigener Sprachschöpfungsprozesse mit dem Ideenfundus des russischen Avantgardisten bis zur „non-rem-fusion“. Sacharow lebt und arbeitet seit 2008 als Garderobier und freischaffender Autor in Frankfurt am Main. Projekt der beiden in Deutschland ansässigen russischen Dichter Jewgeni Sacharow und Sascha Perow, „Brüder im Namen“. Jewgeni beschäftigt sich seit 1990 mit Drama in - wie er es nennt - Außenprojekten, ich dagegen (Perow) versuche mich gelegentlich an Übersetzungen aus dem Russischen; mein Ziel: Erschaffung eines neuen Dialekts der Weltpoesie, der „Sternensprache“. Wichtig war für unser Inskriptionen-Doppelleben die Begegnung mit der deutschen Dichterin Hanna Fleiss im Winter 2012 in Berlin.

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