Alte Sünden (3): Sängerei

„Aber die Mona Lisa verfaulte von innen, so wie sich Augustäpfel schweren Herzens ihrer eigenen Süße übergeben, nicht sehr weit vor den Toren des Winters, dessen Salz unerreichbar bliebe“ zwischen Wodka und sauren Gurken. Ich zitiere: Es erschöpft sich nicht in der bloßen Beschreibung. Ein Blatt Papier oder die Welt, wie die Texte neuerdings genannt werden wollen -: IST NOCH IMMER NICHT MEHR ALS GENUG DIESES ZUCKENS. Zitternde Seelen. Vorsicht! Übergebe mich jetzt. Ohne zu zucken an wen auch immer. Denn die Wimpern bleiben im Dorf, wo der Wetterhahn stets neu sein Fähnchen nach dem Wind hängt. O Vollmatrose aller seicht gezuckerten Meere, Atom in der Luftwelt des öffentlichen Raums, Schädelstätte der Kultur, o kultische. Ich beneide dich um dein dickes Fell. Qualle des Nordens, Floh im Ohr einer Spezie, die ihresgleichen sucht in den fernen Ländern der Dummheit! Sieh wie ich mich ohrfeige, mich – selbst – übergebe. Ich kann mich nur wundern über die knackigen Läuse rings um den Lorbeerkranz. Juckt dich das nicht? Mir erscheint es als wesentlich sinnvoller, den Bittergeschmack auf der Zunge zergehen zu lassen wie Butter in der Pfanne. Hitze! Ist es doch heute wirklich nicht neu, von allen Dächern gepfiffen: Dichter als diejenigen Artgenossen, die nicht anders können als ihr ganz privates Golgatha zur wortreichen Goldmine zu machen. Dann doch lieber diese Bohnen mit Speck, ein hitziges Lagerfeuer und die klaren geistigen Getränke, die hierzulande traditionell als billige Arbeitsbeschaffung für die schmachtenden menschlichen Lebern mißbraucht werden. O ihr Adler des Kaukasus. Lieber barfuß mit salzigen Lippen, aber eingesperrt in ein Lied, dessen Rhythmus jede Stahltür aus den blasierten Angeln hebelt. Lieber Hunger und ewiger Knast als dieser ewige Knast ohne Hunger. Es erschöpft sich nicht in der bloßen Beschreibung – es erschöpft sich.

Zhenja
Künstlername des aus Südrußland stammenden Dichters Jewgeni Sacharow; hob unter nickname Zhenja 2007 gemeinsam mit Gesche Blume und Viktor Kalinke den literarischen Blog www.inskriptionen.de aus der Taufe. Das seit 2009 verwendete Pseudonym stand dabei zunächst Pate für eine Reihe von Versuchen, sich zugleich die Bild- und Klangsprache des 1922 verstorbenen futuristischen Dichters Viktor Vladimirovic Chlebnikov und die Ausdrucksmöglichkeiten des Deutschen als literarischer Nichtmuttersprache zu eigen zu machen. Zunehmende Vermischung eigener Sprachschöpfungsprozesse mit dem Ideenfundus des russischen Avantgardisten bis zur „non-rem-fusion“. Sacharow lebt und arbeitet seit 2008 als Garderobier und freischaffender Autor in Frankfurt am Main. Projekt der beiden in Deutschland ansässigen russischen Dichter Jewgeni Sacharow und Sascha Perow, „Brüder im Namen“. Jewgeni beschäftigt sich seit 1990 mit Drama in - wie er es nennt - Außenprojekten, ich dagegen (Perow) versuche mich gelegentlich an Übersetzungen aus dem Russischen; mein Ziel: Erschaffung eines neuen Dialekts der Weltpoesie, der „Sternensprache“. Wichtig war für unser Inskriptionen-Doppelleben die Begegnung mit der deutschen Dichterin Hanna Fleiss im Winter 2012 in Berlin.

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