Laut sprechen

Sie läuft hinunter zu der kleinen betonierten Promenade. Ja, alles war wie immer. Und schon von weitem sieht sie ihn. Den Kapitän. Wie immer ist er ganz allein. Der wunderliche Mann, der jeden Morgen dort am Meer steht und die Sonne preist. Und sollte die einmal nicht scheinen, dann würde es der Himmel sein, den er so lautstark lobt, für all das zauberhafte Grau. Breit ist der Mann und kurz. Wie ein Stempel. Kein einzig Haar auf seinem Kopf. Und immer im Sakko. Ein Stempel im Sakko. Geht am Ufer entlang und deklamiert. Verse Worte Wunderfetzen. In einer Sprache, die ihr fremd ist. Geht Runde um Runde. Die eine Hand, die auf dem Rücken ruht, die gibt ihm Halt und Form, die andere gestikuliert, als gälte es die Fliegen fernzuhalten. So spricht er laut und läuft. Stempelt Kreise in den Sand. Manchmal bleibt er stehn und schweigt. Streicht sich über die Glatze. Betrachtet die eigene Spur.

fryxell
Ilona Schlott: geb.1953, Studium Germanistik/Slawistik, 3 Jahre Lehrerin, 2 Kinder, Studium Gesang an der Hochschule für Musik Leipzig, seit 1984 freiberuflich als Sängerin und Autorin, lebt in Leipzig, Veröffentlichungen u.a.: Sol sajn (CD, Büchergilde 2009), Steißvogel (Leipziger Literaturverlag 2010).

Ein Kommentar

  1. „Ein Stempel im Sakko“

    Männerkultig.Bejahung der Westlichkapitalistischen Gesellschaftsform. Affirmativer Aspekt, aber mit ironischer Distanz. Andy Warhol: „Business Art ist better than Art Art“

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