Fürst Jesus, der Idiot. Plädoyer

Wir alle leben in einer Maschine. Betreiben eine Maschine. Schreiben, klicken. Wir alle sind eine Schreibmaschine. So seit 10 Jahren real. Ob das Literatur sei? Na ja, in der Literatur ist alles erlaubt. Wenn es gut ist. Vom Mord bis zum Ehebruch, Beleidigung, Selbsterhöhung und Fall, selbst Himmelfahrt und Gang durch die Hölle. Auch umgekehrt: Gang durch die Hölle, Punkt. Nichts was darauf folgen könnte. Wie ist die literarische Himmelfahrt möglich? Ja will denn das überhaupt jemand? Ja will das überhaupt jemand lesen?
Als ich zum erstenmal Dostojewski las, war mir nach 5 Seiten so schlecht, dass ich hätte kotzen können.
Gogol. Tynjanow. Wie der Mantel gemacht ist. Scheint hier alles unter Privatbespaßung zu laufen: (Antigone) Hilfe, die Spinner sind da.
Erst in der Romantik sind sie alle wieder beisammen, die guten Seelen. Warum eigentlich? Kein Ort, nirgends. In meinem privaten Leseritual war das die Grenze, es kam zum Eklat. Unvorstellbar. Die Kraft des inneren Monologs in der Wirklichkeit. Literatur, das Unvorstellbare?
Nehmen wir es pragmatisch: Da benimmt sich jemand ungehörig. Eine Verehrerin. Ein Stalker. Und alles aus Liebe.
Zur Wahrheit? Zum Text? Oder dann doch zu sich selbst? Sagen wir mal so. Literarisches Blumengießen als eine äußerst delikate, zutiefst romantische Inszenierung. Nichts dagegen zu sagen.
Der Kampf der Stimmen im polyphonen Roman ist eine Wirklichkeit. Weniger möchte man wohl heute auch gar nicht mehr.
Aber spätestens hier stellt sich ein Problem ein. Nennen wir es, böse Buben wie wir es hier nun einmal alle sind – schwere Mädchen und leichte Jungs – – von Butler rückwärts durch Foucault hindurch – – – Prototypen des Philosophiemuffelns, alles falsch! Ende der Genieästhetik, nennen wir es einfach Gegel.

chlebnikov
geb. 1968 in Belaja Poljana (Rußland); seit 1990 in Deutschland ansässig; lebte und arbeitete in Chemnitz, Berlin, Warschau, Paris, Torgau, Leipzig, Odessa und Frankfurt am Main.