Rituale (2)

Erst dachte sie, er sei ein älterer Mann. Irgendwie schienen seine Haare bereits zu grauen. Wie der Morgen vor einer Matheprüfung. Zuviel ist in Männerhand. Rosanna bedankte sich für das Mittagessen, das Philippa von ihrem letzten Geld bezahlt hatte und verabschiedete sich steif. Die Rolle, die sie wieder einmal für ihre Freundin übernommen hatte, bekam ihrem Magen ganz und gar nicht. Sie würde sich hinlegen müssen. Sofort, nachdem sie die Haustür aufgeschlossen hatte, sonst hätte alles ein übles Nachspiel. Sie würde noch weiße Gladiolen aus dem Blumenladen gegenüber mitnehmen, eine schmalzige Platte aus der Zeit ihrer Eltern auflegen, mit Xylophon, verhaltenen Geigen und so, und dann hoffen, dass ihr Magen sie in Ruhe ließ. „Na, haben meine Worte dich platt gemacht?“ stieg Philippas Stimme neben einer Blase im Wasserglas auf. Rosanna sah nur noch, wie sich Philippa mit Daniel Schneider am Arm sich wieder zu ihr an den Tisch setzte. Die Wolken am Himmel schienen so grau wie der Teint und die Haare dieses Mannes, der sich jetzt über sie beugte. „Ist Ihnen nicht gut?“

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23 Kommentare

  1. „Die Gladiole hat eine äußerst heroische Bedeutung. Der Name stammt vom lateinischen Begriff „gladius“ ab, der für ein römisches Kurzschwert steht. Somit symbolisiert die Blume Stärke, Sieg und Stolz. Diese Bedeutung reicht bis in die römische Zeit zurück, wo die Gladiatoren buchstäblich um Tod oder Gladiolen kämpften, denn der Sieger des Kampfes wurde mit Gladiolen überschüttet. Der Begriff „Tod oder Gladiolen” findet sogar heute noch Verwendung und zwar beim Radsport und bei Wandertouren, wo die Wanderer am Ziel mit Gladiolen begrüßt werden.“ Quelle:
    https://www.tollwasblumenmachen.de/die-gladiole

    Aber auch:

    „In früheren Jahrhunderten war es äußerst unschicklich, einer Dame seine Liebe spontan zu bezeugen. Damals wie heute ließen die Herren Blumen sprechen, um ihre Gefühle kundzutun. Die Gladiole war neben der Rose ein großer Liebesbeweis. Erhielt die Angebetete Gladiolen ging es dabei weniger darum, eine Liebe auf Leben und Tod zum Ausdruck zu bringen. Vielmehr sollte durch die Blume die Bewunderung für einen Menschen und der Stolz, diesen kennen und verehren zu dürfen, symbolhaft offenbart werden.“ Quelle: http://www.gartenjournal.net/gladiolen-bedeutung

    Oder auch:

    „So sollten diese Blumen als Herausfordung eines Verehrers gesehen werden, der sprichwörtlich, in der Kälte des Januars, das Eis zu seiner Herzensfrau brechen will. Sollte er sich noch weiter hinauswagen, wäre es zu empfehlen, neben der Einladung zu einem Rendezvous, die entsprechende Anzahl an Gladiolen weiter zu reichen, um die Stunde des Treffens in Erinnerung zu halten.

    In der Blumensprach drückt man die Aufforderung aus: „Sei nicht zu stolz“.“
    Quelle: https://www.waldfee.net/blumen-bedeutung-gladiole.html

  2. … Und nur weil hier einmal das Wort „steif“ vorkommt, ist der Text noch lange kein verkappter Sexualdiskus.

  3. Es sind ja nicht irgendwelche Blumen, sondern Gladiolen, und dann noch weiße. In einem so kurzen Text fallen die schon sehr auf.

  4. Der Sexualdiskus – eine Scheibe, die geworfen werden darf. Doch welches an der Fortpflanzung beteiligte Organ wäre mit einer Scheibe zu vergleichen?

  5. „Irgendwie schienen seine Haare bereits zu grauen. Wie der Morgen vor einer Matheprüfung.“ Also das ist mal ein, vorsichtig formuliert, gewagter Vergleich. Und dann dieser Gedankensprung: „Zuviel ist in Männerhand.“ Was ist denn jetzt zuviel? Der Morgen? Die Matheprüfung?

  6. Die Definitionen in Punkt eins sind wieder ziemlich einseitig. Da wird die Blume wieder typisch männlich definiert. Als ob eine Frau eine Burg aus, die man belagern muss. Aber warum kauft sich Rosanna die Blumen selbst?

  7. Eine Frau IST eine Burg. Eine ziemlich feste sogar. Und ein Kellergeschoss hat sie auch. Fragen Sie mich nicht, was Mann da zu sehen bekommt. Schwerter vom Feinsten!

  8. Liebe Rapunzel,

    Du da oben, Dein Turm ist Deine Burg, und ich weiß ja, dass meine Versuche für Deine Verhältnisse vielleicht etwas zu bestimmend und zu bedrängend sind, und dass Du vielleicht gerade auch keine Zeit und keinen Kopf dafür hast, bist ja immer mit Deiner Gedankenfarm beschäftigt, aber ich habe hier einen Strauß Gladiolen mitgebracht, nicht etwa aus Holland, sondern selbst gepflegt, das ganze Jahr, nur für Dich, habe immer nur an Dich gedacht beim Gießen, und das wäre doch schön, wenn ich Dich mal wieder sehen dürfte, wenn ich zu Dir hinauf steigen dürfte auf Deinen Turm, oder Du kommst herunter, einfach so, wie es Dir am liebsten ist, also wir könnten irgendwo essen gehen oder spazieren, so wie es Dir am Neutralsten erscheint, und einfach nur quatschen, nur mal wieder quatschen, das wäre doch schön, also über Literatur könnten wir quatschen und über Theater, also ich wüsste gern, was Du gerade liest und wie es Dir geht. Liebe Grüße, Dein Prinz

  9. Wenn er tatsächlich einen Strauß Gladiolen für Rapunzel mitgebracht hat, dann möge er sie doch bitte zunächst als Foto einstellen. Sie traut nämlich so leicht keinem.

  10. Ist doch eine gute Idee. Liebesbriefe als literarische Form. Los jetzt. Jeder schreibt einen. Werfen wir sie wie Diskusse in die Welt.

  11. So ist das, als Prinz. Liebesbriefe sind out, Gedichte sind out. Wozu ist man denn dann Dichter? Damit holt man heute keine mehr vom Turm. Da sollte man lieber mit einem Wingsuit zum Turmfenster reinknallen. So etwas kommt an. Foto einstellen: Das ist doch bloß eine Absage. Ein Vorwand. Aber vier Vorwände, die ergeben kein Haus. Frau kleist, geben sie hier etwa die böse Zauberin?

  12. Nicht in der parlamentarischen Rede, im gelehrten Gespräch, sondern durch Zeichen und Rituale teilten die nationalen Bewegungen ihre Botschaften mit.

  13. Durch Zeichen und Rituale werden wir durch den Tag geleitet, sie halten uns am Leben. Wir sind alle in der Bewegung und merken nichts mehr davon.

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