Beijing bei Regen

Im Grau verspäten sich die Geräusche : die Leute
ziehen sich aus ihrem Element zurück : verlassen
die Gassen : Orte zum Leben
verkriechen sich in geduckten Häuschen : nur der Weg

zum Gemeinschaftsklo zwingt sie hinaus : das Feuer
im Steinkohlegrill züngelt weiter : unverdrossen
gehütet vom Grillmeister : der nicht anders
kann : auch Schnee vertreibt ihn nicht

das ist mein Platz im Leben : mag es ungewohnt
ruhig werden ringsherum : die Bulldozer fressen sich
lärmend am Horizont : weiter ins Innere
der Stadt : die zweistöckig wiederaufersteht

mit hauchdünnen Blendfassaden : dahinter
flüchtige Moden : antiseptische Konsumorte
über diese Straßen werden keine schlachtfrischen
Rinder zum Grill getragen : hier ist das Kapital

in seinem Element : dein Portemonnaie
kannst du schlachten lassen & dich unterstellen
vorm Regen unterm Dach : von dem der rote Stern
hinableuchtet : einen verlogeneren

Kommunismus als in Beijing hat es nie gegeben
da lobe ich mir die Provinz : sie ist freier
die Bewohner der Hauptstadt
halten sich für Babylonier : während sie röhrend

den Rotz in die Stirnhöhle ziehen & sich
vor den Füßen des Nachbarn entladen : Beijinger
Gastfreundschaft : zum Glück gibts den Regen
der alle paar Wochen die Straßen reinigt

Theodor Holz
geb. in Dresden im Herbst 1989, hab die Wendewirren mit der Muttermilch aufgesogen, Pflastersteine wurden aus dem Bahnhofsvorplatz gerissen und flogen knapp an meinem Kinderwagen vorbei, meine Mutter konnte ihren Beruf als Jungpionierleiterin auf dem Albrechtsberg nicht mehr ausüben, sie nahm an einer Umschulung zur Altenpflegerin teil, während ich brav die Kreuzschule besuchte.

Ein Kommentar

  1. Was mich in diesem Text stört: Das Gemeinschaftsklo! Das Gedicht gibt sich zwar wunderbar in der Linie einer Stimmung hin, die auch auf dem Gemeinschaftsklo herrschen dürtfte – doch: Das Wort. Deutsch, lang, bürokratisch. Muss das sein?

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