Amtliches

Ich kenn ein Haus, das hat so viele Fenster.
Wer reingeht, wird stracks von der Welt verdammt.
Dort hausen schreckliche Papiergespenster –
Sie ahnen’s schon: Es ist das Arbeitsamt.

Die oben sagen: Prima Arbeitslage!
Weshalb das Amt auch meistens überfüllt.
Das kommt, das weiß man ohne Gegenfrage,
weil man dort alle Wünsche eifrigst stillt.

Nicht oft genug kann man das Amt nur loben.
Wer rauskommt, hat die Stelle schon in petto,
er schwenkt Bescheide freudig hocherhoben
und summt ein Hoheliedchen im Larghetto.

Auch ist Hartz IV Millionen eine Wohltat,
wenn’s mit der Stelle nicht gleich klappen tut.
Laut Grundgesetz herrscht hierorts der Sozialstaat
mit allem Drum und Dran und absolut.

Wer jetzt noch meckert oder Aufstand predigt,
der ahnt nicht, wie das Arbeitsamt ihn hebt.
Der ist für Wohlstandsbürger glatt erledigt,
der hat für die doch fast umsonst gelebt.

Antigone
Weder gewesene Pionierleiterin, Mitglied des Politbüros oder gar Geliebte des Staatsratsvorsitzenden (wie hier vermutet), sondern schlichte DDR-Bürgerin, nunmehr für 18 Milliarden DM zusammen mit 17 Millionen DDR-Bürgern zwangsweise verkaufte Bürgerin des Staates BRD. Hanna Fleiss: geb. 1941, wohnhaft in Berlin, Veröffentlichungen: zwei Gedichtbände "Nachts singt die Amsel nicht" und "Zwischen Frühstück und Melancholie" sowie in zahlreichen Anthologien und im Internet.

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