Texte gibt es

die sind wie Fliegenpapier; du musst keine vierundzwanzig Stunden warten – – schon kleben die ersten Kommentare dran.
Und was für welche!
Nachts träumst du dann von Musil, wie er auf gefühlten fünfzig Seiten den Unterschied zwischen Nachtigall und Amsel erklärt, und mit der einsetzenden Dämmerung beginnst du dir vorzustellen, er und Proust säßen einmal zusammen
im Café und hätten sich tatsächlich etwas zu sagen. Da es noch Traum ist, hast du keine Wahl, du musst dir einfach vorstellen, die beiden erzählten sich ‚was und du hörst zu. Bestelle dir einfach
noch einen Kaffee!
an deinen Nebentisch. Gelingt es dir, die beiden nicht zu stören bei ihrer unnatürlichen Balz, kannst du mit einem inhaltsreichen Traum rechnen.
Aber wohin mit dem – nicht mehr frischen – Fliegenpapier?

Zhenja
Künstlername des aus Südrußland stammenden Dichters Jewgeni Sacharow; hob unter nickname Zhenja 2007 gemeinsam mit Gesche Blume und Viktor Kalinke den literarischen Blog www.inskriptionen.de aus der Taufe. Das seit 2009 verwendete Pseudonym stand dabei zunächst Pate für eine Reihe von Versuchen, sich zugleich die Bild- und Klangsprache des 1922 verstorbenen futuristischen Dichters Viktor Vladimirovic Chlebnikov und die Ausdrucksmöglichkeiten des Deutschen als literarischer Nichtmuttersprache zu eigen zu machen. Zunehmende Vermischung eigener Sprachschöpfungsprozesse mit dem Ideenfundus des russischen Avantgardisten bis zur „non-rem-fusion“. Sacharow lebt und arbeitet seit 2008 als Garderobier und freischaffender Autor in Frankfurt am Main. Projekt der beiden in Deutschland ansässigen russischen Dichter Jewgeni Sacharow und Sascha Perow, „Brüder im Namen“. Jewgeni beschäftigt sich seit 1990 mit Drama in - wie er es nennt - Außenprojekten, ich dagegen (Perow) versuche mich gelegentlich an Übersetzungen aus dem Russischen; mein Ziel: Erschaffung eines neuen Dialekts der Weltpoesie, der „Sternensprache“. Wichtig war für unser Inskriptionen-Doppelleben die Begegnung mit der deutschen Dichterin Hanna Fleiss im Winter 2012 in Berlin.

6 Kommentare

  1. Auf dem Fliegenplaneten,
    da geht es dem Menschen nicht gut:
    Denn was er hier der Fliege,
    Die Fliege dort ihm tut.

    An Bändern voll Honig kleben
    die Menschen dort allesamt,
    und andere sind zum Verleben
    in süßliches Bier verdammt.

    In einem nur scheinen die Fliegen
    dem Menschen vorauszustehn:
    Man bäckt uns nicht in Semmeln,
    noch trinkt man uns aus Versehn.

    Christian Morgenstern, 1910

  2. wie war das doch gleich: nur im märchen kommen die guten ins töpfen – die ganz guten. nachts träumst du dann vom pseudowissenschaftlich arbeitenden bio-deutschen, der zwei haufen bildet: romane, die rassistisch sind, vornehmlich im 19. jahrhundert geschrieben – der hochzeit des rassismus – und solche, die menschen mit migrationshintergrund positiv darstellen … was soll das … positiv darstellen … derrida spricht aus dem fernseher und wird polemisch: so etwas gäbe es gar nicht, ein solches kategoriendenken sei unwissenschaftliche braune sauce, und dann mischt sich beate zschäpe ein und postet einen kommentar zu ihrer neuesten buchempfehlung – die bekommen wir leider nicht mehr mit, weil wir zum rauchen nach draußen gehen… auf dem tisch, an dem wir saßen, zu zweit, blinkten unbenutzte aschenbecher in bizarren formen, es gab auch konfekt – ob es gegessen werden durfte oder nur als attrappe diente, vermag ich im wachzustand nicht zu rekonstruieren. doch der druck auf die magendarmgegend während des erwachens lässt nichts gutes ahnen… christian morgensterns texten waren glaube ich, nicht dabei…

  3. Deutung: Du bist sauer, dass du keinen Erfolg hast. Du sitzt am Tisch, aber alles ist nur Atrappe. Rauchen is nicht mehr. Du drückst dich vor dieser Erkenntnis und verlässt den Raum, aber dein Frust äußert sich trotzdem in psychosomatischen Beschwerden. Du dachtest du seiest gut genug und bio genug, um ein wissenschaftliches Buch zu schreiben. Doch kurz darauf entlarvt man es als von der Kanzel aus als geistig bedeutungslos. Das Symbol dafür: Beate Zschäpe!

Schreib einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert