Fürchterlicher als Gnom und Kröte war der Vater, und obendrein sollte man ihn lieben. Diederich liebte ihn. Wenn er genascht oder gelogen hatte, drückte er sich so lange schmatzend und scheu wedelnd am Schreibpult umher, bis Herr Heßling etwas merkte und den Stock von der Wand nahm. Jede nicht herausgekommene Untat mischte in Diederichs Ergebenheit und Vertrauen einen Zweifel. Als der Vater einmal mit seinem invaliden Bein die Treppe herunterfiel, klatschte der Sohn wie toll in die Hände – worauf er weglief.

Kam er nach einer Abstrafung mit gedunsenem Gesicht und unter Geheul an der Werkstätte vorbei, dann lachten die Arbeiter. Sofort aber streckte Diederich nach ihnen die Zunge aus und stampfte. Er war sich bewußt: ‚Ich habe Prügel bekommen, aber von meinem Papa. Ihr wäret froh, wenn ihr auch Prügel von ihm bekommen könntet. Aber dafür seid ihr viel zuwenig.‘

Heinrich Mann, Der Untertan, Kapitel I
Bei Büchergilde Gutenberg, Zeichnungen von Bernhard Heisig

Antigone
Weder gewesene Pionierleiterin, Mitglied des Politbüros oder gar Geliebte des Staatsratsvorsitzenden (wie hier vermutet), sondern schlichte DDR-Bürgerin, nunmehr für 18 Milliarden DM zusammen mit 17 Millionen DDR-Bürgern zwangsweise verkaufte Bürgerin des Staates BRD. Hanna Fleiss: geb. 1941, wohnhaft in Berlin, Veröffentlichungen: zwei Gedichtbände "Nachts singt die Amsel nicht" und "Zwischen Frühstück und Melancholie" sowie in zahlreichen Anthologien und im Internet.

18 Kommentare

  1. hinter der spüle krabbeln spinnen herum. eine kam nach oben. die buchstaben sehen wie spinnenbeine aus. an der badezimmerdecke, direkt unter dem badlüfter, der die geräusche eines rasenmähers erzeugt und schon seit geraumer zeit nervt, hängen die spinnennester. lass sie in ruhe, lass sie in ruhe! sie wollen nicht raus, noch wollen sie am spinnen-rettungsprogramm teilnehmen. sie verschwinden wieder hinter der spüle.

  2. Vater

    So, da bin ich nun. Dein doofes Helikopterkind. Ich wuchs gut, mit leichten Haltungsschäden. Ist in dieser Welt zu Hause, fragte ich dich, weinerlich. Ist, sagtest du, das sagt mein Bruder. Dein Bruder. Ha! Nicht nur einen Bruder hast du gehabt, und auch gleich mehrere Schwestern. Und ich hatte gar nichts. Vater. Wozu hattet ihr überhaupt 50 Jahre Ehebetten? Und nun kann man kein Singlebett mehr daraus machen. Muss sie an einem Stück verkaufen. Mutter wollte bequem liegen. Hat sich immer ein kleines Kissen in den Rücken gelegt. Und du lagst einsam auf der anderen Seite. Die Wärmflasche hat sie immer mir ins Bett gelegt. Und noch ein Plumeau obenauf! Damit ich meine schwitzenden Füße auch ja nicht bewegen konnte. Und du hast Musik gehört. Dir fröhlich Krimis reingepfiffen. Dabei Bonbons gegessen. Mutter schimpfen lassen. Dir war es egal, ob sie sich mit goldenen Sandalen vor der Verwandtschaft blamierte. Doch dann hat sie plötzlich jeglichen Verkehr abgelehnt. Mit der Verwandtschaft. Da schrumpfte deine Lunge wie ein Luftballon. Du wurdest traurig und erzähltest noch weniger. Aßt noch mehr Süßes. Und ich doofes Helikopterkind wusste nicht, wie ich deinen Blutzucker wieder runterkriegen sollte. Später machte das dann die Krankenschwester, das blonde Kind. Deine letzte Liebe. Ich habe sie dir gegönnt. Nicht so Mutter. Die lag auf der Couch und pennte. Schnarchte, nachdem sie meinte, sie könne sich nun nicht mehr waschen. Dein Bruder, das Dreckschwein, rief sie bei offenem Fenster. Da war dein Bruder – es muss der andere gewesen sein – schon etwas enttäuscht von dir. Doch nun fehlst du ihm. Er wird auch immer trauriger. Ich muntere ihn auf mit gebildetem Geschwätz und dem Rasenmähen ohne System. Er freut sich, wenn er Rasen gemäht hat, wie ein kleines Kind. Gott macht feste Ackerfurche. God is a DJ! Du warst auch so. Ein Garten- und Naturfreund. Branntest die Zeitung an, nachdem du die Kaffeemaschine entkalkt hattest und die Tablette drin ließest. Mutter mochte weder Pflanzen, Tiere, noch Geschwister. Es muss doch auch Geschichten über den Vater geben.

  3. Haben Sie immer noch nicht die Spielregeln des Blogs verstanden? Er will sich weiterentwickeln nicht nur durch Beiträge jeglicher Art, sondern vor allem durch die Kommentare darauf. Die sind die Würze, das Salz, das Gelbe!
    Da wird hier bspw. auf Ihren kopierten Textauszug eigen, sinnreich, beklemmend und (auch sprachlich) gehaltvoll geantwortet, und Sie reagieren wieder einmal stereotypisch angestaubt. Freuen Sie sich doch, dass Ihre Anregung weiterentwickelt wird!

  4. Ich stelle hier Weltliteratur ein, da kommen mir ein paar Hansln mit völlig bezugslosen „Eigenschöpfungen“ als „Kommentare“! Statt dass sie, wenn sie sie für veröffentlichungsreif halten, als eigenständige Beiträge posten – nein, ich soll wohl begreifen, dass ein Heinrich Mann ein Nichts ist gegen eine Samtmilbe und eine Frau Kleist! Und falls die beiden Damen jemals den Namen Heinrich Mann gehört haben und jemals etwas vom „Untertan“, was ich bezweifle nach allem, was ich von beiden bisher gelesen habe, drücken sie sich genau davor rum, worum es in diesem Roman geht! Weshalb stelle ich das denn ein? Um hier unreifes Panschen in der Literatur als Antwort zu erhalten? Das passt zu Rapunzel, wie die Faust aufs Auge.

  5. Weil sie uns zeigen will, was sie alles gelesen hat, liebe Kleist. Stellen Sie sich vor, wir würden ihr sagen, wer hie alles nicht nur Literatur studiert, sondern darin auch promoviert hat. Ich glaube, die lacht sich krank drüber und hält uns trotzdem noch für Spinner. Ach Kleist, was war das mal schön hier! Das hier ist wie Krebs: Man kann lange damit überleben. Nur schön ist es halt nicht. Ich ruf mal die Schweiz an und bitte um einen Cocktail für diese Seiten

  6. Das Fliegenpapier Tangle-foot ist ungefähr sechsunddreißig Zentimeter lang und einundzwanzig Zentimeter breit; es ist mit einem gelben, vergifteten Leim bestrichen und kommt aus Kanada. Wenn sich eine Fliege darauf niederläßt – nicht besonders gierig, mehr aus Konvention, weil schon so viele andere da sind –

    Robert Musil: Das Fliegenpapier, Klagenfurter Ausgabe.

  7. Rapunzel, schön, dass ausgerechnet Sie mich aufklären wollen. Bei dem hier angesammelten Dreck weigert sich doch jede Müllabfuhr, ihn abzuschleppen.

  8. Guten Morgen Antigone!
    Es geschehen Zeichen und Wunder: Sie haben endlich einen Teil Ihrer Höflichkeit wiedergefunden und Siezen mich. Danke, Danke, Danke. Es ist schließlich bekannt, dass sich „Sie Hornochse, Sie“ besser sagt.
    Was die Müllabfuhr angeht: Abgerechnet wird im März. Man wird sehen, wie sich diesmal die Jury entscheiden wird. Schließlich gehen nur im Märchen die Guten ins Töpfchen…

  9. Das hier ist wie Krebs: Man kann lange damit überleben. Nur schön ist es halt nicht. Ich ruf mal die Schweiz an und bitte um einen Cocktail für diese Seiten

  10. Das Fliegenpapier Tangle-foot ist ungefähr sechsunddreißig Zentimeter lang und einundzwanzig Zentimeter breit; es ist mit einem gelben, vergifteten Leim bestrichen und kommt aus Kanada. Wenn sich eine Fliege darauf niederläßt – nicht besonders gierig, mehr aus Konvention, weil schon so viele andere da sind –

    Robert Musil: Das Fliegenpapier, Klagenfurter Ausgabe.

    Comment by Weltliteratur, bezugslos — 31. Dezember 2016 @ 17:01

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