Angekommen

Marga Riemann fühlte sich schlecht, gleich beim Erwachen. Wie immer in den letzten Jahren, seit ihr der Mann gestorben war, wachte sie früh auf, wenn es noch dunkel war, schon um drei. Dann, als sie merkte, dass es sie sogar auf dem Kopfkissen schwindelte, lag sie noch eine Weile, sie war wohl eingeschlummert.

Um vier stand sie auf. Sie bückte sich, um nach den Hausschuhen zu langen. Ihr wurde schwarz vor Augen. Der Blutdruck, die Doktorsche hatte gesagt, mit dem müsse sie sich vorsehen. Ihr Leib lag schwer auf der zerwühlten Bettdecke. Es gelang ihr hochzukommen, indem sie sich auf die Ellbogen stützte, bis sie stand, auf den bloßen Füßen. Es war kühl im Zimmer, sie schlief immer mit offenem Fenster, trotz des Autoverkehrs auf der Straße, der sie schon seit langem nicht mehr störte. Aber die Nacht war kalt, jetzt, im Dezember.

Mit schwerem, unsicherem Schritt tapste sie zur Tür. Angelangt, hielt sie sich einen Moment an der Klinke fest, wieder fühlte sie diese Blutleere im Kopf, ihr war, als würde sie erblinden, der schwarze Vorhang vor Augen wollte nicht weichen.

Sie musste einen Kaffee trinken und ihre Medikamente einnehmen. Gestern war sie leichtsinnig gewesen und hatte das Pillenzeug erst mittags eingenommen, beinahe hätte sie es vergessen. Die Rache der Doktorschen folgt auf dem Fuß, dachte sie. Was war das aber auch für eine Frau, immer in Eile, zu keinem Spaß aufgelegt, streng und prinzipiell, ließ nicht mit sich reden. Nein, sie hätte sich eine andere Frau Doktor gewünscht, aber der Sohn hatte sie zu ihr geschickt, und den Sohn durfte sie nicht enttäuschen, er könnte wegbleiben, und dann käme niemand mehr zu ihr. Außer der Doktorschen und morgens, noch vor dem Dienst, auf einen Husch die Nachbarin, die ihr immer die Zeitung hochbrachte.

Die Kaffeemaschine, kaum benutzt, hatte ihr der Sohn geschenkt, vor zwei Jahren, zu Weihnachten, weil sie ihm den Kaffee, wenn er kam, immer türkisch aufgebrüht hatte. Den türkischen Kaffee trank er mit angewidertem Gesicht und spuckte die Kaffeekrümel auf die Untertasse, und es hatte ihr wehgetan, wenn er vor ihr auf der Couch saß und die Augen verdrehte.

Bis die Doktorsche kommen würde, hatte sie Zeit. „Na, gut geschlafen, Frau Voigt?“, würde sie fragen, wie immer würde sie ein „Ja, gut, Frau Doktor“ von ihr hören. Was sollte sie ihr mit der Schlaflosigkeit kommen, damit kämpfen alle Leute in ihrem Alter, und Schlaftabletten kamen für sie nicht in Frage. Nicht für sie. Vielleicht noch tablettenabhängig werden, das fehlte noch.

Sie stellte das altmodische Radio an, das aus der Zeit stammte, als ihr Mann noch lebte. Es war ein Röhrenradio, groß und mit repräsentativem Gehäuse. „Wozu“, hatte ihr Mann gefragt, als sie ihn drängte, eines dieser neuen glänzenden Geräte aus dem Schaufenster zu kaufen, „der Ton unseres alten Radios ist gut, die Bedienung kinderleicht, was brauchst du altes Haus noch ein neues Radio? Und dann erbt es sowieso bloß der Sohn.“ Sie hatte ihn müde angeblickt, sie verstand ihn, er hatte Prostatakrebs im Anfangsstadium, und er wusste es, obwohl ihn der Arzt mit einer Blasengeschichte beruhigt und nur mit ihr, der Ehefrau, darüber geredet hatte. Das war vor einem Jahr gewesen, ihr aber schien es, als höre sie noch die leise, auf sie einredende Stimme des Arztes. Fast ein ganzes Jahr hatte ihr Mann noch gelebt, mit höllischen Schmerzen, aber gelebt.

Die Tasse in der Hand zitterte, als sie ins Wohnzimmer schlurfte, der Kaffee schwappte auf die Untertasse. Der Sessel stand so, dass sie einen bequemen Blick auf den Fernseher hatte. Der andere Sessel war der ihres Mannes gewesen, in dem war er dann gestorben. Eben hatte er noch irgend etwas gesagt, sie hatte es nicht richtig verstehen können, sie hatte das Hörgerät noch nicht im Ohr, und im selben Moment war sein Kopf auf die Brust gefallen. Sie hatte ihn gepflegt, er wollte, dickköpfig, wie er war, der Hermann, nicht ins Krankenhaus.

Sein Foto stand neben dem Fernseher, in einem Goldrahmen. Jedesmal, wenn sie zur Fernbedienung, die auf dem Tisch lag, griff, blickte sie erst mal hin zu seinem Foto, als wolle sie ihn um sein Einverständnis fragen, wie früher, als er noch lebte. Es war ein Urlaubsfoto, das jüngste, das sie von ihm hatte, Hermann lachte, sie wusste nicht mehr, worüber. Sie war auch drauf, neben Hermann, doch wenn sie auf das Bild blickte, sah sie nur ihn. An den Tag konnte sie sich gut erinnern, als eine Urlauberin die Fotos von ihnen geknipst hatte. In Thüringen waren sie gewesen, in Tabarz, in einem Heim, in dem sonst nur Ärzte und Anwälte Urlaub machten. Hermann hatte den Urlaubsplatz über seinen Betrieb ergattert, das war 1987. Und jetzt war Hermann schon lange tot. Sie überlegte einen Moment. Ach ja, gestorben ist er 98, jetzt haben wir 2005, also ist er sieben Jahre tot. Schon sieben Jahre. Sie schloss die Augen, sie nickte ein.

Es war halb sieben, als es klingelte. Die Nachbarin brachte die Zeitung vom Briefkasten hoch, wie jeden Morgen. Sie schreckte auf, wollte sich aus dem Sessel erheben, fiel wieder zurück. Heute wollte ihr aber auch gar nichts gelingen, sie musste sich an der Tischkante festhalten, damit sie aus dem Sessel hochkam. Wieder dieser schwarze Vorhang vor Augen, als sie stand.
Sie schlurfte zur Wohnungstür.

Der Sohn hatte auf ihr Drängen kopfschüttelnd drei Riegel an der Tür angebracht. Bedächtig öffnete sie einen nach dem anderen und zog die Tür einen Spalt auf. Eine Hand reichte die Zeitung herein. „Ich hab es eilig heute morgen“, sagte die Nachbarin, eine Frau in den Vierzigern, und war schon halb im Gehen. „Keine Zeit für unser Plauderminütchen.“

Sie stand noch einen Moment, bis das Geräusch der Nachbarstür im Treppenhaus verklungen war.

Im Wohnzimmer setzte sie die Lesebrille auf, blätterte die Zeitung um, las die Überschriften.
Nein, die Welt war nicht mehr schön, schon wieder Krieg, immer noch, im Irak, wo jetzt die Menschen starben. Wo es doch einmal hieß: Nie wieder Krieg. Damals, als die Bombennächte endlich vorbei waren. Was für eine Zeit war das gewesen. Sie blutjung und der Junge im Kinderwagen, und die Sirene heulte, und dann die Zeit in der Bunkerzelle, und als der Krieg zu Ende war, nichts als Trümmer. So sah es jetzt auch im Irak aus. Die Menschen lernten nichts aus ihren Kriegen.

Am besten wäre es, dachte sie, und sie dachte nicht zum erstenmal an ihren eigenen Tod, wäre es, ich fiele um, und weg wäre ich. Das ist keine Welt, in der ein Mensch noch leben möchte.
Sie hatte ihre Zeit gehabt, und jetzt war die Zeit herum, und jetzt musste sie ans Sterben denken.

Sie dachte nicht wirklich ans Sterben, aber sie stellte sich vor, wie es sein würde. Der Sohn würde an ihrem Bett sitzen, seine Frau, mit der sie sich nie vertragen hatte, würde er zu Hause lassen, und die Enkelin würde sowieso keine Zeit haben, zu ihrer sterbenden Oma zu kommen. Schade, dachte sie, dass die Zeit so schnell vergangen war, die Enkelin war erwachsen, und sie hätte ihr doch so viel erzählen müssen, von der Familie, ihrem Urgroßvater, wie es damals war in Berlin, mit der Arbeitslosigkeit und der schäbigen Einzimmerwohnung, und dann die Hitlerei und der Krieg, und dass sie Glück gehabt hatte, weil ihre Wohnung nicht zerbombt worden war.

Der Sohn würde also an ihrem Bett sitzen. Er würde sie mitleidig ansehen und wissen, dass sie wusste, was zu wissen war über das Sterben.

Und das Leben! Sie hielt inne. Arbeitslos war er jetzt, seine Frau war stundenweise irgendwo Putzhilfe, war ja auch nicht mehr die Jüngste und musste immer noch den Buckel krumm machen. Ein paarmal hatte er auf die Regierung geschimpft, weil sie ihm keine Arbeit gab. „Alles unfähiges Kroppzeug“, hatte er gewütet. Sie hatte ihm recht gegeben, damit er von seiner Wut herunterkam. „Wir hätten uns eben unser Land nicht wegnehmen lassen sollen“, sagte sie, aber er erwiderte nichts.

Sie erschrak, so spät schon! Sie schlug die Zeitung zu. In vier Minuten, pünktlich um halb acht, würde die Ärztin kommen und ihr die Diabetesspritze geben. In den Bauch, mit so einem neumodischen Gerät, das gar nicht wie eine Spritze aussah. Und wenn sie die Frau auch nur nach dem Wetter fragte, würde die nur nicken und zur Tür stürzen, sie war beschäftigt, man sah es ihr an.

Sie schleppte sich ins Bad. Wenigstens gewaschen musste sie sein, wenn die Ärztin kommen würde. Sie wusch sich mit dem Seiflappen unter fließendem Wasser, wie sie es immer getan hatte, damals schon, als sie mit Hermann noch in der schrecklichen alten Wohnung gelebt hatte, ohne Bad und Balkon. Hermann. Sie stellte sich vor, wie er immer in der Wanne saß, jünger als in seinen letzten Jahren und hager, dass man das Brustbein sah, er hatte bis zuletzt noch alle Zähne gehabt und lachte immer, um sie zu zeigen. Sie hatte ihn deshalb aufgezogen, er sei eitel wie die Jungfrau im Bade, die Bathseba, er wisse schon, das Bild von Rembrandt, nur nicht so schön und so mollig. Und dass er dann besonders laut lachte, daran erinnerte sie sich jetzt, wenn sie ihn mit der Bathseba ärgern wollte. Plötzlich war das Bild weg, sie sah wieder die leere Wanne.

Baden wäre schön, dachte sie, aber in die Wanne zu steigen war ihr zu umständlich und zu gefährlich, sie könnte ausrutschen, und dann wäre niemand da, der ihr wieder hochhelfen würde. Und sowieso, allein würde sie niemals auch nur in die Wanne hineinkommen, bei ihrer Figur, und das Zittern in den Knien, und wieder wurde ihr schwarz vor Augen, als sie den Kopf hob und in den Spiegel blickte. Wie eine Furie sah sie aus, die Haare wirr und die vielen Fältchen auf den Wangen, die Augenbrauen waren verschwunden.

Sehr langsam kämmte sie sich, sie nahm die Strähnen zwischen die Finger und zog die Bürste vorsichtig durch. Trotzdem blieben Haare in ihr hängen. Eines Tages würde sie mit Glatze herumlaufen, wenn sie sich allzu heftig kämmte. Ach was, herumlaufen. Niemand würde es bemerken, außer der Ärztin und der Nachbarin, sie ging ja nicht mehr auf die Straße. Und dem Sohn. Aber dem war es erklärlich, dass sie Haare verlor, er dachte wohl an seine eigenen, die auch schon schütter wurden.

Plötzlich wurde ihr wieder schwarz vor Augen. Sie griff zum Handwaschbecken, im Spiegel sah sie ihr Erschrecken, die aufgerissenen Augen. Sie glaubte, einen Schrei auszustoßen, als ihr der Fußboden unter den Füßen wegrutschte. Sie begriff es nicht mehr, dass sie mit dem Kopf auf dem Wannenrand aufschlug, sie spürte keinen Schlag, sie fand es angenehm zu fallen, ihr war, als schwebe sie.

*

So fand sie die Ärztin, die, als auf ihr Klingeln nicht geöffnet wurde, die Feuerwehr gerufen hatte: im Bad, auf den Fliesen liegend, mit aufgerissenen, schon gebrochenen Augen, die weißen Haare wie einen Heiligenschein ausgebreitet.

„Sie hat sich seit Wochen auf den Weg gemacht“, sagte die Ärztin tonlos. Der Feuerwehrmann verstand nicht. „So sagen wir Mediziner den Angehörigen“, sagte sie, als sie das verständnislose Gesicht des Mannes sah, „wenn wir wissen, es gibt kein Zurück.“

„Ach so, so meinen Sie das, jetzt verstehe ich …“

„Es ist der letzte Weg.“ Seufzend strich sie sich vor dem Spiegel die Strähne aus der Stirn, die ihr beim Bücken ins Gesicht gefallen war. „Sie ist angekommen“, sagte sie. „Ja, angekommen.“

Antigone
Weder gewesene Pionierleiterin, Mitglied des Politbüros oder gar Geliebte des Staatsratsvorsitzenden (wie hier vermutet), sondern schlichte DDR-Bürgerin, nunmehr für 18 Milliarden DM zusammen mit 17 Millionen DDR-Bürgern zwangsweise verkaufte Bürgerin des Staates BRD. Hanna Fleiss: geb. 1941, wohnhaft in Berlin, Veröffentlichungen: zwei Gedichtbände "Nachts singt die Amsel nicht" und "Zwischen Frühstück und Melancholie" sowie in zahlreichen Anthologien und im Internet.

13 Kommentare

  1. Tja. So kann es auch gehen. Und leider geht es so sehr oft… schade, dass wir nicht in der Lage sein werden, unsere Letten Minuten so minutiös aufzuschreiben. Wir können es uns nur denken. Und benennen. Damit es faßbar wird. Nach dieser hier sehr dichten und realistischen Geschichte bekommt man Angst. Und Angst ist bekanntlich ein schlechter Ratgeber.
    Ich halte es jetzt mit Kaffee und Heine: Da kommt mein MANN, schön wie der Morgen und lächelt fort die ALTERSsorgen.

  2. ich finde im moment fast, dass ihnen prosa mehr liegt als die lyrik. leider ist beim lesen mein türkischer kaffee kalt geworden. ich werde mich jetzt auf die krümel konzentrieren.

  3. das einzige, was mich beim lesen etwas abgelenkt hat, waren die jahreszahlen.zu beginn las ich, ihr mann sei erst vor „einigen jahren“, also noch nicht vor allzulanger zeit gestorben. in der mitte der erzählung lese ich dann „1987“, „1998“, „2005“. Und ich habe zu den zahlen ad hoc den aktuellen (gefühlten) bezug, 2016. durch diese hinweise ging mein zeitgefühl ein wenig durcheinander.

  4. Chrysantheme, du bist mir als Prosaschreiberin hier bekannt, ich weiß nicht, ob du dich auch mit Lyrik befasst hast. Ich bin aber der Ansicht, wenn du nicht in beiden Genres zu Hause bist, kannst du Lyrik gar nicht ernsthaft einschätzen, da gehst du dann nur vom Gefühl aus, ob es dir gefällt oder nicht, und das ist alles und zuwenig. Nein, als Lyrikerin bin ich anerkannt in meinen Kreisen, und es sind immer nur Freundschaftskreise, die ebenfalls lyrisch tätig sind. Nein, Lyrik macht mir mehr Spaß, aber natürlich hilft mir dabei meine Schulung auch auf dem Prosa-Gebiet, vor allem sprachlich.

  5. Chrysantheme, der Text ist noch nicht ganz gründlich überarbeitet. Ich hoffte ja, weil ich hier unter vorwiegend Prosa-Schreibern bin, ein paar Hinweise zu kriegen. Die Zahlen sind in Ordnung. Einige Jahre ist ja sehr unbestimmt, bestimmt wird das also erst, als sie nachrechnet, wie lange ihr Mann eigentlich schon tot ist. Das ist übrigens ganz normal, sprich mal mit alten Leuten, denen geht es genauso, dass sie nachrechnen müssen, wann der Mann eigentlich gestorben ist. Wenn du aber das Gefühl hast, du kommst mit den Zahlen nicht zurecht, kann es daran liegen, dass du den Text nur einmal gelesen hast, ihn also gefühlsmäßig nur aufgenommen hast, nicht aber auf die Details geachtet hast.

    Aber ich habe einen Passus noch nicht ausgebaut, wo die Ärztin sie mit dem falschen Namen anredet. Womit ich sagen wollte, dass die Tätigkeit der Ärztin eher einer Hetze von Patient zu Patient ist, und erklären wollte, warum sie so kurz angebunden ist, womit Marga Riemann überhaupt nicht einverstanden ist, weil sie einen Gesprächspartner braucht. Das geht ja auch in Richtung Betreuung in den Altenheimen. Eine Kritik am Gesundheitswesen.

  6. Ich weiß nicht, ob man länger lebt, wenn man den Gedanken daran, dass eines Tages alles zu Ende ist, nicht an sich herankommen lassen will, Rapunzel. Ich nehme an, du gehörst noch zur jüngeren Generation und hast noch etwas Zeit, aber ich sage dir, eines Tages wirst du dich damit beschäftigen, ob du es willst oder nicht. So lange mach dir einen schönen Tag und lächle fort die Alltagssorgen.

  7. das mit dem namen wird einem in der tat erst beim nochmal lesen klar. und bei dem wissen um den umgang von ärzten mit menschen in der „servicewüste deutschland“, aber andererseits ist es leider so, dass wir die meisten texte nur einmal lesen – und deshalb sofort klar sein, was gemeint ist. wovon ich selbst sicher meilenweit entfernt bin.

  8. @crysantheme: haben Sie dyskalkulie?
    @antigone: wissen Sie, wer ich bin? Nun gut, ich erzähle ihnen nur ein klitzekleines Detail aus meinem Leben, damit Sie beschämt Ihre Vermutung, ich sei ein junges, sorgloses Ding, dass sich nicht mit dem Tod beschäftigen möchte, ad acta legen. Vielleicht trage ich auch so dazu bei, die Ihnen eigene Selbstgerechtigkeit zu überdenken: Ich bin herzkrank und lebe seit einiger Zeit mit den Gedanken der Endlichkeit. Und wissen Sie, was ich dabei mache? Ich lächle mir jeden Tag meine Alltagssorgen fort. Wir lächeln: mein Mann und meine schulpflichtigen Kinder. So. Und nun machen Sie sich auch einen schönen Tag und überdenken Sie die Sätze, bevor Sie sie niederschreiben. Denn auch das angeblich weise Alter rechtfertigt nicht alles.

    Weitermachen. Weiterlachen!

  9. Rapunzel, es tut mir herzlich leid, dass Sie herzkrank sind. Aber erstens kann ich das nicht wissen, genausowenig, wie Sie etwas von mir wissen, und zweitens interessieren Sie mich als Person nur rein virtuell. Wenn ich Sie persönlich kennen würde, hätte ich sicher nicht nur ein Auge auf Ihre Texte, sondern auch auf Ihre Person und würde vielleicht nicht nur Autobiographisches in Ihren Texten entdecken, sondern vielleicht in Ihnen eine ganz sympathische Person. Was aber nichts an der Qualität Ihrer Texte ändern könnte. Und hier geht es um Texte und nicht um Krankheiten oder Personen, denn ich nehme an, Sie sind nicht die einzige in diesem Kreis, die nicht mehr ganz gesund ist. Ich kann es für Ihre Person auch nicht einschätzen, was für Sie günstiger wäre, nämlich mit allem zu rechnen, sich also auch geistig darauf vorzubereiten, oder so zu tun, als ob das Leben unendlich wäre. Das müssen Sie selber wissen, was Ihrer Mentalität entspricht. Jeder Mensch ist eben anders gestrickt.

    Aber um auf den Text zurückzukommen. Ich habe nichts dagegen, wenn Sie bis zum letzten Tag fröhlich sein und alles auf sich zukommen lassen wollen. Nur, wie Sie selbst an das Thema herangehen, das hat mit meinem Text nichts zu tun. Mit dem Wissen nun, dass Sie herzkrank sind, hätte ich eigentlich erst recht bei Ihrer Großtuerei eine fundiertere Sicht auf das Thema erwarten können, denke ich mir.

    Lieben Gruß, Antigone

  10. also, dem schreiber eines so sensiblen textes hätte ich etwas mehr einfühlungsvermögen zugetraut. ich bin menschlich sehr enttäuscht von ihnen, antigone.

  11. @endo lese: mir geht es ebenso. Ich bin entsetzt über die kalte art nach dem motto: Mir doch herzlich egal, ob du morgen krepierst, dein text steht hier und der ist scheiße.

  12. Endo, wie es hereinschallt, schallt es heraus. Und wenn sich darüber jemand wundert, dann hat er nicht mit dem Echo gerechnet. Eine Fehlkalkulation. Denn letztlich, falls du es noch nicht bemerkt haben solltest, geht es hier um Weltanschauung. Wir reden hier über Texte, aber letztlich geht es darum, dass man mich links einstuft, und mit Linken will hier niemand etwas zu tun haben. Das ist das wirkliche Problem. Jetzt steht es da, und ich wollte schon lange mal darüber schreiben. Und wer hier widerspricht, der hat entweder nichts begriffen oder will nicht, dass er begriffen wird. Denn am Ende ist es ja doch ein bisschen peinlich. Und wer will schon zugeben, Teil eines Mobs zu sein?

  13. Frau Kleist, ich bin hier doch nicht, um Freundschaften mit Leuten zu knüpfen, die an mir ihre erlernte Arroganz durchexerzieren wollen. Das betrifft sowohl Sie als auch andere. Und noch etwas: Ich bin zumindest ehrlich. Im Gegenteil zu Ihnen, die Sie hier Krokodilstränen vergießen, weil ich mich distanziert äußere, und nichts anderes habe ich getan, gegenüber jemanden, der die Grenzen des Umgangs miteinander überschritten hat. Was erwarten Sie denn?

    Ich bin hier, weil ich dachte, es geht hier um ernsthafte Literatur. Ja, ich habe mich geirrt, habe aber gedacht, dass wenigstens so viel Niveau des Miteinanders vorhanden ist, dass wir uns über Literatur verständigen können. Auch in diesem Punkt habe ich mich geirrt. Schade, denn der Titel des Forums „Inskriptionen“ ließ zumindest etwas anspruchsvollere Literatur vermuten.

    Was aber obenstehende Erzählung angeht, so wird sie im nächsten Jahr in einer Erzählungssammlung als Buch erscheinen. Ich habe sie nach Hinweisen einiger User überarbeitet. Dafür danke ich ihnen. Auch wenn die Hinweise nicht immer in der Absicht abgegeben wurden, mir eine Hilfestellung zu leisten, jedenfalls war das als Formulierung zumindest so gut versteckt, dass die Hilfestellung sehr gut versteckt hatte.

    Damit sich die Szene hier beruhigt: In Zukunft werde ich mich zu Fremdtexten nicht mehr äußern. Wer auf meine Texte etwas schreiben will, sollte darauf achten, dass er dies zumindest mit der entsprechenden Höflichkeit tut.

    Wie gesagt, wie es hereinschallt, schallt es zurück.

    Antigone

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