Auf den Dächern

sitzen Spatzen,
lösen sich Ziegel aus Erinnerung.
Ich sehe Mutter am Bügelbrett,
wie sie den Tag glättet.
Draußen bist du Schneekönigin
mitten im Frühling,
hängt sie Wäsche
und alte Regeln an die Leine,
die mit den Worten der Nachbarn flattern.
Zwischen Unkraut lauern Nacktschnecken
und andere Feinde,
baust du Schlösser
und braust Mittel
für tote Fliegen.

Erst am Abend
stürzt dich Mutters Stimme
von den Zinnen
deiner Welt.

Sigune
1981 in Filderstadt geboren; Diplom-Studiengang Literaturübersetzen in Düsseldorf; Veröffentlichungen in Zeitschriften und Anthologien; unter den Preisträgern beim 5. Brüggener Literaturherbst (2014), beim Kempener Literaturwettbewerb und beim Badener Lyrikbewerb zeilen.lauf (2015).

4 Kommentare

  1. Oh was für eine glückliche Kindheit wippt da in jeder Zeile! Ein Plädoyer für die Geborgenheit. Ab damit zum Bundesfamilienministerium… Ob in dreizig Jahren noch solche Zeilen verstanden bzw. geschrieben werden?

  2. ich lese hier fragmente von kleist & crysantheme heraus: wäsche an der leine, nacktschnecken. es gibt da einen zusammenhang zwischen den texten, die der eine schrieb, und dem anderen, der im text auf eine nacktschnecke trat. ob nacktschnecken lauern, vermag ich nicht zu beurteilen. alte regeln kann man an die leine hängen, nur, wie sieht das bild dazu aus? nackt ist ein anderes wort für unbekleidet. die wäsche trocknet, währenddessen. der eine präsentiert sich unbehost, der andere in frack und zylinder, was ihn nicht daran hindert, auf eine nacktschnecke zu treten. seit der kindheit begleitet ihn das trauma, dass dort im gebüsch nacktschnecken darauf lauern, zertreten zu werden.

  3. Er hatte geheiratet, er war der Typ mit der Kordel aus Stefan Zweigs Erzählung und im wirklichen Leben Busfahrer. Eine Rundfahrt mit seinem Bus, das war es, was sie auf ihrer Hochzeitsreise erleben durften.

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