individualisierter : massenbetrieb

alle drei stunden : ein neu geborenes
alle drei minuten : jähes schreien
alle drei tage : eine andere bettenbelegung

und jederzeit : verklärte blicke
sachtes schlurfen der frisch entbundenen
beim ersten gang über den gang

verhaltenes flüstern kräftiger männer
alle drei sekunden : huscht eine schwester
in rosa vorbei : majästetisch wehen die offenen

kittel der ärztinnen : sie schreiten gemessen
durch die automatisch geöffnete tür
morgens um vier buckelt die putzfrau

mit ihrem mob durch die flure : unbeeindruckt
vom gellenden schrei nebenan : schon ist es
vorbei : schon sind drei tage vorüber

die drei sekunden : nicht gezählt
in drei minuten rollt die nächste erschöpft
auf dem bett in den raum : du kannst gehen

viel spaß : alles gute

Theodor Holz
geb. in Dresden im Herbst 1989, hab die Wendewirren mit der Muttermilch aufgesogen, Pflastersteine wurden aus dem Bahnhofsvorplatz gerissen und flogen knapp an meinem Kinderwagen vorbei, meine Mutter konnte ihren Beruf als Jungpionierleiterin auf dem Albrechtsberg nicht mehr ausüben, sie nahm an einer Umschulung zur Altenpflegerin teil, während ich brav die Kreuzschule besuchte.

4 Kommentare

  1. tja, so von ganz oben herab sieht auch das interessanteste gesicht nun mal aus wie ein nichtssagender grauer punkt in einem ewig gleichen ameisenhaufengewimmel, oder? da hilft nur: herabsteigen vom hohen roß, tief eintauchen in das gewimmel und ganz aus der nähe einem einzelnen gesicht folgen… merke: in der kunst hilft distanz zum durchblick, im echten leben nur nähe.
    (ha!)

  2. Gewissermaßen ist ja Erinnerung ein nie nur »praktischer«, immer auch schon »poetischer« Vollzug: sie ist damit sozusagen das einem jeden von uns aufbewahrte Stück Dichtertum, Ergebnis zugleich Distanz schaffender, bewußte Überschau ermöglichender Vergangenheit, und ewig-erneuter Aktualität und Affektivität, auch wo sich beides nicht so formend zusammentut wie im Werk des Poeten. Poesie ist Weiterführung dessen, was das Kind noch lebte und was es dem Heranwachsenden opfern mußte für seine Daseinspraxis: Poesie ist perfektgewordene Erinnerung.

  3. Also ich kann mir nicht helfen, aber hier geht mir sofort der Bourani-Text durch den Kopf:

    In 3 Sekunden die Welt erobern
    Den Himmel stürmen und in mir wohnen.
    In 2 Sekunden Frieden stiften, Liebe machen, den Feind vergiften.
    In ’ner Sekunde Schlösser bauen
    2 Tage einzieh’n und alles kaputt hau’n.
    Wir sind für 2 Sekunden Ewigkeit
    unsichtbar,ich stopp die Zeit (la,lal,la)

    Naja – war ja nur so ein Vorschlag…
    Bei Geburten o.ä. Anlässen empfehle ich „verschmiert.“ 20.3.2012 (ein van hengel, obacht!)

Schreib einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert