Sonntagsgespräche

Deine Tante hat Sekt gebracht. Zum Frühstück. Deine Tante, meine Schwägerin. In die Werkstatt. An ihrem Geburtstag. Und was Süßes dazu. Stell dir vor, zum Sekt was Süßes! Es ist ja nicht meine Sache. Das muss jeder selber wissen. Und danach hat sie Gäste. Nicht viel Zeit. Hat nur den Sekt aufgemacht, eine Viertelstunde Frühstück, dann wieder an die Arbeit. Die haben alle Hände voll zu tun. Und dann lief letzte Woche das Papier nicht durch. Die Bogen zu großformatig. Für die Maschine. Das konnten sie nicht einrichten. Du, wir feiern ja schon lange nicht mehr. Ich will keine Einladungen. Das Essen, das Trinken. Das zu lange Sitzen. Zum Mittag fuhren schon die ersten Autos vor. Immer dieselbe Truppe. Die blonde Nelly. Haare wie eine Vogelscheuche, Stiefel bis zum Hals. Klunker drum. So ein billiges Flittchen. Wenn sie den Mund aufmacht, wird mir schlecht. Ihr kleiner Moppelhund. Wird immer fetter. Trägt ne Halskrause. Geld für den Tierarzt haben sie. Die läuft hier täglich auf dem Hof rum. Hat die nichts zu tun. Deine Tante sagt, Nelly, warum die Mühe beim Friseur, Nelly, du bist vierzig, da kuckt kein Mann mehr nach. Deine Tante hat Rollbraten gemacht. Ab in den Ofen. Mit Temperaturanzeige. Niedriggarkunst. Erzählt mir alles. Was sie macht. Im Unkraut, wenn ich abends draußen bin, erwischt sie mich. Auf dem Weg zum Mülleimer mache ich keinen Krach. Klappere nur leise mit den Plastikflaschen. Dann schläft sie schon. Oben alles dunkel. Das meiste ist irgendwie Übungssache. Ich schleiche über den Hof. Und dann mache ich das so. Morgens um vier stelle ich ihr den Geburtstagswein vor die Tür. Später wird sie sich bedanken. Mit Essen. Wir essen die Reste von der Feier gestern. Spaghetti, Tomaten und Gemüse. Kartoffelsalat, nicht zu fett, den isst dein Vater. Vier Schüsseln voll.

crysantheme
Wer eine Crysantheme verblühen lässt oder ihr den Kopf vor ihrer Zeit abschneidet, der erntet zur Strafe nur noch grünes Friedhofskraut.

5 Kommentare

  1. Hier stands schon mal geschrieben, mehr als sieben Wochen ist es her, doch die Langweile wiederholt sich scheinbar immer wieder:

    Frau W. oder Wie versaue ich einen Freitag.

    „Na geht’s wieder? Also ich hatte ja gestern auch Migräne. War ja schon froh, dass es nur das war. Meine Tochter, die quält sich schon fünfeinhalb Wochen mit dem Scheiß. Alles dicht bei ihr, im Kopf, in der Nase. Da kann man nichts machen, sacht die Ärztin, das sind so schleimumhüllte Bakterien, die verstecken sich, da kommt man auch nicht mitn Antibiotikum ran. Und was soll sie denn auch machen, Mensch. Drei Kinder, Haus und Hof und der Mann ständig auf Arbeit. Ich mein, ich helf ja wo ich kann. Wenn ich das man nicht so mit meinen Knochen hätte. Ich mach ihr mal schnell die Wäsche, ich bügle mal. Und morgen fahr ich noch mal mitn Mann raus und nehm ihr die Zwillinge ab. Dann kann sie mal ruhiger schlafen. Ich habe ihr das damals gleich gesagt, das wird nichts, sachte ich. Ich hab auch nicht ohne Grund nur eine! Naja, nun ist das auch schon 6 Jahre her. Aber der Große, der ist vernünftig. Geht ja auch schon in die 8. Klasse. Das ist mein Guter. Nun hat er zu kämpfen mit den Pollen. Also ich konnte gestern ja auch nicht aus den Augen gucken. Das lief und lief! Nase, Augen, alles. Diese scheiß Pollen! Aber meine Schwester, also, was sach ich, die hat das ja dicke! Also die ist echt gebeutelt. Gegen alles, aber wirklich alles allergisch! Die kriegt Spezialcreme für die Haut vom Doktor angefertigt. Ich mein, das war früher doch nicht so! Neulich war ich bei ihr zu Besuch und wir saßen so in Familie schön mit Torte und Kaffee, da sacht sie doch, ja, das haben wir auch alles vom Onkel Karl, wisst ihr das nicht? Nee, sach ich, der war doch aus dem Westen, woher sollten wir das denn wissen? Wir ham uns doch nur ein, zweimal gesehen, zur Jugendweihe und so, Sie kennen das ja. Nee, sacht meine Schwester, der hat wohl auch eine Allergie gegen alles. Ja, so ist das. Ach nee, ich sachs doch, es geht alles zu Bruch“, dabei dehnte sie a l l e s , rollte theatralisch das r vom Brrrruch und rotzte das ch so richtig tief und irgendwie erniedrigend raus. “Ich sach ja, das ist nicht unsere Welt. So, nun ist aber gut. Jetz gehn wir mal wieder an die Arbeit. Sie sind spät dran, heut, nich? Naja, muss auch mal sein. Nun erst mal schön Kaffe und dann is Wochenende.“

  2. wir verbinden sie mit dem nächsten freien mitarbeiter. auch am sonntag. erzählen sie uns ihre probleme. packen sie sich aus. machen sie sich nackt. wir finden den passenden mantel. auch für sie!

  3. zu 1. jenau! kurz nach textschluss fiel er wieder ins jehirn, der freitag. und erst poccahontas töchter. in der schule sagten wir immer: „2doofe 1jedanke“. ich antworte den schülern: 2schlauwiner 3mutanten!

  4. und zum thema herbstlektüre: tischgespräche aus dem zauberberg von th.mann.
    „der alte sitzt wieder nicht an unserem tisch. der tournee nach müsste er heute hier sitzen. aber natürlich schaut er lieber der dicken salomon ins dekoltee. wo er doch bei jeder untersuchung beliebig viel von ihr sehen kann.“

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