Daher : eine Katze

Poesie ist keine Lebensform

Poesie ist Rückzug vom Leben

Selbstgespräch mit Gott

Sprachspiel gegen sich selbst

Poesie ist eine Illusion

Poesie ist eine Illustration

Draußen zerkratzen die Häuser

Wolken : lautstark

Wie leise kommt die Poesie

Daher : eine Katze

Die sich allein nicht ernähren kann

Irgendjemand gibt ihr Futter

Noch rankt sich kein Wein

An den entvölkerten Türmen

Empor : noch stürzen

Die Flugzeuge ab : wer

Spendet Trost : die Priester

Bedienen sich der Poesie

Um den Kult zu erneuern

Und selig zu sterben

Im Menschenkloster

Das sie gründen

Für Abtrünnige 

Gefallen aus der Kirche

Poesie führt sie im Garten

Zusammen : Poesie

Trennt und vereint

Sie des Nachts

Theodor Holz
geb. in Dresden im Herbst 1989, hab die Wendewirren mit der Muttermilch aufgesogen, Pflastersteine wurden aus dem Bahnhofsvorplatz gerissen und flogen knapp an meinem Kinderwagen vorbei, meine Mutter konnte ihren Beruf als Jungpionierleiterin auf dem Albrechtsberg nicht mehr ausüben, sie nahm an einer Umschulung zur Altenpflegerin teil, während ich brav die Kreuzschule besuchte.

12 Kommentare

  1. Das mit der Katze verstehe ich ja noch, aber warum schickt Herr Holz uns anschließend ins Kloster und zu seinen Priestern? Habe ich da wieder etwas überlesen, nicht kapiert?? Oder sind ihm die Metaphern aufgrund persönlicher Präferenzen nun vollends entglitten? Die Struktur ist straff, er will uns führen – aber am Ende kam ich mir richtig doof vor.

      1. Wunderbar, dieses Lösungsanbebot. Ich komme mir doof vor, und um nicht ganz doof da zu stehen, schlussfolgere ich, dass es sich um Poesie handelt. Damit bin ich fein raus und daas innere Gleichgewicht ist wieder hergestellt. Jetzt habe ich richtig was geschafft und ddarf mir als Balohnung einen Kaffee aufbrühen.

        Guten Morgen!

        1. Sorry, ich bin noch nicht ganz wach. Da hat der Kaffee doch gefehlt. Lösungsangebot, schlussforger – äh, schlussfolgern, oder besser: Schlußvolgern, das, zur Belohnung.

          Aber doof sein ist ja heutzutage nicht mehr nur ein Privileg, sondern eine Aufgabe.

  2. Das Gedicht ist ein poetisches Biopic. Dem Genre entsprechend, macht Herr Holz es inhaltlich und auch formal recht gut. Trotz allem schmückt er sich mit fremden Lorbeeren, was mich dezent sauer aufstoßen lässt. Herr Holz sucht sich, wie viele Dichtende, seine Themen auf den Friedhöfen der Geschichte, er gibt sich Mühe und sein Ethos ist redlich. Bis auf die letzte Zeile: des Nachts. Vorsichtig gesagt, finde ich sie unanständig. Aber sie bietet auch Anlass für Neugier: Findet sich in Herrn Holz eventuell demnächst ein neuer „Kandidat für den Bad Sex Award“ (Denis Scheck)?

  3. Wer nach Mitternacht so frisch und aufgeweckt ist, dass er oder sie Dennis Scheck lauschen oder zuschauen kann, die oder der hat wohl keinen oder schlechten Sex gehabt. Ich finde, die Gleichsetzung des Idioms „des Nachts“ = „Sex“ eine Spur zu kurz gegriffen. Sie passt zur unter Menschen und anderen Tagessäugetieren gerade populären Schmalspurbahn, sich nur auf eine Assoziation zu fixieren und daran festzuhalten bis zum Sturz. Für meinen Geschmack ist die Nacht zu divers, um nur für Sex da zu sein. Die letzte Zeile des Gedichts lese ich als eine Aufforderung zum Tanz ums Lagerfeuer. Und ist das nicht der eigentliche Ursprung aller Poesie? Meinte mal Rainer Kirsch („Das Wort und seine Strahlung“, in: „Ordnung im Spiegel“, Reclam, Leipzig, 1985, S. 17)

  4. Beim ersten Lesen des Textes vor einigen Tagen hatte mich spontan – also ganz subjektiv – daran beglückt, ich gebe es zu: wie versöhnlich Herr Holz mittlerweile mit jenen visualakustischen Raketenbauern umgeht, die – auch das unbenommen – Opiumdealer sind für viel Folks… Ich nehme es als Zeichen für grassierende Altersweisheit, eines doch, erwiesenermaßen, chronisch Ungläubigen.

  5. Ein Vers macht noch keinen Satz
    Aber: Und
    In Jahrhundertdauer nun…

    „Will die Umarmung nicht mehr enden“
    zit. n. Günther Deicke, u.a. Bibl. Suhrkamp 299, 1971

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