* * *

Gegen
das Verbot des Königs
küsst Antigone
ihren toten Bruder
ohne Maske.

Eleadora Stein
geb. am 12. 6. 1954 in Wilkau-Haßlau, ist eine vielfach ausgezeichnete Schriftstellerin und Übersetzerin und eine der bekanntesten zeitgenössischen deutschsprachigen Autorinnen. Nach ihrer umfassenden Kritik an Sprach- und Bewusstseinsschubladen befasste sich Stein vor allem mit dem fortschreitenden Verschwinden des Subjekts. Frühwerke wie „Pilzbeschimpfung“ und „Versuch über den Mut“ machten sie in den späten 1970er Jahren schlagartig bekannt. Bei der Wiedervereinigung der 1990er Jahre vertrat sie vereinigungskritische Positionen gegenüber der Mehrheitsmeinung.

9 Kommentare

  1. Da war einer, der wollte unbedingt vom Rang des Schauspiel Leipzig ins Parkett springen. In den Abgrund springen. Von irgendwoher hatte er plötzlich dieses Wunsch. Der Sprung war ihm unglaublich wichtig, er konnte an nichts anderes mehr denken. Wir haben ihn davon abgeraten, wir haben ihn festgehalten, wir wollten es ihm ausreden. Aber er ist uns in der Nacht entschlüpft und gesprungen. Er hat sich beide Beine gebrochen. Er lag ein Jahr im Krankenhaus. Er ist gesprungen. Er ist glücklich.

  2. Glücklich, solange der Schmerz anhielt und das dumpfe Gefühl von Sinnlosigkeit mit seiner Intensität überdeckte

    &

    „Sie nannten ihn Amigo“
    „Sie kämpften für ihre Heimat“
    usw.

  3. Auf dem Feld der Unvernunft sähen wir Eure Zeichen, wenn da wirklich jemand gesät hätte. So aber bewundern wir auf den Hinweisschildern nur das Grafikdesign, das wir schon von George her kennen. Mit dem auch wir hin und wider Geld verdienen, wieder und wieder. Und: dieses sogenannte Feld mit all seiner Unvernunft ist letztlich im Sonnenuntergang überm Schwarzwald nicht zu missdeuten, als Traum von der Vernunft, die keine Grenzen und schon gar keine anderen Himmelsrichtungen kennt als die ohnehin bekannten.

  4. Das lange Band der Schienen hält uns noch viele Tage fest. Bei der monotonen Musik des Rollens und Ratterns ist es das Schönste, ausgestreckt auf seinem Bett zu liegen und dem blauen Rauch nachzublicken, der sich von der brennenden Zigarette nach oben kringelt. Die Zeit fließt an mir vorüber. Schnell und blaß die vergangenen Jahre, scharfkonturig und mit schleppendem Schritt die letzten Monate, die Einschließung, der Widerstand, die letzte Patrone und der letzte Schlag, den ich nicht mehr abwehren konnte. Es grenzt schon an ein Wunder, daß ich diesen Todeskessel überlebt habe. Erstaunlich aber auch, daß wir so lange und so geschlossen Widerstand geleistet haben. Doppelt erstaunlich, wenn ich mir die fünf Kameraden in unserem Abteil ansehe.

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