Das junge Mädchen wandelte, des ewig brennenden Himmels reich, Welten,
verschwebte inmitten halb rauwinkliger, halb erträumter Städte,
passierte gelb und blau mit einer Lilaterne,
schwamm hungersüß als Morgengrau, hetzte geifernd um die Schluchten.
Rückwärtig schwärmwankte die Prozession im Gleichschritt,
schrillte verzerrt umspulte Liturgien, eine obsidiannadelnde Klangwolke,
die Tiefenwahn umschlang, versank vor fahlem Springgiftlicht.
Um keine Angstdurft verlegen, fieberte ihre weichgezeichnete Masse
nach Ohren, die ihr hölzernes Stöhnen erhören mochten,
der einen Stimme, die sie ihr salziges Dürsten vergessen ließe,
nach dem letzten Ziel ihrer pechschwarzen, an die wüsteste Ferne verlorenen Masada-Augen.
Einen Sturm ohne Regen verkündeten Posaunen am Totenmeerhang,
es wurde Helltag und still, braungeronnen Bäche entrückten Bluts und
auf der Rampe versickerten Tränen eines abkriechenden Schattens.
Laut Quellen starben 960 Menschen am Ende der Belagerung von Masada (hier ein Bild mit der Belagerungsrampe), 2 Frauen und 5 Kinder überlebten, ohne Spielzeug oder intakte Familie.
Der Titel spielt auf den Namen der kleinen Protagonistin des Textes – Salome – an, der in der Tradition von Salome, Schwester des Herodes steht, die ca. hundert Jahre vor der Belagerung von Masada dort bereits gewirkt hatte:
„Herodes war als treuer Verbündeter des Antonius nach dessen Niederlage in der Schlacht bei Actium in einer schwierigen Lage, übertrug seinem Bruder Pheroras die Regierung und quartierte Salome und seine Kinder in der Burg Masada ein, ehe er zur Begrüßung des siegreichen Octavian, zu dem er übertreten wollte, nach Rhodos reiste (30 v. Chr.).[6] Nachdem ihn Octavian in seiner Herrschaft bestätigt hatte, wurde sein Verhältnis zu Mariamne nach seiner Rückkehr zunehmend gespannter. Dies nutzte Salome zu einer Intrige. In ihrem Auftrag erzählte ein Mundschenk dem Herodes vertraulich, Mariamne habe ihn mit einem Liebes- und Gifttrank geschickt. Deshalb und wegen weiterer Gerüchte über Mariamnes vermeintliche Untreue erzürnt, ließ Herodes auf Druck Salomes seine Gattin hinrichten (29 v. Chr.).“
Und bevor mir wieder vorgeworfen wird, ich würde George, Jünger oder Trakl nahe treten, hier eine Assoziation, die mich allerdings erst jetzt, nach Fertigstellung des Textes und erneutem Nachlesen ereilte: Adalbert Stifter, dessen Text ‚Abdias‘ von 1842 mich im Alter von 13, 14 Jahren (Fund in Reclamsammlung der Eltern nach Suche einer Erzählung zur Zusammenfassung im Deutschunterricht) fasziniert hat – und in der Retrospektive wohl auch stilistisch geprägt.
„(…) Tief in den Wüsten innerhalb des Atlasses steht eine alte, aus der Geschichte verlorene Römerstadt. Sie ist nach und nach zusammengefallen, hat seit Jahrhunderten keinen Namen mehr, wie lange sie schon keine Bewohner hat, weiß man nicht mehr, der Europäer zeichnete sie bis auf die neueste Zeit nicht auf seine Karten, weil er von ihr nichts ahnete, und der Berber, wenn er auf seinem schnellen Rosse vorüber jagte, und das hängende Gemäuer stehen sah, dachte entweder gar nicht an dasselbe und an dessen Zweck, oder er fertigte die Unheimlichkeit seines Gemüthes mit ein paar abergläubischen Gedanken ab, bis das letzte Mauerstück aus seinem Gesichte, und der letzte Ton der Schakale, die darin hausten, aus seinem Ohre entschwunden war. Dann ritt er fröhlich weiter, und es umgab ihn nichts, als das einsame, bekannte, schöne, lieb gewordene Bild der Wüste. Dennoch lebten außer den Schakalen, der ganzen übrigen Welt unbekannt, auch noch andere Bewohner in den Ruinen. Es waren Kinder jenes Geschlechtes, welches das ausschließendste der Welt, starr blos auf einen einzigsten Punkt derselben hinweisend, doch in alle Länder der Menschen zerstreut ist, und von dem großen Meere gleichsam auch einige Tropfen in diese Abgelegenheit hinein verspritzt hatte. Düstre, schwarze, schmutzige Juden gingen wie Schatten in den Trümmern herum, gingen drinnen aus und ein, und wohnten drinnen mit dem Schakal, den sie manchmal fütterten. Es wußte niemand von ihnen, außer die anderen Glaubensbrüder, die draußen wohnten. Sie handelten mit Gold und Silber und mit andern Dingen von dem Lande Egypten herüber, auch mit verpesteten Lappen und Wollenzeugen, davon sie sich wohl selber zuweilen die Pest brachten und daran verschmachteten – aber der Sohn nahm dann mit Ergebung und Geduld den Stab seines Vaters, und wanderte und that, wie dieser gethan, harrend, was das Schicksal über ihn verhängen möge. Ward einmal einer von einem Kabilen erschlagen, und beraubt, so heulte der ganze Stamm, der in dem wüsten weiten Lande zerstreut war – und dann war es vorüber und vergessen, bis man etwa nach langer Zeit auch den Kabilen irgendwo erschlagen fand. (…)“
Ganzer Text urheberrechtsfrei bei Projekt Gutenberg
Sag mal ehrlich, Faron Bebt, warum interessieren dich all‘ diese alten Geschichten?
@ Tiefenpsychologe: „Sag mal ehrlich, Faron Bebt, warum interessieren dich all’ diese alten Geschichten?“
Weil ich sie liebe und weil sie nicht einsehe, dass sie in Vergessenheit geraten sollten. Kennen Sie beispielsweise diese alte Melodie? Die Stimme (insbs. bei 1:08) transportiert etwas extrem Wertvolles, doch weiss die Gegenwart es zu erkennen und (nicht nur) der Zukunft zuliebe zu schätzen?
Ungewöhnliche Wortschöpfungen, Lilaterne, obsidiannadelnde, Springgiftlicht, Angstdurft, … ich kann nicht mehr, das ist wirklich reine Nervensache. Chapeau!
Was ist eine Angstdurft?
Notdurft ist ja nicht, aufs Klo zu müssen. Sondern das Nötigste haben zu dürfen (Wasser, Brot , Feierabend).
Angstdurft? Und nicht verlegen darum…? Häh? Wat is dat??
sich vor Angst in die Hose machen?
Das ist wirklich schlapp…Notdurft heißt ursprünglich NICHT, aufs Klo zu müssen. Siehe Kommentar 4.
Angstschweiß ist mir vertraut. Auch der stechend- beißende Geruch von Angst. Sehr unangenehm. Es bleibt die Frage nach AngstDURFT. Ich weiß nicht, ab dies Wortschöpfung ungewöhnlich oder unsinnig ist. Auf jeden Fall unbekannt. Also mir unbekannt. Als Stolperstein nicht schlecht, allerdings nur dann wirksam, wenn ein Bild entsteht. “Angstdurft“ – nee Loite, ich krieg das nicht zusammen!