Braunes Holz

Der letzte Hund, der meiner Großmutter gehörte, hatte ein Ekzem. Das ist nichts Außergewöhnliches, auch Thomas Mann klagt in seinen Tagebüchern über ein Ekzem am Ohr, häufiger jedoch über hartnäckige Konstipation. „Meine Konstipation ist außerordentlich!“ ruft er schreibend auf seiner Hochzeitsreise aus.

Doch erzählen wollte ich, vom Hund meiner Großmutter. Die geladene Tischgesellschaft, mittlerweile beim Hauptgang angelangt, war empört. Denn der Hund rieb sein Fell an den Beinen der Gäste und schnupperte an den behaarten männlichen Gelenken ebenso sehr wie er an den weiblichen, weich bestrumpften Waden schabte. Sein Vorgänger hingegen war artiger Natur gewesen – er leckte nur ganz im Geheimen an nackten Herrenbeinen. War das pfiffige Kerlchen mit dem erlesenen Geschmack nun homophil oder nur von besonderer, hündischer Devotion?

Onkel Adalbert, der Bruder meiner Großmutter, arbeitete im Winter mit der Laubsäge und bedachte die Familie mit Kerzenständern aus tiefbraunem Holz. Bei einem Besuch stieß er die derben Winterstiefel rhythmisch in das Würfelparkett des Wolfenbütteler Kaffeehauses. War es Würfelparkett? Oder Fischgrätenmuster? Waren es Stiefel? Oder waren es nur Halbschuhe? Was bleibt, ist die braune Vertäfelung der Erinnerung und das bisschen Walderde, das Onkel Adalbert uns hinterließ.

tulpen.JPG

4 Kommentare

  1. Idyll, hündisch, Devotion, bedenken, schaben – hinein ins Schatzkästchen der vom Aussterben bedrohten Wörter. Irgendwo und irgendwann gab es einen Ausspruch: „So was lebt und du musstest sterben!“, zitierfähig im Vergleich der überladenen Grabbeltische bei Thalia, Weiland und Co. und diesem Kleistschen Familienidyll in Braun. Lust auf Mehr!

Schreib einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert