Der Geheimniszustand

Also das Thema dieses Jahr ist ja „Der Geheimniszustand“, ja? Und da haben sich ja jetzt auch schon viele beteiligt, richtig? Also die frau kleist zum Beispiel, und der Zhenja, und die crysantheme und der Kraba vel Jop, und der Wassili, und die rapunzel, und die Faron Bebt, und mein Schwager Theodor Holz und der Jens Rudolph, und die Sigune, und der Werner Weimar-Mazur, ja? Also die einen, die sind doch echt, ja, und die anderen, die sind nicht ganz so echt, also wie soll ich das sagen, das sind sozusagen Pseudonyme, ja? Also Werner Weimar-Mazur oder Jens Rudolph, das sind doch ganz bestimmt Pseudonyme, ja? Also, was ich jetzt fragen möchte, wenn man dann also jemand anderes ist, also sein Pseudonym, bleibt man da in da in dieser Rolle? Also ist frau kleist immer frau kleist, ja? Oder kommt doch manchmal der echte Mensch dahinter durch, dann fällt frau kleist aus ihrer Rolle? Aber es ist doch so, dass da auch vielleicht gar kein echter Mensch dahinter steht, dass also Kraba vel Jop bloß eine Rolle von rapunzel ist und rapunzel ist eine Rolle von Wassili, und so immer weiter? Dass es da gar kein Ende gibt? Oder, selbst wenn ein Name also einmal gar keine Rolle ist, wenn also rapunzel oder Zhenja echt sind, also der echte Zhenja und der echte Jens Rudolph hier ganz und gar echt sind, ist dann der echte Zhenja immer der echte Zhenja? Also vielleicht ist der echte Zhenja so viele Personen, und er ist dann also sowieso nie er selbst, richtig? Er ist also immer in einer Rolle, selbst wenn er er selbst ist? Oder ist Wassili auch mal der echte, nackte, ehrliche Wassili, so ganz ohne Rolle?

Eleadora Stein
geb. am 12. 6. 1954 in Wilkau-Haßlau, ist eine vielfach ausgezeichnete Schriftstellerin und Übersetzerin und eine der bekanntesten zeitgenössischen deutschsprachigen Autorinnen. Nach ihrer umfassenden Kritik an Sprach- und Bewusstseinsschubladen befasste sich Stein vor allem mit dem fortschreitenden Verschwinden des Subjekts. Frühwerke wie „Pilzbeschimpfung“ und „Versuch über den Mut“ machten sie in den späten 1970er Jahren schlagartig bekannt. Bei der Wiedervereinigung der 1990er Jahre vertrat sie vereinigungskritische Positionen gegenüber der Mehrheitsmeinung.

11 Kommentare

  1. Ehrlich und echt sind mir egal.
    Nackt find ich geil. Nackt. Also beim Kerl. Bei dem Wassili. Ich kenn‘ den jetzt nicht, aber nackt nehme ich fast alles. Und nachher ist Wassili viele. Das find ich auch gut. Da hat man mal ne Auswahl!

  2. Der J’li, der war auch so drauf! Mit seinem uralten Crysler-Horizon, übersät mit Dellen, fuhr er mich nach Hause (vgl.: Alternazis Praxis, November 2012?). Seine Krawatte hatte Tintenflecke, als er mich, damals natürlich noch bei den Eltern, von zu Hause abholte, zog er sie aus seiner Brusttasche und sagte: „Frau Blume, ich hab auch eine Krawatte mit!“ Ja, tatsächlich, so war das. Nicken Sie nicht so mitleidig, lachen Sie lieber! Also der J’li, der fuhr mich hin und auch wieder zurück, ab in die Pampa, über die holprige Brücke, rein in den scheinbaren Abgrund. Er begann das Faseln. „Nee du, das könnte zu Missverständnissen führen, wenn wir Mutti erzählen, wir hätten die Liegesitze ausprobiert!“ Rutschte irgendwie tiefer auf seinem verräucherten Sitz. „Komm, ich zeig dir mal meine blaue Mauritius.“

  3. Huhuhuhh! Zum Heulen, wenn mann bedenkt, wer hier schon alles mal großartig und -spurig unterwegswar und dann plötzlich verschwand wie in einem schwarzen Loch! Da nützt alles Rufen nichts, und auch die in der letzten Zeit wieder in Mode kommenden Rufzeichen nichts: sie bleiben verschwunden (Doppelpunkte sind immer noch für ein schockierendes Überraschungsmoment gut, so scheint es…) Die frixell, der van hengel, sein frustrierter bruder, der van häkel (wo kam der vor?) die bizarre unica und ihre noch bizarrere Schwester Caterian szforza, die Mondlandschaft unter den Dichter*innen – und der Rosch, Jens Rosch, der seine lyrischen Bogen in tausend Pseudonymen durch den Weltraum spannt, Entwürfe, die mit Fug und Recht den Vergleich mit den eingerollten Dimensionen nicht scheuen dürfen, und letztlich gehen wir ja alle in ihm auf, und nichts davon verschwindet, denn es ist längst in unsere Körper gekrochen, durch alle Öffnungen, hat unsere DNA kontaminiert und Ein Anderes aus uns gemacht: Tief in uns sind sie verschieden. Und wenn wir hier über uns schreiben über uns lesen, sind wir wie Kinder, die hoffen, dass sie auf dem Bild auch drauf sind, bin ich auch dabei, stehen meine Namen da und wie werden sie bedacht? Denn zum Schluss möchte ich gern noch Faron Bebt zitieren: „Der blog muss nichts aufnehmen, er wird bedacht.“

  4. Dann also, lieber Jahrmarkt, dann also sind wir die lebenden Epitaphe derer, die nicht mehr hier sind. Mögen wir hier stehen nicht nur als eine Erinnerung, sondern auch als Zeichen für sie, als hell bis in die Unterwelt leuchtendes Feuer. Wir glauben jedenfalls fest daran, dass sie uns nicht verlassen haben. Sie sind nur kurz in die Unterwelt gestiegen, so wie einst Orpheus, um etwas sehr sehr wichtiges zu erledigen. Sie spielen gerade nur eine andere Rolle. Die Rolle des Schweigens. Doch ihre Abwesenheit erst lässt sie und noch viel viel stärker anwesend sein. Bald werden sie zurück sein. Mit mächtigen Versen. So wird es sein.

  5. Diese ganzen Epitaphe, diese ganzen sechzigsten Geburtstage … und ich schaufel mir den Kuchen rein, hätt ich doch damals nicht so nen Alten genommen, nie kann ich mitreden, immer bin ich nur die „Frau von“, ich schneide mir verzweifelt noch ne Scheibe Käse ab, ich hab‘ doch damals es nicht kommen sehen, dass die Altherrenriege mich ver… nie habe ich war kommen sehen, ich merke mir doch so was gar nicht, ich bedenke doch so war gar nicht, und hab doch gedacht, jetzt hab ich alles was ich will, und nun will ich doch auch … ach ich weiß nicht, wie das hier weiter gehen soll… jetzt sag du doch auch mal was dazu.

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