Ballade vom verlassenen Schiff – Wladimir Wyssozkij 1971

für Andreas

An jenem Tag wurde selbst der Käptn geduzt
Und der Schiffsjunge galt ihm gleich an Talenten,
Mit gestrecktem Rückgrat und zerfetztem Verband
Hingen die Matrosen in den Wanten.

Die Türen unseres Verstandes
Aus den Angeln gerissen
Zu den Ufern voller Wunder,
Wie eingetaucht in ein Bett

In die ewig gewünschten und verheißenen Länder –
Die magellanischen und kolumbianischen.

* * *

Winde trinken mein Blut
Und durchqueren mein Holz
Gerade vom Bug bis zum Heck,-
Zerren Winde an mir:
Und ich stehe im Wind
Jeden Tag, jede Nacht,-
Der hinein in die Seele
Nägel treibt mir mit Macht,
In die Seele hinein…

Zhenja
Künstlername des aus Südrußland stammenden Dichters Jewgeni Sacharow; hob unter nickname Zhenja 2007 gemeinsam mit Gesche Blume und Viktor Kalinke den literarischen Blog www.inskriptionen.de aus der Taufe. Das seit 2009 verwendete Pseudonym stand dabei zunächst Pate für eine Reihe von Versuchen, sich zugleich die Bild- und Klangsprache des 1922 verstorbenen futuristischen Dichters Viktor Vladimirovic Chlebnikov und die Ausdrucksmöglichkeiten des Deutschen als literarischer Nichtmuttersprache zu eigen zu machen. Zunehmende Vermischung eigener Sprachschöpfungsprozesse mit dem Ideenfundus des russischen Avantgardisten bis zur „non-rem-fusion“. Sacharow lebt und arbeitet seit 2008 als Garderobier und freischaffender Autor in Frankfurt am Main. Projekt der beiden in Deutschland ansässigen russischen Dichter Jewgeni Sacharow und Sascha Perow, „Brüder im Namen“. Jewgeni beschäftigt sich seit 1990 mit Drama in - wie er es nennt - Außenprojekten, ich dagegen (Perow) versuche mich gelegentlich an Übersetzungen aus dem Russischen; mein Ziel: Erschaffung eines neuen Dialekts der Weltpoesie, der „Sternensprache“. Wichtig war für unser Inskriptionen-Doppelleben die Begegnung mit der deutschen Dichterin Hanna Fleiss im Winter 2012 in Berlin.

2 Kommentare

  1. Aus dem Kolosseum dröhnt das Johlen
    der Fans : Argentinien gegen Mexiko
    ich nähere mich dem Gedränge vom Fluß : seichtes
    Wasser : niemand fährt hier noch Boot : zu braun
    zu brackig : das Fließende : Einsamkeit
    garantiert es inmitten der Polis : während der Spiele

  2. Angeln mit Odysseus

    Der Kappelbach strömte unauf-
    Haltsam seiner ersten Begegnung
    Zu, mit dem Jungen
    Dem Jungen & dem Brot:

    Die Angelschnüre zuckten kurz,
    Als die Boote ins
    Wasser glitten; die
    Planvoll aufgeschichteten Stapel
    Übrig gebliebenen Holzes –

    Und ich wusste damals noch nicht,
    Dass daß nun ein Teil von Geschichte ist –

    Zusammengehalten von Nägeln
    Blank
    Von der Mastspitze bis zum Kiel.

    Heute ist alles ganz anders; der
    Schutzanstrich auf dem Brücken-
    Geländer hat sich
    Entschieden, grau &
    Blau sind nun zwei …

    Wo einmal der Wurm drin war
    Bleibt Platz für immer
    Und ewig

    (S. 108)

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