Ahnen, was kommen kann

Wo ich daheim bin,
blicke ich in die Welt der hundert
Fenster und siechender Straßenbäume,
die mich vor der Idiotie des Straßenverkehrs
schützen sollen.

Ich weiß, niemand und nichts
wird mich schützen, auch nicht vor dem
Krieg, der mit großer Selbstverständlichkeit
vorbereitet wird, als handle es sich
um eine Tortenschlacht.

Und mich schmerzt es,
dass wir so gleichgültig sein können
bei so viel Betriebsamkeit, mit der jene
ihre mörderischen Geschäfte erledigen.
Nicht weiter weiß ich mehr.

An diesem wolkenverhangenen Tag
mit den neuen schrecklichen Nachrichten
denke ich an vieles, woran ich nicht
denken will, und staune, wie wenig wert
Menschen das Leben sein kann.

Antigone
Weder gewesene Pionierleiterin, Mitglied des Politbüros oder gar Geliebte des Staatsratsvorsitzenden (wie hier vermutet), sondern schlichte DDR-Bürgerin, nunmehr für 18 Milliarden DM zusammen mit 17 Millionen DDR-Bürgern zwangsweise verkaufte Bürgerin des Staates BRD. Hanna Fleiss: geb. 1941, wohnhaft in Berlin, Veröffentlichungen: zwei Gedichtbände "Nachts singt die Amsel nicht" und "Zwischen Frühstück und Melancholie" sowie in zahlreichen Anthologien und im Internet.

12 Kommentare

  1. der titel. mir selbst ist jener text im gedächtnis geblieben:

    Dezembermorgen, 1899 (Romanauszug)

    Das Licht draußen war ein fahles Gewittergrün, nach oben gelenkter Strahlenkranz, eine Verfärbung, die sich zeigte, wenn der Schnee in helles Laternenlicht fiel. Die Straßen wurden nicht mehr geräumt, die Zeit lag schon lange zusammengefaltet in der Nacht wie eine Zeitung vom vergangenen Tag. Die dünne Haut unter der Eisschale, eine geborgte Lebensphase, all das war über ihr zurückgeschlagen. Die Schale aufgebrochen. Sie hob den Kopf und blickte in das grüne Licht über ihr, das eigentlich ein Schwarzes war. Jede Nuance Schwarz musste hinter diesem Licht gefrieren. Niemals hätte sie gedacht, dass es so viele Nuancen Schwarz gab, doch es war klar, W. hatte es gewusst. Seine Bilder zeigten es. Manchmal erkannte sie es in den federschwarz glänzenden Kugeln.

    Sie würde sich retten. Sie würde ihre zweite Natur, ihre wahre Natur, wie ein Knäuel an einem langen Faden wieder zu sich heranziehen. Sie stand inmitten einer Menschenmenge, die sich allmählich auflöste, vor einem Bild, das es jetzt noch gar nicht gab, weil es in wenigen Stunden erst entstand. Es zeigt eine junge Frau im Unterrock, eine Federzeichnung, rasch dahingeworfen. Der Zeichner hatte keinen Augenblick zu verlieren, die Zeit drängte, vielleicht war die Frau schon hinaus. Hatte die Tür hinter sich zugeworfen und war, einen schwarzen Mantel über dem Unterrock, in die Dezemberkälte entwischt. Die Luft mag stillgestanden haben. Ein sonniger, schneeloser Dezembermorgen kennt oft keine Windstärke. Vielleicht konnte sie stehend in abgerückter Sonne, die Licht und ein kühles Maß an Temperatur spendete, endlich zu dem werden, was sie schon vor Jahren hatte werden wollen. Sie begann, sich zusammenzuflicken.

    (es gibt durchaus bizarre regungen.)

  2. Samtmilbe, soll ich diesen monströsen, inhaltsleeren Text als Kommentar zu meinem Gedicht „Ahnen, was kommen kann“ werten? Ich sehe keinerlei Beziehung zu meinem Gedicht. Meinst du nicht, dass du hier zu weit gehst?

  3. gut. ich gebe zu, der erste teil ist etwas redundant. aber was ist mit dem übrigen, so etwa ab:

    „Sie stand inmitten einer Menschenmenge, die sich allmählich auflöste, vor einem Bild, das es jetzt noch gar nicht gab, weil es in wenigen Stunden erst entstand. Es zeigt eine junge Frau im Unterrock, eine Federzeichnung, rasch dahingeworfen. Der Zeichner hatte keinen Augenblick zu verlieren, die Zeit drängte, vielleicht war die Frau schon hinaus. Hatte die Tür hinter sich zugeworfen und war, einen schwarzen Mantel über dem Unterrock, in die Dezemberkälte entwischt. Die Luft mag stillgestanden haben. Ein sonniger, schneeloser Dezembermorgen kennt oft keine Windstärke. Vielleicht konnte sie stehend in abgerückter Sonne, die Licht und ein kühles Maß an Temperatur spendete, endlich zu dem werden, was sie schon vor Jahren hatte werden wollen.“

    ich halte das für eine überaus gelungene milieuskizze – vergleichbar mit den frz. impressionisten. und für mein empfinden gehen sie es – in den textpassagen, die ich als geglückt empfinde – ähnlich an. soweit mein intertextuelles spiel, als anregung, wohl gemerkt.

  4. Wäre schön, wenn du mir diese Dame im Unterrock erklären könntest. Und dass sie etwas mit den französischen Impressionisten zu tun haben könnte, entschuldige, das soll wohl ein Witz sein? Das ist ein geschwollenes, sinnfreies Zeugs, dass man beim Lesen Zahnschmerzen kriegt.

  5. ihr gedicht, und mehr noch der titel, war für mich der anlass, meinen text zu schreiben. zündend waren hierbei noch die worte „siechend“ sowie die „tortenschlacht“. dass etwas dabei heraus kommen würde, das so anders ist als das ihrige, konnte ich nicht vorhersehen. und warum immer alles mit einem sinn beladen? schließlich ist schreiben ein weitgehend unbewusster prozess.

  6. Hallo Samtmilbe

    nein, Schreiben ist eben nicht ein „weitgehend unbewusster Prozess“. Damit reden sich Leute heraus, die im Schreiben lediglich eine Ablenkung von ihrer gutbürgerlichen Langeweile suchen. Wenn es so wäre, dann wäre das Schreiben lediglich eine Möglichkeit der Ablenkung, dem Ausweichen vor den Aufgaben des Lebens, und es entsteht dann so ein Text, wie Sie ihn gepostet haben. Ein überflüssiger Text. Damit wird außerdem der Legende nachgeholfen, dass Schreiben etwas mit dem „Genie“ zu tun haben könnte. Nein, hat es nicht. Schreiben ist Hier und Heute, Schreiben verlangt den ganzen Menschen,
    Schreiben verrät auch alles über den Schreibenden, und wenn er nur egozentrisch seinen Bauchnabel beschreibt, dann zumindest ist erklärlich, dass sich immer mehr Menschen vom Lesen abwenden. Es gibt dazu sehr viel zu sagen, hier ist nicht der Ort, dies zu tun.

  7. hallo antigone,

    80% unserer handlungsmotive entstammen dem bereich des unbewussten… sie aber setzen nur die restlichen 20% ein… ???

  8. Wer allen Ernstes behauptet, Schreiben wäre nur Arbeit und hätte nix mit Genialität zu tun, der legt all den sinnfreien Groschenbuchautoren den roten Teppich aus. Und welcher ernstzunehmende Schriftsteller möchte sich auf die Stufe mit Susanne Fröhlich, Ildiko von Kürthy und Konsorten stellen? Klar, die machen Geld mit ihren wechseljahrslektüren. Es ist schließlich als Leser angenehmer, Subjekt, Prädikat, Objekt in der gewohnten Reihenfolge zu lesen, gewürzt mit Herzschmerz und larmoyanter Alltagspoesie als blühende Fantasiegebilde. Letzteres strengt den Kopf an und das mag nicht jeder… Doch schreibt der Künstler für Jeden? NEIN.
    Ich rege eine Diskussion zum Thema der Mensch als Künstler und Arbeiter an.

  9. Also: Beiträge (einen eigenen per Maus berühren/anklicken) – Quickedit – Kommentare erlauben wegklicken – Aktualisieren

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