Flucht und Wiederkehr II

Alex marschiert, exerziert, Alex mit Pulle in der Hand, lila-blauem Iro und Nietenjacke gröhlt gaffend tuschelnde Touristen an, ob sie wüssten warum er so sei. Wenn nicht, dann sollten sie die Fresse halten. Alex am Alex. Alex an den Resten der Mauer, Alex, immer alles auf Ex. Alex verrät warum: Weil die Stadt scheisse ist. Scheisse kalt. Hart. Windig und bösartig. Will er eigentlich weinen, erzählt Alex mit verschwommenem Blick, springt er auf und rempelt einen der steifen Herren in Anzügen an, schreit und spuckt. Alex‘ Vater im Loch, seine Mutter auf dem Strich. Nur seine kleine Schwester sei stets bei ihm, ausser wenn sie, wie jetzt gerade, einige hundert Meter weiter schnorre oder neues Bier hole.
Alex ist nicht alt, aber das Leben, das er führt hat seinen Körper der Jugend beraubt.
Im Innern fühlt er wie ein verletztes, trotziges Kind, das auf der Suche nach verlorenem Urvertrauen brüllt und um sich schlägt. Früh morgens sticht die Kälte wie eine stumpfe Nadel, sagt Alex – damit kenne er sich ganz gut aus. Alex will grinsen, wie Jugendliche, die von Streichen berichten, aber ihm ist nicht zum Grinsen zumute und so verharrt sein Gesicht fast so steif wie das der Anzugmänner.

„Ist das ihr Ernst, Herr Rübenmöller? ‚Alex‘, wirklich? Das Thema ist seit fast 30 Jahren durchgelutscht, spätestens nachdem die Hosen sich an der Clockwork-Orange Figur dumm und dämlich verdient haben! Gibt es überhaupt heutzutage noch Punks in Berlin? Denn wenn es nach dem geht, was unsere Mitarbeiter sonst so verzapfen, ist die heutige Jugend weichgespült und kommt ganz ohne Subkultur und Protestgehabe aus. Schreiben Sie doch lieber über die Stipendiats-Vorbereitungen der angehenden Führungseliten, sie wissen schon – eben das, was die Kern-Leserschaft unseres Blattes dazu animiert ihren Kindern und Enkeln ein wenig mehr Feuer unter dem Hintern zu machen – und ihr Abo ein weiteres Jahr zu halten!“

„Aber Herr Töfte-Süß, sagten sie nicht gerade gestern zu mir, ‚gehen sie hinaus, finden sie etwas, was unsere Leser bewegt‘?“ Rübenmöller hat das Gefühl, als würde sein Magen unaufhaltsam in die Tiefe sacken.

„Ja, sind sie denn blöd?!! Ich meinte was über eine niedliche Katze, die auf einem Baum festsitzt, ein kleines Mädchen, das einen großen Hund umarmt, eine Hintergrundstory darüber, wie die Familie der neulich verunglückten Frau mit dem Verlust umgeht, sowas halt – nichts über dreckige Punks, verdammt noch mal!“

Rübenmöller wischt sich mit einem seltsam steifen Ausdruck die Tropfen aus dem Gesicht, bevor er sich, gebeugt auf Töfte-Süß‘ Schreibtisch, übergibt.

Manchmal hat Alex es warm, nachts. An diesen Abenden pulsiert in seinen Adern  Methadon und er ist untergekommen bei einem Freund, der schreibt. Seine Schwester sitzt dann neben ihm und schaut sich alte Donald Duck-Hefte an. Die eigneten sich seiner Erfahrung nach ganz gut zum Lesen-üben, sagt der Freund.

Faron Bebt
schreibt Geschichten mit bunten Botschaften und einem hartem Kern. Immer etwas dogmatisch, aus der Zeit gefallen, verstörend verträumt - wie letzte, angemalte Großstadtbunker --Farbbeton.

11 Kommentare

  1. ah, fast vergessen und immer noch gefeiert. selige zeiten…

    Theodor Holz

    Vor einer Weile schrieb hier des öfteren ein Autor namens Theodor Holz – sein Gedicht “steifer iro auf kahlem kopf” habe ich noch gut im Ohr. Leider hat sich mit der Zeit so etwas wie eine Ohrenentzündung herausgebildet. Und von Theodor Holz ist im Blog weit und breit nichts zu spüren – außer vielleicht Schmerzen. Mich würde interessieren, weshalb Herr Holz uns verlassen hat. Falls er dies hier liest, so möge er es als Aufforderung verstehen, uns doch wieder einmal mit seiner Kunst zu beglücken.

    Holz war, bzw. ist ein Dichter, der seine Worte mit einer gewissen Hemmungslosigkeit an den privaten vier Wänden zu reiben wusste, wir erhielten grobe Einstellungen der Wirklichkeit vor der eigenen Haustür. Am stromkasten & vermeiden es Auf den gehweg zu kotzen. Holz macht uns hier unmissverständlich klar: es geht um die Kontur, das kurzzeitig Belichtete. Auch dann, wenn es weniger angenehm riecht, denn: Wenn die Müllabfuhr kommt, sollte der Sack auf der Straße stehn.

  2. Hängen nicht laufen lassen – wer die Kommaregel beherrscht, ist eindeutig im Vorteil. Denn Alex‘ familiärer Hintergrund ist sicher nicht ausschließlich für sein Bildungsniveau zuständig…

  3. ist das ihr ernst, faron bebt? dieses ewig kränkliche. das nimmt der erzählung den flotten rhythmus, die gallopierende erotik. ich frage sie, warum das.

  4. mit 1 klick hat Er sich doch verraten. es wäre zu schön, wenn sich der autor, sollte er nach all den kommentaren nicht zu verkniffen sein und das ganze allzu ernst nehmen, selbst einmal zur intention seines textes äußern würde. mein kritikpunkt ist nämlich der, das seine intention nicht aufscheint(in stilvoller weise zu einem quantum…). denn dieses quantum klarheit würde uns helfen, endlich am wochenende mal nicht mehr zwanghaftkommentieren zu müssen, sondern endlich die küchefertigstreichen zukönnen.

  5. Wahrscheinlich studiert der Autor am deutschen Literaturinstitut…

    und der Vergleich von euch mit dem Ballon hat mir ganz gut gefallen. Mir sind die texte auch etwas zu aufgeblasen.

  6. nicht mehr. auch seine zeit als pr-agent für *** ist nun vorbei. da seine drei kinder immer noch nicht alle lesen können, sieht er sich trotz spürbaren fort schritts in der politik genötigt, die sache selbst

  7. (Behältnis) Ein Behälter ist ein Gegenstand, der in seinem Inneren einen Hohlraum aufweist, der insbesondere dem Zweck dient, seinen Inhalt von seiner Umwelt zu trennen. Ein Gefäß ist ein Gerät mit einer steifen und starren Hülle, die einen Inhalt unterschiedlicher Konsistenz fassen kann. ..

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