grasnacht schneidet den himmel das größere stück gehört dir im geäst vogelmenschen im gefieder stimmen die sprache hat die amsel verlassen singen jetzt im garten dämonen jeden tag lege ich futter aus und fallen die vogelmenschen beobachten mich um das haus schleichen leoparden
late nite am abend das update vom häuserkampf von holzschnitt zu holzschnitt nur die pixel sind echt und das blut am hemd des kameramanns digital sterben ist dasselbe wie analog du kannst nicht wegzippen an den ufern mäanders gehst du ins landesinnere
in die hand gelesen die linien deiner handinnenflächen sind wie ein netz aus geleisen einmal fährt dein zug durch eine flusslandschaft weiter in abschiedsebenen und zu fernen heimwehbergen ein anderes mal durch einen verschneiten märchenwald aus dem dich der ruf eines eichelhähers weckt in der schlafmohnlinie kauern zwei kleine nacktschnecken
ithaka in die augen ziehen berge eine ganze herde ihre hufe donnern über das gras in die augen ziehen wälder ein verschneites geäst aus überlandleitungen verzweigt sich über die felder wie stämme stehen die masten auf lichtungen legen sich deine hände von irgendwo stimmen schatten und gesichter du sprichst mit den eulen über die haut ziehen pferde kondensstreifen teilen den himmel in verschiedene königreiche von fern das schlagen des windes
schwimmerin blau trochitenkalke strecken ihre stielglieder einem wellengebirge entgegen ein meer ist ein himmel in quallenden gewändern fliegen rochen stille entgegen ruhen in schlammigem boden stimmen aus anderen himmeln anderen gebirgen meeren von fischen durchpflügt und armen
personenbezogene daten atem meine haut frisst mich auf wiegen sich fische in einer hand treiben unschuldsvermutungen über arme und schultern das weiße an einem hals fängt an zu sprechen sagt ein schmerz gleitet mit deiner stimme in ein vergessen zum mund geführt ein becher und ein aurorafalter tastet auf deinen lippen gift
sommerfahrt hinter dem zugfenster flieht landschaft vor meinem blick verschwimmen im angelaufenen atem wald und vögel alle zurück gelassenen himmel meiner mitreisenden ein aurorafalter steht still in der sommerluft schleichen berglöwen durch die gänge und abteile hockt prinz eisenherz in einer ecke und liest gedichte in der ferne das pfeifen eines anderen zuges
gefügekunde das traurige im blick von zoogorillas kopfüber in die stille zu den hautflüglern sagen die amseln am ende eines langen frühjahrs streifen durch eine schneenacht unbedacht einzelne stimmen wie der tagbruch von schiefern und gneisen gefügerelikte früherer gebirgsbildungen haben einen genauen plan wie die flügel von insekten und vögel im streulicht eines morgens oder die sich verändernde haut von echsen und raubtieren bringst du die ordnung der sprache in anarchie hautflügler und amseln sage ich dir schärfen die sinne
freizeitpark künstlich ist die welt geworden mit gras- und buschland hinter ebenen märchenwälder schneeberge im gleißenden sonnenlicht teilen kondensstreifen den himmel in hoheitsgebiete verschiedener könige sitzen prinzessinnen und prinzen in flugzeugen auf dem weg in einen neuen süden unter ihnen ganz klein überlandleitungen nur wäsche fehlt darauf das wäre ein richtiger spaß flusslandschaften ziehen durch regenwälder ein rudel berggorillas und waldelefanten grüßen hinauf und in der nacht breiten sich lichter von metropolregionen wie ein sternenhimmel über dem boden aus unten ist oben und oben erlassen könige neue gesetze und strafen fernsehshows quizsendungen und ein weltweites netz mit freundschaften sozialen kontakten stimmlosen gesprächen lachender gesichter über kleine bildschirme große datenbanken und krankheiten scheinen verschwunden vergessen verbannt in ferne reiseziele warten fremde viren krebs lepra und pest wenn ich nachts in wachträumen bei dir liege und das leopardenmuster auf deiner haut nachfahre mit den augen fragst du wohin wir auswandern werden wenn der distelfalter den schmetterlingsflieder wieder verlässt
adelante auf einem marktplatz im süden schweben stimmen ein wie tauben sitzen leute in cafés und lesen gedichte hinter der säule des brunnens singt einer arbeiterlieder der zeiger der kirchturmuhr bleibt stehen auf der stunde des kampfes ziehen worte durch die nacht von straße zu straße mit frauen mädchen und jungen burschen ganz nah ruft das meer aus seiner einsamkeit kehren wellen und möwen zurück an den strand und barken mit toten darin
nighthawks reloaded ankara – istanbul in die schneenacht einer stadt legen sich gesichter und stimmen mit adonisfaltern und jungen mädchen zwischen scheinwerfer von autos bäume mit zwei drei quadratmeter erde schmecken unsere küsse nach himmel und süden und frühjahr mit berganemonen nach abschied über nassem asphalt blitzen elektrische lichtbögen aus den oberleitungen der tram uns mitten ins herz du gehst langsam durch diese nacht der schnee ist dein brautkleid wie tausend sonnen leuchtet dein antlitz bis unsere hände sich trennen hinter dem lokschuppen und die straßen im morgengrauen verschwimmen
ihre kinder essen salzstangen und lügen zwischen häuserzeilen lesen männer in orange papier auf müll und andere opfergaben keine frauen gehen über straßen silberreiher fliegen über ihren köpfen autos in blau und mauersegler nur ein ulmen-harlekin weiß noch nicht wohin
vorabend ukraine über den download eines bergahornwaldes zieht ein schwarm stare ein gebirge aufgeworfen zu falten tritt zutage das sanfte in schiefern und gneisen die lügen der eltern über den krieg im upload des tages flugbilder von hautflüglern schreiben gesichter in den himmel liest du fratzen heraus schattenwürfe von tragflächen auf menschen echsen und schnee
ohne titel schreie in meinem rücken ein raubtier reißt fleisch mikrosilber auf meiner haut neben nierenrinde dem gedicht fehlen flügel beine arme und ein auge zu einem mensch ein mund und ein ohr zu einem tier eine hirnanhangdrüse zu einem baum in diese tage aus weichselholz lassen stimmen die beskiden fallen entlegene täler fern von allen eisen- und autobahnen von jedem meer nur zwei tagesreisen weit ein meerauge in diesem binnenland tragen góralen an ihren hüten muschelschalen im rücken ein schlafender ritter wacht über einen untergegangenen himmel du legst dich zu ihm
zeitvertreib sukkulententage und –nächte stehen spalier lange schaue ich kranichen nach bis ich nur noch schneeberge sehe rote autos passieren elektrische felder himmelwärts eine getriebene du dürstend nach einem ende ohne verglühen einer sonne ein mond lacht über so viel einfalt
nibelungen unter linden liegen überlandleitungen und gebrochene schallmauern und das sollen die hellsten tage sein an denen man schon zum abendessen licht braucht eine nehrung ein haff und ein bernsteinfarbenes meer der tag ist nichts wert über elektrischen feldern schwärmen schillerfalter in der ferne rollende waggons flugzeuge heulen andrzej ist fort und jacek tot ma?gorzata weint schon lange nicht mehr wir schneiden weidenruten und aus dem knochen eines hühnerbeins schnitzen wir eine flöte
initiation am lautesten ist jacek und ma?gorzata schläft leitplanken sind wie die banden eines billardtisches klacken kugeln bei jedem stoß zittert weißes gefieder du spannst dein haar zwischen masten zu einem netz aus erinnerungen wir teilen den schatten eines silberreihers unter uns auf die felder neben der autobahn sind elektrisch vorbei ziehen fahrendes volk und navigierende stimmen zurück bleiben kehllaute als ma?gorzata erwacht wird jacek still
amphitrite segel gesetzt fährt ein schiff auf und ab in einem wellengebirge versteinerte muscheln im schlepptau am grund tone und mergel seeweibslieder ahoi blühen seerosen und –lilien rauh ist das meer und klüftig wie kalkstein schönheit hat etwas zu tun mit unkraut jäten in gedichten und am meeresgrund deine stimme verrät es wie ein seebeben wachsen korallen bäume nur langsamer tauchen wir durch kaltwasserfronten auf schuppigem gefieder
urknall hypothesen zu blütenstaub zerfallen stimmen aus weltenräumen kommen apollofalter und saugen zwischen planeten und sternen lyrische partikel über flügel von mauerseglern hat sich himmel ergossen langsam tropfen verse um verse auf meinen balkon gehen weiße schuhe neben mir her durch ein land aus wünschen und schnee weiter in ein land der amseln dort sprechen gedichte mit mir
tagebucheintrag „kierling, 3. juni 1924“ gestrichen eine dohle atmet nicht mehr über ihr gefieder legen sich laub und verse an einen fluss fliegt sie im winter in eine goldene stadt frisst käferlarven knacken flügel im frost geht eine frau über eine brücke auf der anderen seite stimmen wie hufedonnern von büffelherden über prairiegras tauchen zerfledderte kondensstreifen in abendrot blicke und bekannte gesichter eine dohle atmet nicht mehr über ihr gefieder legen sich laub und verse an einen fluss fliegt sie im winter in eine goldene stadt
Habe einen ähnlichen Text von dir schon auf KV gelesen und damals schon überlegt, ob ich kommentiere oder nicht. Einerseits mag ich die Atmosphäre, die von deinen Worten ausgeht. Sie bleibt immer gelassen, selbst wenn zwischen Gebirgslandschaften und Faltern oder Leoparden das Chaos ausbricht. Auf der anderen Seite kommen die Zeilen mit Versunterteilungen bei mir als Leser intensiver an. In dieser Form mache ich sie mir selbst zu atemlos, husche vorbei, nehme weniger auf. Sie wirken wie aufeinandergetürmtes Leben, wogegen die Versform Pausen, leere Flächen bietet. Als Gedichtszyklus wäre der Text eingänglicher gewesen. Trotzdem gern gelesen.
Danke liebe Sigune für Deinen Komm. Ein ernstzunehmender und zum Teil sicher berechtigter Einwand, den Du hier vorbringst. Die Versform bietet dem Leser Pausen zum Atmen an. Und Du hast recht, dass Du ähnliches in Versform schon gelesen hast. Hier im AUGUST habe ich tatsächlich einzelne Gedichte in Versform (natürlich ohne Satzzeichen und alles in Kleinschreibung wie bei mir in Gedichten üblich) nachträglich zu reinen Fließtexten, einer Art Lyrischer Prosa oder einem Prosagedicht, umgewandelt und die einzelnen Stücke / Gedichte in eine Reihenfolge zusammengebracht, geordnet / gruppiert, wenn Du so willst. Es war ein Experiment, ein Versuch. Irgendwie habtte ich das Gefühl, dass die Gedichte, alle im August 2014 geschrieben (daher der Titel), zusammengehören, inhaltlich, formal vielleicht auch. So erklären sich auch Wiederholungen von Motiven. Aber es ist auch eine Phase, dass ich dieselben oder verwandte Motive in verschiedenen Gedichte ausprobiere über einen Zeitraum und schaue, ob, und wenn ja, was dabei heraus kommt. Einzelne der Gedichte hatte ich als reine Einzelgedichte, für sich stehend, eigentlich schon verworfen und zum Ausschuss beiseite gelegt. Der vorliegende AUGUST stellt somit eine Zweitverwertung dar, die aber in ihrer Neuordnung und Neuform, quasi ein bisschen wie eine Collage, auch wieder ein neues Original ergibt (hoffe ich), eben eine Lyrische Prosa oder ein Prosagedicht, primär nicht als solche geschrieben. Danke Dir nochmals sehr. Und melde Dich gerne bei mir oder in kV, dann können wir literarisch weiter in Kontakt bleiben und uns austauschen. Herzliche Grüße, werner