Unverhofft [3]
Wir trafen uns auf dem Bahnsteig. Du hättest mich nicht erkannt. Als Teil hektischer Menschenströme eilten wir aufeinander zu, und als du unwillkürlich den gesenkten Blick hobst und unsere Augen sich begegneten, nickte ich dir als Teil eines ausladenden Lächelns zu.
Du bliebst stehen. An die kurzen, bedeutungslosen Worte dieser Begegnung vermag ich mich nicht zu erinnern. Du warst auf dem Weg zu einer zeitfüllenden Arbeit, ich sorgte mich um meine kranke Mutter, zu einer anderen Jahreszeit wären wir wohl einfach aneinander vorbeigelaufen. Wir verabredeten uns für den Abend desselben Tages.
Du hast mich mit Krankheit beschenkt
Als ich 20 Jahr alt war
Ich trug das Kleid meiner Mutter
Mit applizierten Taschen,
Mini, im Stil der Sechziger.
Langes glattes Haar über den Schultern,
Kunstseidenes Mädchen,
Weiße Plastikknöpfe
auf lachsrosa Dekoplissee
Las später Malarmee
Und ließ mich auch „Oma“ nennen.
Als die Journalistin Dich fragte, ob das wahr sei,
dass Du ernstlich erkrankt warst,
nahe dem Tod,
hast Du ihr ausweichend geantwortet —.
Du konntest es nicht kaschieren,
auch nicht
vor mir.
Einen Brief schrieb ich Dir, später, noch, ich glaube,
ich faltete den Umschlag aus einer Seite
der „Brigitte“
Mit der Werbung für „Clandestine“.
Comment by crysantheme — 1. Juni 2008 @ 13:00
Die Zeit nimmt mir den Stolz nicht ! – Deine Gedanken sind meine Freiheit. Heute als Mensch verkleidet, aber sei nicht sauer. Hauptsache gesund.
Comment by AR — 1. April 2020 @ 20:04