Unverhofft [3]

Wir trafen uns auf dem Bahnsteig. Du hättest mich nicht erkannt. Als Teil hektischer Menschenströme eilten wir aufeinander zu, und als du unwillkürlich den gesenkten Blick hobst und unsere Augen sich begegneten, nickte ich dir als Teil eines ausladenden Lächelns zu.

Du bliebst stehen. An die kurzen, bedeutungslosen Worte dieser Begegnung vermag ich mich nicht zu erinnern. Du warst auf dem Weg zu einer zeitfüllenden Arbeit, ich sorgte mich um meine kranke Mutter, zu einer anderen Jahreszeit wären wir wohl einfach aneinander vorbeigelaufen. Wir verabredeten uns für den Abend desselben Tages.

Zhenja
Künstlername des aus Südrußland stammenden Dichters Jewgeni Sacharow; hob unter nickname Zhenja 2007 gemeinsam mit Gesche Blume und Viktor Kalinke den literarischen Blog www.inskriptionen.de aus der Taufe. Das seit 2009 verwendete Pseudonym stand dabei zunächst Pate für eine Reihe von Versuchen, sich zugleich die Bild- und Klangsprache des 1922 verstorbenen futuristischen Dichters Viktor Vladimirovic Chlebnikov und die Ausdrucksmöglichkeiten des Deutschen als literarischer Nichtmuttersprache zu eigen zu machen. Zunehmende Vermischung eigener Sprachschöpfungsprozesse mit dem Ideenfundus des russischen Avantgardisten bis zur „non-rem-fusion“. Sacharow lebt und arbeitet seit 2008 als Garderobier und freischaffender Autor in Frankfurt am Main. Projekt der beiden in Deutschland ansässigen russischen Dichter Jewgeni Sacharow und Sascha Perow, „Brüder im Namen“. Jewgeni beschäftigt sich seit 1990 mit Drama in - wie er es nennt - Außenprojekten, ich dagegen (Perow) versuche mich gelegentlich an Übersetzungen aus dem Russischen; mein Ziel: Erschaffung eines neuen Dialekts der Weltpoesie, der „Sternensprache“. Wichtig war für unser Inskriptionen-Doppelleben die Begegnung mit der deutschen Dichterin Hanna Fleiss im Winter 2012 in Berlin.

2 Kommentare

  1. Du hast mich mit Krankheit beschenkt
    Als ich 20 Jahr alt war
    Ich trug das Kleid meiner Mutter
    Mit applizierten Taschen,
    Mini, im Stil der Sechziger.
    Langes glattes Haar über den Schultern,
    Kunstseidenes Mädchen,
    Weiße Plastikknöpfe
    auf lachsrosa Dekoplissee
    Las später Malarmee
    Und ließ mich auch „Oma“ nennen.
    Als die Journalistin Dich fragte, ob das wahr sei,
    dass Du ernstlich erkrankt warst,
    nahe dem Tod,
    hast Du ihr ausweichend geantwortet —.
    Du konntest es nicht kaschieren,
    auch nicht
    vor mir.
    Einen Brief schrieb ich Dir, später, noch, ich glaube,
    ich faltete den Umschlag aus einer Seite
    der „Brigitte“
    Mit der Werbung für „Clandestine“.

  2. Die Zeit nimmt mir den Stolz nicht ! – Deine Gedanken sind meine Freiheit. Heute als Mensch verkleidet, aber sei nicht sauer. Hauptsache gesund.

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