„Jeder Künstler ist doch irgendwie krank, das ist wie …“ Esther sah im Halbdunkel an sich herunter und schluckte. Ihr Hals war dick geschwollen.
„Ach, du immer mit deinen Scheiß Tbc-Krankheiten.“
Gesine drückte ihre Zigarette am Laternenpfahl aus und hinterließ eine Aschespur auf dem Metall.
Als Esther um viertel nach sieben das Foyer mit der goldenen Kugel betrat, war Gesine noch nicht da. Esther hatte lange Toilette gemacht, ihr Baumwollkleid mit dem William Morris-Muster angezogen (Seide ging nicht, der Raupen wegen), türkis, schwarz und smaragdgrün, und dazu ihre Sanduhrfigur! Das Fasten war ihr gut bekommen. Sie hustete. Jetzt noch ein Fläschchen Opium eingepackt, und es konnte losgehen. Wollmantel mit Taille drüber, der Form wegen. Der Schal um ihren Hals war dunkelviolett. Theater mit Gesine, das bedeutete, heimlich Sekt in der Vorstellung, dritter Rang, ganz hinten, mit Fernglas ausgestattet. Gesines böse Sprüche über die Provinz und ihre eigenen, ironischen Steilvorlagen würden das Ganze versüßen. Für einen Moment vergaß sie, wie matt sie sich fühlte. Aber das stand ihr: Dieses Fieberleuchten auf den Wangen. Gesine würde begeistert sein.
Dass sich die beiden Männer im Theater befanden, damit hatte Esther gerechnet. Aber sie hatte nicht damit gerechnet, dass sie ihre Loge verlassen und zu Gesine und Esther in den 3. Rang wechseln würden. Vyvyan setzte sich gleich neben sie und kam ihr gefährlich nahe. Auf der Bühne schleppte sich das Stück. Udolf zum Beispiel, Udolf wäre längt gegangen. Eduard und Vyvyan hingegen packten ihr Zeichenzeug aus und fingen an zu kritzeln. Eduards Schal roch nach Mann, und Vyvyans Haare dufteten nach Vetiver. Gesines helle Locken hatten Zitronenaroma. Von drei Personen auf solch eine Art bedrängt, musste sie ihre Beine zusammenhalten.
(Forsetzung: nicht geplant).