Den Nationalismus zu überwinden, gehörte schon zu Marx‘ und Engels‘ Zeiten zu den Herausforderungen, vor denen die Arbeiterbewegung stand. Solange die Arbeiter auf ihre Landesgrenzen, Sprachen und heimischen Gewohnheiten begrenzt waren, drohte der internationalen Bourgeoisie keine Gefahr. Denn mit der Entdeckung des Seewegs nach Indien, der „Entdeckung“ Amerikas, Australiens und Neuseelands hatte die Unternehmerklasse schon lange vor der „Internationale“ die supranationale, grenzüberschreitende, globale Ausbeutung der Ressourcen dieses Planeten für sich gebucht. Mag es zu Beginn der Renaissance die Gier umd Suche nach Gold gewesen sein, die Europäer schiffsladungsweise hinaus in die Welt trieb. Spätestens ab Mitte des 19. Jahrhunderts war es das Petrolfieber, das die Roggenfelder & Co. aus dem lieblichen Sauerland hinauslockte ins lukrative Abenteuer. Der Kapitalismus hatte sich bereits lange, bevor die Arbeiter Klassenbewußtsein erlangten, internationalisiert und die Globalisierung eingeläutet – wir haben es mit einem Phänomen der Neuzeit zu tun, nicht erst des 20. oder 21. Jahrhunderts, wie uns manche weismachen wollen. Während sich die internationale Arbeiterbewegung schon bei ihrer ersten Feuerprobe – dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges 1914 – von ihren biedermeierlichen Monarchen in einen nationalistischen Taumel hineinziehen ließ und sich in Stellungskriegen gegenseitig abschlachtete – erhielten die Produzenten, die Rohstoff-, Energie- und ja sogar die Waffenproduzenten, ihre globale Vernetzung am Laufen und lieferten an jeden, der bestellte, unabhängig von Nationalität oder Religionszugehörigkeit.
Es gibt Bücher, deren Lektüre trotz ihres fortschreitenden Alters immer wieder und gewissermaßen auch in immer gesteigertem Maße lohnenswert erscheint. Neben klassisch-chinesischen Werken zählen dazu ganz sicher die vier Evangelien der christlichen Bibel und Marxens Kapital. Hängt die Möglichkeit eines Verstehens bei ersteren beiden meiner Erfahrung nach stark an der Art der Übersetzung, sind sprachkompetente Deutsch-Leser mit letzterem Buch wegen der Möglichkeit eines direkten Zugangs eindeutig im Vorteil.
Allerdings: ein philosophisches Geschichtsbuch will nicht linear gelesen werden, weil es so nicht verständlich werden kann; der doppelte Zugang über die Sache und die Geschichte ihrer Sachwerdung ist gewissermaßen eine Pflicht ernsthafter Lektüre – im vorliegenden Fall mit dem doppelten Start in den Kapiteln I und XXIV.