Tief in dich tauchend, gedenkst du wirklich zu sein? Unter all diesen sozialen Perücken, emotionalen Häuten, logischen Knochen, moralischen Organen: Was ist der Kern aller idealistischen, progressiven Gedanken, aller tiefenpsychologisch genährten, abgeklärt austherapierten und nie kopierten Sehnsüchte? Welcher Bewußtseinsschleier verhüllt deine gehetzte, versetzte, verletzte, mit Narbgewebe umnetzte Seele – selbst vor dir?
Lebenswunder, schenke Sommerlicht für immer den Blassen,
leih‘ Durstigen den Schatten sanfter Himmelsschwingen;
der Dunkelheit spende geheimnisvolle Musik
und verspielte Berührungen den Hoffnungsvollen –
Lebenswunder, in deiner Mitte sei Frieden den Getriebenen,
Hochzeit aller Jubel und Freuden den Fröhlichen,
jenen, die fürs Suchen schwelgen ein unlösbares Rätsel.
Der Reiher erhebt sich über den Fluss und landet inmitten des angenehm weitläufig gestaffelten Uferwaldes auf einem, mit gelben Blüten gesprenkelten Baum, der sonnige Tage am Wasser mit Liebe beschattet und lauen Nächten an seinem Stamm Flecken beschert, an denen, abgetrieben vom tückischen Strome der Zeit, Einsamkeit anlandet und vergeht.
Versinke verloren in die Töne verstört verschlungener Träume, Anasthasia,
gehauchte Fragen streichelnd, tanze nebelhaft um deine Wünsche,
bette dich dann darin und schlafe unter der grünen Kuppel bis, Anasthasia,
deine Leidenschaft wieder erwacht.
Am Abend, Liebste, wenn jasmingetränkte Nachtluft deiner Nase schmeichelt,
Augen feuergetauft lodern und feinste Härchen deiner seidenen Haut aufwarten,
sei gewiss, verfalle ich, vergessen lächelnd, dir entgegen.
Ja, die Sommerhitze hat schon so manchem arg zugesetzt. Schwül, klebrig, alles belastend – so empfindet der menschliche Organismus bereits nach wenigen Tagen die konstanten Temperaturen über 27 Grad. Noch dazu, wenn es sich des Nachts nicht abkühlt. Der Tricks gibt es viele: feuchte Bettlaken im Schlafzimmer, natürlich die obligatorische kühle Dusche, lauwarme Getränke und Vermeiden der Lichtstrahlen. Wenn es dann doch passiert ist, also Klärchen uns, dir, mir den Bregen verbrannt hat…mmmh, dann hinlegen. Nicht schreiben!
#metoo
Eine Hymne auf eine bregenverdampfende Reise! Beispiele: tanze nebelhaft, Augen feuergetauft (also da war noch Gras – also DAS Gras, das aus Amsterdam – mit im Spiel…oder eine fehlende Sonnenbrille) und natürlich der verhüllte Bewußtseinsschleier. Ach, was waren das für schöne Zeiten! Das Gefühl kommt nicht wieder, NIE, da kannste noch soviel kiffen wie du willst. Vorbei. Farewell, Anasthasia.
Der Track ‚Anasthasia‘ vom zweiten Deep Forest-Album Bohême https://www.youtube.com/watch?v=yLhYrBNWzDY inspirierte das Schreiben, interessanterweise zeigt das Cover (das mir während des Hörens auf einem anderen Medium beim Verfassen noch unbekannt war) eine ähnliche Landschaft, wie ich sie, wenngleich aufgrund der sommerlichen Temperaturen etwas südlicher verortet, imaginierte. Der Kontext Musik / Text – und das versuche ich in allen Beiträgen auf die eine oder andere Weise zu beherzigen – trägt meiner Ansicht elementar zur Empfindung eines Gedankenbildes bei. Was ist Lyrik ohne Lyra, was sind Psalme ohne Gesang?
Fluch der Wiederkehr? Nein, tatsächlich Flucht und Wiederkehr — Flucht aus dem Alltag einerseits, also alljenem was abstumpft – einem Alltag, dessen verführerischste und zugleich auch morbideste Errungenschaft allem Anschein nach darin besteht, sich in Zynik zu ergehen – und der Wiederkehr andererseits, der Widerkehr hin zu dem Punkt, an welchem das Individuum nicht nur mit dem Leben, seinen Handlungen und auch Fehlern ins Reine kommt, sondern jenseits verlogen-verzweifelter, verloren-vereinzelter Alltäglichkeit der Welt noch ein Lächeln zu schenken vermag, bei dem sich die Lippen nicht leicht verbissen verziehen.
Dafür steht hier die tanzende, die schlafende Anasthasia, der Fluss, ein Baum mit gelben Blüten und ein Bewunderer.
…oder müsste es nicht „Fluch der Wiederkehr“ heißen?