Da fliegen die Motten jetzt hin

Was aber bringt die Motten, nachdem sie hingeflogen sind, wieder zurück? Eine große Frage, die hochkant im Raum steht – ganz wie der Kran vor Ihrem Fenster. Sicher sind Sie schon eine Weile unruhig in Ihrem Schlafzimmer hin- und hergepantert (im Gegensatz zu Max Goldt prokrastinieren Sie aber nicht), schon die dritte Nacht lässt Sie vor Helligkeit nicht in den erholsamen Sonntagsschlaf finden, der doch so wichtig für die sensible Schreiberseele zu sein scheint. Sie sind ausnehmend produktiv, was mir wie Manie erscheint, angesichts der Bühnenbeleuchtung, die in ihrem Schlafzimmer herrscht. Sie reißen, im Gefühl, endlich handeln zu müssen, in einer wahnwitzigen Bewegung den Vorhang zur Seite. Dass Sie erneut „Steinerle Bau“ lesen, macht Ihnen ein Gefühl in Augen und Hirn, als hätten Sie beides an die nächstgelegene Steckdose angeschlossen. Sie befürchten, durchzudrehen, mit panisch aufgerissenen Augen betrachten Sie den Fortgang des literarischen Mainstream. Der Notarzt ist weit, das Telephon auch. Sie sind ein wandeldes, panterndes Standbild, ein Paradox im künstlichen und künstlich hellen Mondenschein. Dass dieser nun auf Ihr Gesicht leuchtet, erleichtert die Situation nicht. Es treibt Sie beharrlich in den Wahnsinn. Da fliegen die Motten jetzt hin, denken Sie, da fliegen sie hin, sie fliegen hin, hin, hin, und wieder hin, da fliegen die Motten jetzt hin. Die braune Mehlmotte zuerst. Dann die graue Seidenmotte, die steinfarbene Kleidermotte, alle sind sie wiedergekommen wegen „Steinerle Bau“. In endloser Kreisbewegung, in der es nur ein Karussel, Karussel, aber kein Hin oder Zurück gibt. Zurück, denken Sie, ja dann wären sie ja wieder bei mir im Schlafzimmer. In der Kleidung. In meinem Mehl. Mein Mehl, mein Haus mit Garten. Auto auch. Selbst der Sitz aus Leder hat kleine Löcher.

2 Kommentare

  1. Wollen Sie damit indirekt sagen, Prosa sei keine Musik? Vor allem, nicht MEINE Prosa? Fliegen die Motten in meine Prosa. Wohin denn auch sonst, Auto, Haus, Garten, Kleidung… gehören mir nicht. Wohl aber die Prosa. Darauf bestehe ich! Und nun gebe ich sie freiwillig her. Bekomme sogleich einen Kommentar. Eine Tüte voll Motten. Da muss ich reinblasen, nicht, um Promille zu messen (die mir gar nicht gehören und die bei mir Null wären), sondern zum Dank und zur Feier. MIR zur Feier! Auch komme ich gerade aus einem dunklen Schlafzimmer.

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