Über die Ästhetik der Volksverbundenheit in einer schriftlosen Kultur

1. Gedichte müssen leicht verständlich sein. Wünschenswert ist der Reim, ein Gleichklang in Verbindung mit einem – festen – Metrum immer an der gleichen Stelle.

2. Gedichte müssen auswendig gelernt werden. Wünschenswert wäre ein entweder erbaulicher oder moralischer – d.h. an sich wertvoller – Inhalt.

3. Gedichtbücher müssen dem potenzielllen Leser und seinem Stellvertreter in der bürgerlichen Gesellschaft – dem Käufer – immer auf Augenhöhe begegnen. Es darf sich also weder um Bückware noch um Deckenabstützungen – etwa in eingerüsteten Innenräumen – handeln.

* * *

Anm.

Hier ist nun der Ort, den Humischen Zweifel aus dem Grunde zu heben. Er behauptete mit Recht: daß wir die Möglichkeit der Kausalität, d.i. der Beziehung des Daseins eines Dinges auf das Dasein von irgend etwas anderem, was durch jenes notwendig gesetzt werde, durch Vernunft auf keine Weise einsehen. Ich setze noch hinzu, daß wir ebenso wenig den Begriff der Subsistenz, d.i. der Notwendigkeit, darin einsehen, daß dem Dasein der Dinge ein Subjekt zum Grunde liege, das selbst kein Prädikat von irgend einem anderen Dinge sein könne, ja sogar, daß wir uns keinen Begriff von der Möglichkeit eines solchen Dinges machen können

gez.  Thomas? Berhhard??

Kraba vel Jop
Inhaber einer E-mailadresse, juristische Person. Owner of Agency for Literary Promotion (alp), in den 80er Jahren zufällig Zeuge einer Festnahme im Frankfurter Stadtteil Bornheim, seitdem Mitarbeit bei Literaturprojekten (Sklaven/Sklavenaufstand, lose blätter, Zündblättchen u.ä.) ohne kommerzielles Interesse.

3 Kommentare

  1. Was ist denn ein Humischer Zweifel? Abgeleitet von Hume? Na, der ist nicht nun gerade der für die Literatur Zuständige gewesen.

    Und deine Positionen 1-2 platzen vor methusalembärtiger Überlebtheit bald aus den Nähten. Gedichte müssen eben nicht „leicht verständlich“, sondern nur nach intensivem Lesen verständlich, was aber nicht unverständlich heißt, um die Dinge, die beim ersten Lesen übersehen werden, wirklich aufnehmen zu können und das Anliegen des Gedichtes überhaupt zu verstehen. Wünschenswert ist auch nicht nur der Reim. Mindestens seit Klopstock sind die freien Rhythmen in die deutsche Lyrik eingegangen, haben sich etabliert und stehen gleichwertig neben dem gereimten Gedicht. Was ihrer Volksverbundenheit keinerlei Abbruch tun muss, und sie tun es auch nicht.

    Was das Auswendiglernen angeht, so erinnert mich dieser Satz an die wilhelminische 4-Klassen-Schule, als das Auswendiglernen neben dem Stock die einzige Zuchtrute der ungebildeten Lehrer war. Es ist natürlich sehr schön, wenn man auf Anhieb ein Dichterwort parat hat, man gilt dann als „gebildet“, auch wenn man es falsch gebraucht, und sagt sich: Ätsch, da kuckt ihr doof aus der Wäsche! Wobei natürlich das gereimte Gedicht das Auswendiglernen mehr unterstützt als das ungereimte.

    Den dritten Punkt kann ich nur unterstützen, aber dass gerade Gedichtbände ein Mauerblümchen- oder gar kein Dasein in den Buchhandlungen führen, liegt auch oftmals an den Gedichten selbst, meist aber, weil die Namen der Lyriker weitgehend unbekannt sind. Goethe, Brecht, Schiller, Kästner – die kennt man und greift vielleicht schon mal zu einem Band, aber frag mal am Tresen nach Gedichten von Elvira Schulze-Eigendörfer. Ich denke, diese Frage ist noch nie gestellt worden.

    Gruß, Antigone

  2. Sehr geehrte Leserin, offenbar sind Sie nicht in einer schriftlosen kulturellen Umgebung aufgewachsen. Dennoch oder gerade deshalb sehen Sie sich als Interessenvertreter derer, denen es widerfuhr. Damit outen Sie sich – ungewollt – als Bürger des 18. Jahrhunderts. Aufklärerin. Aber bitte erklären Sie sich (bitte nicht mir…) wie Sie angesichts der kulturellen Differenz und ihrer eigenen Art der Phanthasie [losigkeit?! – vielleicht ist es ja auch nur der gewöhnliche kindliche Egozentrismus, den wir alle in bzw. an uns haben] gerade die Interessen derer wahrnehmen, gar vertreten wollen, die Sie offenbar gar nicht – in einer nicht oberflächlichen Weise – zu verstehen in der Lage sind.

    Kurz: Sie haben einen scharfen Verstand, aber diesen noch nicht durchschaut. Sie nehmen ihn wichtiger, als er ist. [Bsp.: Sie sagen dauernd „Lyrik“ oder „lyrisch“ – ohne zu merken, dass diese Kategorien seit mindestens 100 Jahren jedem halbwegs wohlmissratenen Schreiberling knapp an der Hutschnur vorbeigehen. Dudu, mein dada…] Und wollen doch anderen hier vorschreiben, wie im Allgemeinen (!) DIE Urteilskraft zu benutzen sei. Dodo! Bleib lebendig, das reichte voll und ganz.

    Noch kürzer: Lassen Sie uns über das Problem ästhetischer Urteile reden. [Hatte denn Hegel, der Vater aller marxistischen Ästhetik, überhaupt eine eigene Urteilslehre? Mir scheint – ja. Aber die ist wohl, wenn überhaupt verstehbar, ganz sicher nicht l e i c h t zu verstehen.]

    Kürzest: Muten Sie mir bitte keine Gespräche zu, die hinter das historisch einmal erreichte Niveau des interesselosen Wohlgefallens zurückfallen.

    P.S. Wer einmal die Wurzel aus einer Lüge im Quadrat gezogen hat, weiß mit dem Absolutbetrag des Weder-Wahren-noch-Guten intuitiv sicher umzugehen

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