Archipel der Anarchie

Ouvertüre – Was, wenn die Revolution zum Mythos wird?

Was bleibt einem von der Welt, wenn der Hunger eine neue gebiert?
Wo steht der Mensch heute;
und, was noch viel wichtiger ist;
was verlangt er uns, den alt und spröd gewordenen Geistern noch alles ab?
§ 1
Der Mensch will weder sterben, noch leiden,
aber er erträgt das Leben dennoch nicht,
verdammt zu Unrast und Unleben.
§ 2
Sieg dem siegreichen Untod, triumphierend über die Zeit.
Ich sehe wie das aufgedunsene Gehabe
jener grotesken Antagonisten stolz auf den
Promenaden im Schein der allzu festlichen Gesten zirkuliert,
die sich ihm niederwerfenden Massen verschlingend.
§ 3
So stellt man mich erneut auf eine Probe dem Kapital den Kampf anzusagen,
jenem Götzen der Pestilenz, um den sich der Plebs drängt,
lechzend nach der Wärme des ersten aller Feuer.
§ 4
Ich bin es leid am Weltschmerz zu vergehen,
will aufwachen aus diesem grässlichen Traum,
dieser perversen Proklamation einer für beendet gehaltenen Welt,
die sich selbst von der eigenen Vernichtung abhält,
die Wahrheit mit einer Lüge nach der anderen verschleiert.
Wie also brechen den Bann?
Rammt euch die Messer zwischen die weichen Knochen,
in die feisten Bäuche und schwingt euch empor zu den Sternen,
denn euch wurde alles genommen, außer die Gewissheit einsam zu sein.
§ 5
Ebenso viel habe ich für seine Apostel übrig,
Apologeten einer apathischen Apartheid
mit Sinn für den wohl größten Frevel meiner Zeit;
Kurzsichtigkeit.
Denn wenn er kommt,
der Krieg aller gegen alle,
gibt es keine Rückschau mehr.
§ 6
Welch‘ ein Hundesystem, sich selbst Wohlfahrt schimpfend.
Ich bin es leid zu produzieren und zu konsumieren.
Produktion und Konsum sind untrennbar verflochten.
So spinnt die Traumspinne ihren Faden um die scheidende Vernunft;
zieht die Schlinge stramm und führt uns am Seidenstrang in die Unmündigkeit.
§ 7
Ich künde das Ende der alten Welt,
die stirbt doch keine Erlaubnis dazu hat,
gar nicht fähig dazu ist,
weil wir es nicht sind.
§ 8
Welch‘ Schmach den eigenen Tod bis ins kleinste Atom zu spalten,
auf, dass sich ein jeder den Verlust der eigenen Leibhaftigkeit herbeisehnt.
Das Kapital ist zum Sterben verdammt und mit ihm die anhaftende Menschheit.
Es will zu seinem unsteten Siechtum zurück.
Doch der Mensch verkraftet die Fluten des Abgrundes nicht.
Zu klein ist sein Verstand ihn zu fassen.
Und so treibt er im pechverklebten Urstrom der Selbstvergessenheit.
Das Kapital bringt nichts als die kosmische Unruhe – das ist sein Urseinsgrund.
Es ist nicht dazu bestimmt zu verweilen,
an der Schönheit der Schöpfung derweil sinnliche Freuden zu verspüren.
Das Kapital kennt kein Leben,
aber doch braucht es dies,
um ja nicht von der Erde zu scheiden,
damit es zum Abgrund, aus dem es entschwunden ist, zurückkehren kann.
Alles Heilige ist ihm fremd und so wird es alles was uns dereinst teuer und
lieb ist;
die Herrschaft, die Schöpfung, die Liebe, den Gott
und sogar den eigenen Tod konsumieren und reproduzieren,
bis letztlich alle Substanz der Seele zermürbt ist.
§ 9
Ja, es saugt sich fest an jedem Seelentrieb
und absorbiert unsere erbauliche Schaffenskraft,
genauer seine Genuität.
Kapital hat keine Seele
und vor Neid erzürnt hat es sich zur Aufgabe gemacht sie zu beherrschen.
Wehe, der wache Beobachter entzieht sich seinem Einfluss.
Kapital heißt Abhängigkeit.
§ 10
Der Mensch wurde nicht geschaffen das Unleben der Leere zu ertragen,
die es in alle Herzen reißt
und so wählt er, besten Gewissens dieser Welt etwas Gutes getan zu haben,
den Freitod.
§ 11
Was übrig bleibt, ist die Wut.
Hütet euch vor den Hütern der Ordnung,
denn damit die alte Welt sterben kann,
muss alle Ordnung fallen,
denn sie hält die Wut nicht aus, im Wissen, dass ihre Zeit gekommen ist.
Also greift sie zur Kontrolle.
Das Endstadium des Kapitals.
Ich ertrage meine Wut nicht mehr.
Ich bin es leid dieser Welt einen letzten Schrei entgegenzusetzen,
bevor ich in meine eigene flüchte.
Die alte Welt wird sterben
und so bleibt mir nichts anderes übrig in eine jenseits der Wirklichkeit zu
fliehen.
§ 12
Ich bin weder Wirtschafts- noch Kriegsflüchtling,
geschweige denn, dass ich um Leib und Leben fürchten muss.
Nein,
ich flüchte in die Dimensionen der Phantasie und Kreativität,
weil ich zu den unvernünftig Privilegierten meines Standes gehöre,
denen sie noch nicht genommen wurde,
restriktiv ausgesaugt der Zwecklosigkeit und dem Hohn am Pranger preisgegeben,
unfähig von einer besseren Welt zu träumen.
§ 13
Fürwahr bedarf es einer Reaktion der Unterdrückten, ihrer Phantasie beraubten;
der Entrechteten Spieler, Tänzer, Maler, Denker und Schreiber,
kurzum jeder der der Welt noch Demut vor dem Einen erweisen kann.
Die Lethargiker herrschen über die Schaffenden;
und die Depression über den Frohsinn.
§ 14
Kreative aller Welten, vereinigt euch,
auf dass wir jedes einzelne Muster, jede Faser,
jede nur erdenkliche Form dekonstruieren,
die Illusion der Gequälten Stein für Stein abtragen;
und die Schleier frohlockend zerreißen,
um sie nach unseren Vorstellungen neu zu erbauen und mit Liebe zu erfüllen.
Baut auf das neue Haus der Zusammenkunft.
Reißt sie ein, die Grenze zwischen der Wirklichkeit und der Phantasie.
Höret, haltet euch bereit für die große Beseelung;
Ja,
befreit euch vom Joch der Abhängigkeit.
§ 15
Wer waren wir so blind und taub – so gierig –
uns dem Strom hinzugeben – die uns erteilte und verliehene – Verantwortung,
an die gehörnte Ratte abzugeben.
Hört von der kommenden Welt,
die ich euch nun künde,
auf dass ihr mit mir, die ihr noch Willens seid,
das Schiff Richtung Eden besteigt.
Unsere Wiederkehr ist ungewiss.
§ 16
Es ist Zeit die Reise über den Abgrund anzutreten.
Noch seid ihr in Fesseln,
beseelt vom garstigen Geist der Maschine.
Denn die Maschine ist das geliebte Kind der gehörnten Ratte.
Geißelt euch nicht noch selbst für eure eigene Unmündigkeit;
dafür seid ihr erhabenen Subjekte viel zu schade.
Zerschlagt mit aller Macht,
mit der ihr euch Tag um Tag peinigt und den Kopf zermartert,
mit der ihr euch hetzt,
die Maschine
und verjagt die gehörnte Ratte,
zurück in die Tiefen der Erde,
aus der sie im schwelenden Schwefelkleid
und mit ihr die den Planeten befallende Pestilenz emporgestiegen war.
Dann seid ihr frei! Ihr habt einzig euer Leben zu verlieren,
den Tod aber zu gewinnen.

Die Kellerassel

Dicker Rauch,
dünner Bauch,
Bombenhagel,
weißer Spargel,
Fliegen durch das Hinterland.


Hosenlatz
und Gummifratz,
Feuerflamme,
von der Stange,
liegen Leichenteile quer verstreut.


Schützengraben,
Unbehagen,
Steuerknüppel
für die Krüppel,
such das Heu im Nadelhaufen.


Alles gut,
alles neu,
denn die Fliegen wern dich kriegen
und die Investoren feinen Schnaps.


Auf das Leben,
einen heben,
denn was bleibt dir,
du Soldat,
wenn die Anstalt vor dir schwebt?


High-Performer,
Kugelnormer,
Bildschirmschoner,
Plastekloner,
druckst du auch den Ausdruck und Geschrei?


Und der Krieg,
der mir lieb,
mit Bedauern
an den Mauern,
aufgehoben,
wie verlogen,
wird der Grund für Gründe sein.


Und der Mund,
bunter Hund,
Ungeheuer,
teuer teuer,
redet sich in Rage rein.


Fliederblüte,
Gott behüte,
nicht sehr kurz
der Pulverfurz,
Fallen in der Hinterhand.


Und der Friede,
der so prüde,
schlägt besonders aufs Gemüte,
wenn ich ihn im Sommerschlussverkauf
nur kriege.

Ein Lied,
wie zwei Schneeflocken, die fallen,
weißem Rauschen bei Mitternacht lauschend,
verzahnt.
Ein Hauchen sie durchhuschend.
Rauchend träumt ein Sein.

Leise floss das Lied, das man der alten Tage wegen öfter anstimmte, aus
dem mit Holzapfel bewehrten Telekopf, wie zwei Schneeflocken, die fallen.
Zwei Schneeflocken, die fallen/
Verklemmt/
Einander, nimmer auseinander/
Gehemmt/
Wandern immer/
Und mäandern/
Liebe, die im Leib entbrennt.

Es war wie ein ewiger Herbst, als sie beisammen Kartoffeln
schälten und über die Helden der Arbeit sangen, da dröhnten aus dem
Gebüsch heraus zwei Lichter, wie zwei Schneeflocken, die fallen, einander nie berührend; man vertraute auf die Sicherheit des Lichtes,
mit der Gewissheit man werde schon selbst in der bei einem sitzenden
Dunkelheit leuchten. Pustekuchen; schade um die erbeuteten
Kartoffeln, die zertreten nun den Park düngen. Die Beine in die Hand
genommen, überlegen, um des Überlebens Willen, stürmten Bertram,
Wladimir und die anderen ein jed in eine Richtung, Hand in
Hand, wie zwei Schneeflocken, die fallen, preschend auf Toyotascheiben
klatschen, wenn der Wind sie erfasst, den Lichtern ausweichend.

Ein Lied, wie zwei Schneeflocken,
die fallen.
Wie Wildgänse über Wüsten flattern.
Ein Lied,
wie Hasenhoppeln
auf der Bundesstraße.


Ein Lied, wie zwei Schneeflocken,
die fallen.
Zankend sie beisammen,
unentwegt,
wie Quallen,
nesselspitz verfangen,
gleich Kristallen in der Nase.

K4rlml0n
Karim (Abdul Absolem Alhazred) lebt seit fünfundzwanzig Jahren auf dieser Welt. Seine Jugend und Kindheit verbrachte er auf Reisen durch den europäischen Kontinent. Israel/Palästina ist und bleibt Sehnsuchtsort und Muse. Seit dem Jahr zweitausend-einundzwanzig studiert er Theologie und die Sprachen und Kulturen des Judentums. Er engagiert sich beruflich in der Vermittlung von Sprache und Bibel.

7 Kommentare

  1. N‘ bisschen viel hier – wäre es nicht gescheiter, sich auf einen Text zu beschränken, damit es die Leserin auch fassen kann. Und drei Tage später den nächsten usw. usf. Statt mit einem Schrotflintenschuss alles auf einmal zu verpulvern?

    1. Vielen Dank für deinen Hinweis!

      Ich passe es später mal an, dass ein paar Kernstücke erhalten bleiben. Neue Einträge folgen dann die Zeit hindurch.

      MfG
      Abdul Alhazred

  2. Vielleicht doch lieber ein spontaner Ausruf als einfach nur weiterzuatmen in der Tiefe seiner Tiefsee knapp über einem dunkel gefühlten Grund sagt:

    Bravo!

  3. „auf das ihr mit mir, die ihr noch Willens seid“

    Die Lautkombination [d] [a.] [s] hat im Deutschen vier Wortentsprechungen: den bestimmten Artikel (z.B. in „das Haus“), das Demonstrativpronomen (z.B. in „Das ist ein Tisch“), das Relativpronomen (z.B. das zweite „das“ in „Das Haus, das an der Ecke steht, ist bunt“, erkennbar an der Möglichkeit, es ohne Sinnzerstörung durch „welches“ zu ersetzen) und die Konjunktion (z.B. in „Schön, dass du da bist“);

    welches der vier Worte ist in obigem Vers (Nr. 113) gemeint?

    1. Müsste es nicht „dass“ oder schöner „daß“ heißen: auf daß ihr mit mir eines Willens seid? Oder: auf daß ihr, die ihr noch Willens seid, mit mir seid? Also wie bei einem Trinkspruch (Toast)…

      1. Sie haben wahr gesprochen.
        Das sind noch recht frühe Texte aus dem Jahr 2020 und da schlich sich so mancher Fehler ein.
        Ich bessere mal nach.

        MfG
        Abdul Alhazred

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