In Bewegung

Am Ufer: Hildegard

Am gestrigen Abend, mit Feuerwerk und Krawall-

demonstration der eigenen Meinung, Volks-

Herrschaft von Söhnen ihrer Väter, Mutter in

das weiße Kopftuch aus Wolken gehüllt,

Ging für mich das 20. Jahrhundert zu Ende.

Was vor dreiundneunzig Jahren begonnnen,

fand nun seinen Abschluß in der

Mitternächtlichen Hitparade der Sterne hoch

oben im schwarzen Samt, so weich ver-

Hüllt wie ein Staubkorn im Ozean.

Aus der Unermeßlichkeit strahlender Augen,

mit der Stimme einer Überlebenden,

Durch die letzten Signale eines blinkenden

Weltraumkörpers hörte ich, ein Kind

Von vierzig Jahren deine Frage – keine Frage.

„Es ist doch so, daß man im Traum

die Welt sieht, man sieht sie

Immer wieder, damals, diesen kleinen

kleinen Schmetterling vor dem Fenster

Meiner Küche, und dann lag er und schlief.“

Einer fragte nach Blumen und Sonnenschein,

du lebtest im Schatten der Erde, dein

Söhnchen strahlte in dich hinein – ach

immer wird es so strahlen nun, du

Gabst ihm ein menschliches Gesicht…

Wie sah es aus in jenem Jahrhundert,

da das Korn am Reißbrett gezüchtet ward,

Als der Wahnsinn seine eigene Stimme ver-

nahm und sich leise leise sagen hörte:

Bruder, mein Bruder, ich bin du – du bist hier.

Begonnen hatte es wie üblich mit dem

Glück, das versucht war sich mitzu-

Teilen – es ging wie so oft noch nicht auf;

später war es dann der Hunger, aus dem

Mit Kanonendonner Geld wie Stahl hervorblitzte.

Einige hat es gegeben, die mußten ihre

Augen verbrennen in diesem unerbittlichen

Feuer, es schwelt noch immer durch den

Herbst dieser Welt und fegt nun als

Wasserwalze übers Körpergebiet der Klimazonen.

Auch der Träume gab es viele in jenem Jahr-

hundert, manches wurde wahr – das Wenigste

War es wirklich wert gewesen, den Synapsen-

wald mit Denkkraftverstärkern so sehr

Unter Druck zu setzen wie den Kessel deines Erdenlebens.

Zuerst tuckerte hinterm Berg ein

stolzes Automobil, später zischte die

Eisenbahn den Mond an, nachts, wenn

niemand mehr zuhörte außer dem Gras

Unter den Bäumen vor dem Fenster der Küche.

Die Schafe im Stall hörten irgendwann auf zu

blöken, heute lernen sie fremde Sprachen

Und versuchen der Sonne zu folgen auf ihrem

Weg durch das große Tal, das unter ihren

Füßen die Vergangenheit mit der Zukunft vereint.

Die Mitte war nicht die Mitte, die Mitte war

das Ende, und der seitdem die Lufthülle

Füllende Staub wird sich nie mehr zur Ruhe

setzen: Feuer, Wasser, Erde, Luft – so

Viel Freude verteilt sich für nichts. Aber später

(Das bist alles du; laßet die Kindlein

zu mir kommen – kein Samenkorn

So eigen wie der Mensch, Kindlein eines

Vaters und seiner Mutter – kein ver-

Fluchtes Geschlecht so sehr Samen im Korn)

Sollte es die Liebe sein, der Mensch, seine

Mutter und nichts als die Liebe, womit sich

Die Annalen der Erde füllen durch Zeichen

aus Wasser und Luft – nur das Feuer,

Langer Bart des Holzes, sei dem Licht fortan eingefügt.

(…)

29.10.2007

Das Schweigen

Das Schweigen

Er erzählt
mir nicht mehr von gestern
und spricht mit seinen Freunden
über mich wie eine alte Krankheit.
Doch wenn er mich dann zufällig
unter seinem Bettlaken findet,
bekommt er feuchte Augen.

Er sagt,
er hätte sich das Schreiben
abgewöhnt wie die Angst
vor´m dunklen Keller.
Denn er wisse nun,
dass es hier wie dort
nichts zu entdecken gäbe.

Er sagt,
er wäre jetzt erwachsen
und dass ich brennen müsse
wie die schlechten Klassenarbeiten.
Da, wo er jetzt hingehe
gehörten Schwächen auf den Scheiterhaufen.
Dann wärmt er sich ein letztes Mal

Im Feuerschein der Erinnerungen

Ein Herrenbein (Auszug)

Baronin Morast hatte sich bereits zu Mittag in ihr Schlafgemach zurückgezogen, das der Gatte vor dem späten Abend nicht betreten durfte. Sie fürchtete seit ein paar Tagen seine derberen Gelüste. Diese Furcht vermochte sie nicht recht zu deuten, deshalb musste sie sich legen, den Stuck anschauen und nachdenken. Der Baron sprach besorgt vom Stuck und seinen Widrigkeiten. Dass die Malerrolle nicht bis in die Rosenritzen dringe. Dass dort die Weltsicht sich verlor. Dass er die Deutung den Kunsthistorikern überlassen müsse. Dreimal Rund ineinander – rund. Frau von Morast wälzte trübe und konturlose Eindrücke wie ihre Kissen hin und her, kehrte das unterste zu oberst, tat, als würde sie ein inneres Bett neu beziehen. Sie wühlte Matrazen auf, entfernte feuchte und stockige Flecken, fönte trocken, rubbelte. An ihren Gatten konnte sie nicht denken, ohne dass ein feiner sie Brechreiz streifte, nur eben streifte wie der zuckende Nervenschmerz im linken Ohr. Die Lust, dachte sie, die Lust empfand sie doch. Irgendetwas an ihrem Manne war ihr unheimlich geworden. Sie erinnerte sich an das dröhnende Lachen, mit dem er den Privatier Kellermann und seine Clique begrüßt hatte, während er sein neues Mohnpräparat an ihnen ausprobierte. Bläulich hatten sich allseits die Lippen verfärbt, und als Morast nach ihr griff mit dünnen Fingern, hatte sich zu der vertrauten Lust, die ihr den Unterleib wie ein Schwert durchschnitt, ein leiser Ekel gesellt, ein  Kontrapunkt, der ihr den Hals kitzelte. Ein fremder Eigner. Eigner welcher ihrer Körperregionen? Sie hatte ihn geehrt, ihn, ihren Mann, der ihr Lüste verschaffte. Der Hüte á la mode trug, orangenorange, linzertortenrund, zuckerkristallbesprenkelt. Der mit der neuen Mode ging, ein Lebensdetail, das immer mehr auch Männer betraf. Der ihr ein Papageienzimmer für ihre gefiederten Freunde eingerichtet hatte, anspruchsvolle Wildtiere, die sie niemals, wie ihren Gatten, einfach mit „puttputt“ locken durfte, damit sie handzahm wurden. Die federbestückten Ungetüme. Ihr Mann war rasiert. Ganzkörperrasuren ließ er wöchentlich vornehmen, bei einem Freunde, dem Frizör.

Der Frizör schnitt nicht nur Haare, kämmte, ondulierte und shampoonierte – nein, er rasierte auch, sowohl Herren als auch Damen. Sein Salon war Stadtgespräch, derzeit noch. Ein, zwei Monate, und der Trend erreichte seinen Höhepunkt, um dann langsam wieder abzufallen wie eine sanfte winterliche Bergsenke, schließlich wurden Besuche beim Frizör zu einer Gewohnheit, die Zwang war. Die Klugen folgen einer Mode und reden nicht darüber. Sie scheinen. Haben Linzertorten auf den Haaren oder Orangenblütenextrakte in die noch feuchte Frisur gerührt und hineinzitiert, mit zittrigen Fingern, Haare, die ein Windhauch hochfahren lässt. Frau von Morast zog Luft ein, stieß sie aus ihren offenen Mund geräuschvoll gegen die Wand zu ihrer Linken aus. Drückte mit dem Kopf das Kissen zur Seite, Augen auf wie eine Tote. Er möge sie mir zudrücken. Gundolf! Sie rief nach ihrem Gatten, pelzig fuhr es ihr über Bauch und Beine, Gundolf! Sie schrie es dem Stuck entgegen und sah einen Himmel schimmernd wie Glas, eine Kuppel wölbte sich auf die Umtriebige nieder und umfing ihr Gehirn, durch dessen Windungen Serotonin und Endorphin, Dopamin und Neurasthenin schoss wie ein ICE durch die platte Landschaft zwischen Hamburg und Berlin-Ostbahnhof.

Baron Morast war inzwischen in einem unangenehmen Brüten versunken, welches das Endorphingeschoss im Hirn seiner Gattin kontrastierte, pfiffig und nicht ohne Überlegenheit. Warum hatte Gertrud ihn aus seinen Gemächern verbannt? Hatte sein Kuss auf ihren Hals, den er lange, lange vorbereitet hatte, sie nicht überzeugen können, dass er den Körperregionen mit zarteren Dünsten durchaus zugetan war? Ihr Hals roch so nach Frühlingsblumen, war so Jugendstil! Das hatte er ihr beichten wollten mit gefalteten Händen und verschlossener Hose. Nichts, aber auch nichts war auf diesen Kuss gefolgt. Nur eine Schweigeminute wie nach unfassbaren  Ereignissen oder während eines katholischen Gottesdienstes, wenn die Gemeinde auf die Knie gesunken war und gleich das „Vater unser“ in leierndem Gesange beten würde. Die Erinnerung an dieses Schweigen, diese Schlaffheit der Windhose, in die kein Hauch hineinblies, veranlasste ihn jetzt, im Wechsel ungelesene Kuriere und Zeitungen vom Tische zu nehmen und mit ihnen zu wedeln als verscheuche er Insekten. „Du musst du zuerst freundlich sein, du kennst doch Weiber. Klopfet an, so wird euch aufgetan, notfalls klopfst du mit dem schönen Gedanken, nicht gleich mit der Flöte. Manche lieben auch Musik. Aber fang nicht mit Wagner an, das wird sie verscheuchen wie ein frischer Morgen den Scheuen Nachfalter,“ hatte Kuraschowski, der Landbote, ihm beim Diner in den halb geöffneten Mund gesagt, der gerade eine Gabel voll Lacknudeln empfing.

Autodafé

Reif auf den Büschen : wo wir uns versteckt haben

voreinander : wo wir die Feuer feierten

jedes Mal : wenn wir vorbeiliefen : im Mund

den Verrat : Asche auf den Feldern

körniger Nebel : aufsteigend aus den Furchen

bevor uns der Tag aufheizt in unseren Glasgehäusen

schau nur : wie wir aufwirbeln : ohne Wind

während draußen der Schneid Einzug hält &

die Wiederkehr des Groben zum Aufstand reizt

Eigenfrequenz 155-Hämo-Post-Globyl&Trans-Mitternacht

EZRA POUND

aus Canto XCIX

Und wenn dein Kind nichts wissen will, hast du’s versaut.

Frag‘ es. Bejammere die Kindheit nicht, und lüge nicht.

Erkläre bündig, antworte; im Gespräch

nicht mit weichlicher Geschäftigkeit (chiao)

nimm immer deinen eignen Weg.

Laß‘ es fragen vor seinem Tun;

Daß da keine nachlässige Pfütze sei

zwischen dem guten Menschen & seiner Frau.

R. ist r. . Klein ist klein;

Unter Freunden ist eins eins

zwei ist zwei

Nicht zu lügen aus Unbekümmertheit oder

allein zu lassen im Trug

Füttere den Klang seiner Stimme mit Worten

die wie Wasser über ein Mühlrad strömen.

Kleid‘ es in Aktenordner

und beschenk‘ es mit Niedlichkeiten,

Am Ende versetzt es den Hausrat.

Mit Steuern, für das allgemeine Wohl,

einem Teil des Produkts

Sind Menschen, weil körperlich

immer am Säen und Ernten,

Soldaten sind auch körperlich,

behüte das Werkzeug deines Körpers,

Er beschützt dich als Wesen

Vor Sintflut und Gaunerei.

The Dead – Animated Poetry

dear viktor,

the idea to animate poems came from the Sundance Channel and the J Walter Thompson advertising agency (JWT). They assured me that they would bring in tto the project the best animators they could find and that the selection would be competitive. Apparently a number of people who tried out, were not invited to animate. I like the idea of poetry being adapted to different media (except dance) so I agreed to read the poems to be animated.

I was very pleased with the results. the first one I saw was „The Dead“ which set a high standard for the rest. I never liked the idea of illustrated books of poetry. A poem about a tree and on the facing page. guess what? a tree! but animation casts a kind of spell over the eye as the voice does over the ear. And two senses are usually better than one.

I have no idea how the animations got on YouTube. Apparently, just about anything ends up there. The films first ppeared as „filler“ on the Sundance Channel (USA TV). But I was happy to hear that some of the films were getting 500,000 hits on YouTube. Next we need to promote iPoetry so that poems can be easily put on your iPod along with your music.

If this phenomenon needs a star, I am happy to volunteer. I am an only child and have a great capacity for receiving attention.

My best to you and Ron Winkler,

Billy

Sie, in einem gesunden Körper

Lachfalter. Sie blitzen aus Vorblätterhängen. Klappen ihre Flügel zusammen und wieder auseinander. Nachtgespinste. Ich liege auf dem weißbezogenen Bett. Die Knie angewinkelt, bilden ein verkehrtes V auf der Bettdecke, ziehen Faltenstreifen ins Leinen. Der Kopf auf dem gerollten Kissen ein wenig gehoben. Mein Haar, wie es sich schon wieder wellt. Ziehe Strähnen davon als Lichtfilter vor die Augen. Lachfilter. Licht trifft meine Augenwinkel, die violette Iris, im Schattenkreis wiegt die zweite Augenkugel mit der schwarzblauen schwerer, die auf die mein Kissen drückt, das ich mit gebogener Hand knicke und das gegen mein Nasenbein liegt. Die andere Hand langt nach dem auf dem Boden liegenden Röllchen mit der Medizin. Mein Kopf sinkt nach hinten. Aus der Lichtkugel heraus. Hoffe, das Röllchen greifen zu können. Hoffe, sie sendet dabei einen Gruß an mich, sie, die noch immer in feinen, zu langen Flanellhosen hier herkommt, sich aus Prinzip in die angrenzenden Räume setzt und sie beherrscht. Sie ahmt die Vergänglichkeit nach. Einen halben Meter über mir, drei Meter unterhalb der Decke trifft mich ein dunkler ausgefranster Fleck. Feucht setzt sich etwas auf meinem Gesicht ab. Ich hebe den Arm, in dessen Hand das Röllchen liegt, nur liegt, unumklammert. Sie lebt in einem gesunden Körper. Sie hat die Welt der Worte im Planquadrat geschultert, weiße Platten mit Linien, auf die sie täglich treten kann, ganz selbstverständlich. 

Du hast sie nicht zu dir gebeten. Sie hat dich aufgesucht, gelacht, dir ins Gesicht, sie hat sogleich Tee für dich bestellt. Mit Sahne für sich, mit Zitrone für dich, so wie du es gern magst. Es beherrscht sie kein Zwang, dir Kalorien zuführen zu müssen. Wieviel Gramm Eiweiß du täglich zu dir nimmst, bleibt dir überlassen. Sie lebt in einem gesunden Körper.

Ankunft im Blauen

Weder Raum noch Zeit ver-

Mögen die Bewegung nun

Anzuhalten, jede

Schwingung ein Schrei auf

Der Bühne der Ereignisse: ich

Bin nicht mehr da

Wo die Atemzüge gezählt werden –

Die Feuerfasern geballt zur

Tanzenden Flamme; du

Bist nun bei mir & die Vögel

Haben ihren Herbst

Hinter sich, hinter sich geworfen.

Du öffnest eine Flasche

Wein & ich flüstere dir zu: sei

Nicht traurig, nicht so traurig –

So traurig bin ich, daß die

Delphine auf ihrem Weg

Durchs Mittelmeer

Abkommen von dem gewohnten

Ein für allemal fest-

Gelegten Kurs gen Ithaka. Die

Vögel sind nun nicht mehr die Vögel,

Die Delphine schwimmen nicht mehr

Durchs Mittelmeer, Grönland

Liegt vereist

Unter der Panzerhaut unserer Lippen.

Synphonie der Dinge beim Gemurmel vor dem großen Fest

Gene, Genitalien, Autoreifen, auf- : Geblasene Schläuche ob mit Wein : Oder Wasser aus Wolken wie über : Der Wüste, im Vergleich mit dem : Fließen im Innern der Steine nur : Ein Dulden des Ortes in der Zeit, : Gleichzeitige Bekundung des Ab- : Wesenden beim Ableben durch : Den Tod, Beziehungslosigkeit mit : Den Mitteln der Bezüge aus Kassen : So schwarz wie die Löcher im : Gedächtnis, wo es peinlich wird : Trotz der Offenheit des Meeres, wo : Es eingeschlossen bleibt im Eis, : Sommers wie winters ein ewiges : Dulden, der Norden eine Wüste : Im Traum der Sonne von Nacht.

Der Tod in Beziehung zu den Leb- : Enden, mit dem Anfang der Erinnerung : Gemeinsam vor den Karren gespannt, : Aufgehäufte Früchte und Wurzeln, : Zehnfach aus dem Dunkel heraus- : Gezogen, Zähne zum Zermalmen : Der Häute mit den Haaren, da- : Mit es schneller vordringt ins : Herz der pulsierenden Welt, Muskel- : Fasern in Erwartung von Beziehung, : Die es spannend macht mit : Haut und Zähnen, damit es : Den Körpern wirklich unter die Haut geht.

Eine Pause zwischen zwei Lebens- : Hälften, die Hörbarkeit alles anderen : Als der Läufe in Überlagerung, der : Sprünge ins Oben und Unten, weil : Nichts so sehr trennt wie der Tod.

Aber auch Tod wie alles dazwischen : Bleibt draußen, nicht, Fische, Vögel, : Weil das Leben weitergehen will : Im Schwimmen wie im Fliegen, unter : Der Oberfläche mit Zähnen aus : Staub, bis es leergeblutet einen : Neuen Rhythmus zu schlagen bean- : Sprucht, nicht, Maschinenteile aus : Vergessenen Plänen, noch paßgerecht : Mit Grenzen, die ineinander greifen, : Fliegen über Wassern, aus denen : Es aufschnappt und strudelt, die : Bewegungen als Grenze zwischen innen : Und außen, zwischen zwei und allem.

Nicht: eine Pause im Atem, der : Den Worten hinterher weht, Fahne : Ohne Stoff, wie er Kleidern ihre : Sichtbare Fülle gibt und niemandes : Maß mit der selbstbewirkten Bewegung

Versieht oder nicht versieht, genau : Diese Frage zwischen Schläuchen und : Autoreifen, gleichzeitigen Bekundungen : Der Abwesenheit und des allzu neuen : Rhythmus, tausendfach geschlagen : In Adern voller Blut, Genitalien : Und Gene, Gene, die eine Familie : Von Vögeln und Fischen beisammen : Halten, bis es leergeblutet von einem : Tankwagen träumt, allein in der : Wüste, Flußpferd und Zähne mit : Mähne auf dem Wasser, wo alles : Strudelt und wegschnappt, aber : Im Gedächtnis seine Lücken läßt : Als Hinterlassenschaft schweren Atems, : Wo nichts ist als Pause zwischen : Zwei Hälften, zwischen Oben und Mitte : Wie Mitte und Unten, wo hält sich : Eine Mitte an der Oberfläche wie : Im Schnappen nach Wasser aus der Luft!

Nichts, kein nicht und kein wegen, : Allerorten die Zeit mit Lichtstrahlern : In den Raum gerichtet, Namen von : Sonnen im Bauche von Galaxien, : Straßen zwischen Orten, an denen : Viel gerumpelt hat, Flußpferde in : Verblichenen Rhythmen, einzig : Das Herz schlägt weiter wie ein Vogel, : Dessen Lied keine Luft mehr findet : Und Fische in selbstgewirktem Kleid : Kleid, wo läßt sich die Grenze bestimmen : Zwischen Stimme und Stummem, : Aufgeblasene Schläuche und kaputte : Maschinen, mit Teilen zu einem : Ganzen gefügt, das kein dazwischen : Mehr frei fließen läßt, kaum ein nicht : Ohne Schnappen im Strudel zurück- : Hält im Rhythmus der Ruhe, selbst?

Wenneigen

Wenn die Sonne den Himmel berührt, entstehen Phänomene.

Wenn ein Auto Fahrt aufnimmt, wird die Luft wieder etwas dünner.

Wenn eine Haustür zuschlägt, gehen oft mehrere Zimmertüren auf.

Wenn es Herbst wird, beginnen die Vögel des Nordens sich umzuwenden.

Wenn es dunkel wird, verschwinden viele Photonen gleichzeitig aus den Augen.

Wenn ich den Atem anhalte, erst dann – höre ich es schlagen.

Wenn es aufhört zu kreisen hinter den Gedanken, dann ist es wie

Wenn ein durchsichtiger Stein die Dinge in ein anderes Licht tauchte.

Wenn das Wort Schweigen seinen Klang ausbreitet, dann – aber nicht früher

Beginnen die Wesen ihren ewigen Tanz.

ach, ich ziehe den staub an wie der staub das licht

1. wäre das hier dort, hätte der ort sein hinten.

2. jenes da fort, sollte im irgend fließen, so es also: einen tag anzeigte, wär’s schon okay.

3. aber: häuslich gesehen, zikade wie horn – nur ein schlitten darauf.

4. jetzt käme es wirklich drauf an-: andichten, andich, andi, an; kein du, a.

5. englische nacktheit, ruhe, ur-uhe – an: na-na.

6. man kann es nicht sehen wie ich dich höre, du.

7. bilder, bild, er-bd, lbd, er allein.

8. so om mächtig: türmt es sich auf.

Im Vektorraum (Schluß)

Egal wann es passiert – es passiert draußen … Die Tür hinter ihm schlug zu wie Mohammed Ali in seinen besten Zeiten. Der Knall prallte gegen seine Trommelfelle und setzte eine ganze Reihe von weiteren getrommelten Rhythmen in Bewegung. Er war nun ein Dschungel voll unverständlicher Geräusche – ein Dschungel in Aufruhr.

Er rannte die Treppe hinunter und trat durch die Haustür ins Freie. Hinter ihm schlug eine Tür zu. Er zuckte kurz zusammen, dann stand er still auf dem steinernen Gehweg und lauschte. Über ihm rauschten Luftschichten wie vom harten Flügelschlag eines Greifvogels, die Schichten drangen ihm in die Ohren und erzeugten einen Druck gegen die Schallmauer seines reglosen Körpers, daß es zu brausen und zu sausen anfing in der Welt – sein Kopf glich der Krone eines Baumes bei Sturm. Er schwankte.

Er wandte sich nach rechts in die Richtung der Ampel, die er zu überqueren hatte, um an seinen Lieblingsplatz zu gelangen – den Friedhof. Warum er diesen Ort so liebte ist schwer zu sagen. Vielleicht wegen der vielen Seelen, die ihre Namen hinterlassen hatten im Stein auf den Gräbern? Oder wegen der Stille, die jenen Ort einhüllte mit dem phantastischen Seidentuch aller Abwesenheiten, die Namen nur erzeugen können? Wahrscheinlich liebte er den Ort wegen der vielen, vielen Seelen, die sich beruhigt hatten und keinen Krach mehr machten.

Er trat durch das gußeiserne Tor und erschauerte in stiller Freude. Die Unheimlichkeiten dieses Ortes waren fast ein Teil seiner selbst. Das Dunkle und Klingende schien hier von der Heimlichkeit seiner Existenz erlöst zu werden … Hinter ihm schlug eine Autotür zu. Es störte ihn nicht im geringsten. Weiter vorn begann eine Nachtigall zu singen.

Selbst wenn

Bevor du zu schreiben beginnst, solltest du eines wissen: alle Helligkeit ist nur Täuschung der Atmosphäre, unter der du lebst, und die so comme-il-faut ist, dir Licht zu streuen. Das Universum ist dunkel. Und wenn du ein Stern sein willst, der leuchtet in kalter Elektrizität, so musst du irgendwann verglühen. Denn all das Dunkel um dich herum zu erhellen, hast du zu wenig Energie, selbst wenn du heute der hellste Stern im Universum bist. Du musst schreiben und deinen Heros für ein, zwei Hundertstelsekunden eines Lachens schon eine Seite später mit fünf Stunden Krankheit züchtigen.

Mostar

Die dünne Haut der Häuser : sprechend
durchlöchert : von Motten zerfressen
ausgehöhlt : ausgebrannt : schreiend
auf dem Berg das Kreuz : stammelnd
im Tal die schlanken Türme der Moscheen
die Geliebte hat einen amerikanischen Paß
fast kein Haar auf dem Kopf : schweigt
das ewige : trostlose Treiben
in den Kafanas : ohne Charme
weder östlichen noch westlichen
Spinnennetze umgarnen die aufgestapelten
Stühle : hier saß schon lange kein
Fremder : noch trägt die Alte
ihren Bauernrock : die junge
Frau trägt schwarz : der Hubschrauber
überm Sieb der Dächer hütet die Farben

Nachbar

Ein ferner Husten, ein Schluck Wasser

     Ineinander verkrümmt wie Wolken

     Über der Wüste, Traum

     Vom Duschen im Paradies – so

     Träumt der Junge vom Krieger

Der aus der Schlacht heimkehrt

     Mit Krusten Schlamm & Flüchen

     Den wiederkehrenden Detonationen

     Im Ohr das von einer Frauen-

Stimme träumt, Vogelsang

     Über einer Wiege im Garten

     Das ein verfluchtes Teil im Ganzen

     Sein Ich zu nennen die Kraft

Nicht aufbringen kann, unendlicher

     Weg zum Haus nebenan, ganz

     Daneben.

Der schöne Schein

Meine Worte sind nicht durch Gedankenfäden versponnen. Einzig das Wasser unterhalb dieser Augen birgt eine strömende Richtung. Abgetrennt der Magen vom Erdbeerfeld, abgetrennt auch der Sturm vom Wetter. Der Luftraum voller Windwesen, allein die eigenen – Gestank: Was da fault unter dem Himmel, du kannst es unter Glas setzen. Die unzähligen Dinge wissen nichts von ihrer Zählbarkeit, und das Murmeln hört nimmer auf. Wie es zittert und zuckt in den Teilen, wie es sich stets neu zu verbinden sucht: Wer wirst du sein nach allem? Asche, Wind, ein Ganzes?

Nichts will ich sein, nichts. Aber es wird nichts nützen. Es kommt auf mich allein nicht an – unter einem Himmel, den ich nimmer fassen werde – Feste zwischen irgendwelchen Wassern – die Maschine zu groß und die Sonne verbogen auf ihrem Weg. Ich kann die Augen schließen und dem Schmerz seinen Namen nehmen, kann ihn an Mauern werfen und zusehen, wie etwas von ihm daran kleben bleibt – allein: er ist mehr als ich sehen kann. Und du – ich sehe mich in deinen Worten – aber wo, wo – hast du den Hammer versteckt, der über jedem Herzen hängt? Wer will sich noch den Kopf absicheln lassen nach allem.

Kunst

Schnee wird sich dieser Landschaft bemächtigen. Flocken aus Kunststoff, Flocken aus Metallsplittern, die beim Feilen in den Fabriken abgefallen sind – oder irgendeine erfundene Substanz treibt im Glas umher, unter einer gläsernen Kuppel mit blauem Boden. Das Glas verzerrt und bricht die Dinge, denen man es entgegenhält. Die Dinge drinnen sind angeklebt und kennen keinen Auftakt, kein Fortschreiten. Ein Fest für den Schnee, die einzige Witterung dort drinnen. Der Schnee ist eine Attrappe für Kinder. Vergessen ist, das der Winter kalt war und zu lange gedauert hatte. Der dort drinnen bleibt da.

Im Glas

Depression gehört zum guten Ton. Ein geschwächter Lebenswille sitzt wie ne Designerbrille. Es glänzt brilliant solange es im Glas sprudelt und auf der dahinteren Wand ein Lichtkreis steht, dieses Kranksein, das wir feiern, dieses verbogene Stück Metall auf einer Frisur. Körperlich Unterwassertiere, Eiklar, Schneegläser, mit Immerwährendkleber befestigte Tränen, Träume aus weißen Flocken, die an die Glasdecke stoßen beim Herumdrehen. Wiegende Nichtigkeiten. Papamobil. Wer steht denn schon freiwilig am Straßenrand und wartet darauf, dass jemand ihm das Evangelium offenbare. Zeremonie, Genreis…

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Himmelsblau

Am Tag des letzten Goldes überm Acker, der alljährlich die Halme auf ihren Weg in den oberen Raum aus Luft & Geduld zu bringen trachtet, purzelte ein winziges Wesen hinab zur staubigen Erde. Es war in einen Mantel aus Wasser gehüllt und trug in seiner Erinnerungstasche aus verflossener Zeit einen fast hohlen Gedanken mit sich herum – die Frage nach dem Inhalt eines Lebens mit Anfang & Ende. Zwischen beiden Polen des kosmischen Kraftfeldes spannt sich das Gedächtnissegel, worin die ausgleichenden Winde dieser Welt gefangen werden. Das Wesen hatte noch keine Geschichte in sich, da hatte es bereits eine Farbe: jenes Blinzeln der Nerven, welches Luft aufhebt; Luft, fft, die Farbe des ewig steigenden Nichts, die tiefer in die Dynamik der Welt hineinreicht als das göttliche Weiß, in dessen Erscheinung die Fülle des lichtbesiedelten Alls noch die Konkretheit aller Einzelfarben im Spektrum des Seienden übersteigt. Doch Luft, luuf, dieses Steigen & Fallen vor dem Hintergrund eines Auges mit Erinnerung, dessen Keime die blühenden Wesen in sich bergen wie das Wort den Gedanken, ist nicht die Erde, worin das Verschiedene seinen Körper auflöst, um ein Neues zu empfangen. Überm Acker bläht sich ein Segel, das mit dem Wind ein winziges Wesen verbirgt, dessen beginnende Geschichte von jener Farbe ist, für die das menschliche Griechenland noch nicht einmal einen Namen zu verschenken hatte.

Additive Abelsche Gruppe

Sie betrat die Kneipe gegen acht. Ihr Freund würde erst in einer halben Stunde hier eintreffen. Bis dahin wäre genügend Zeit, in Ruhe eine Zeitung zu lesen. Ihr Blick schweifte durch den Raum auf der Suche nach einem ruhigen Plätzchen. Die Kneipe war ziemlich voll. Nur dort hinten in der Ecke sah sie einen Tisch mit vier Stühlen, von denen drei leer waren.
Ohne lange zu überlegen ging sie zu dem Tisch am Fenster und fragte den dort Sitzenden:
– Entschuldigung, ist dieser Platz noch frei?
– Bitte.
Eine einladende Geste wies flüchtig auf den Platz zu seiner linken, doch was sie in diesem Augenblick wahrnahm, war etwas ganz anderes: Zwei Mandelaugen mit leicht gegeneinander verschobenen Pupillen erstrahlten in einem seltsamen Blau, das einen leichten Brummton von sich gab, so als würde die Erde vibrieren und mit niedrigfrequenter Schwingung durch sie hindurch klingen.
Sie stand wie erstarrt und lauschte in den Kneipenlärm hinein, indes ihr Gegenüber seinen Schreibblock beiseite rückte und eine halbleere Kaffeetasse behutsam an die rosigen Lippen führte. Sie setzte sich mühsam auf den Stuhl und versuchte sich auf ihre Atmung zu konzentrieren. Sie fixierte aus den Augenwinkeln die gelenkigen Finger, die nun wieder übers Papier zu gleiten begannen, sie atmete unhörbar durch die Haut ihres geschockten Körpers, aus und wieder ein – so leise wie der Schlaf eines Unsichtbaren in seiner tiefsten Phase.

***

Ein Körper ist das höchst komplizierte Ganze einer Gruppe von Körperteilen. Jedes einzelne Teil ist in der Lage sich zu bewegen, vorwärts wie rückwärts, doch nur in jenem Maße, wie der Körper seinen Teilen Bewegungsfreiheit einräumt. Diese Freiheit ist ewiger Teil seiner Konstitution. Insofern ist auch die Freiheit ein Körperteil, wenn auch ein ideales. Sie ist die Null, ohne die kein Körper er selbst sein kann – die eine einzige Eins, ohne die es keine Null gibt, sie ist die Eins in der Null.

Fundus

Ich schlafe nicht mehr unter
freiem Himmel: das Holz,
Aus dem meine Seele einmal
zusammengezimmert worden,
Umgibt nun meinen Körper; da-
zwischen so viel Luft, daß
Es zum Atmen reicht. Die
Die Luft strömt durch die Haut-
Beutel, in denen ich ganz & gar
gefangen bin, so wie das Erz
Erkaltet, eingeschlossen die Erinnerung
an die Sonne bewahrt. Ich
Höre es rauschen im Innern,
das ist die vergängliche
Wirklichkeit, das Wispern der Ge-
danken, von der ein Weiser
Einstmals sagte – „Alles fließt.“
Stattdessen lebe ich nun
Inmitten alter Kleider, ein Hofstaat
aus Augenfreude und dem
Blinzelnden Blick ein Anlaß zum
Träumen. In mir selbst ist
Es ein anderer, der ich sagt
zur Welt; eine Wolke
Bunter Fetzen, aus denen der
wüste Odem der Jahrhunderte
Hervorkriecht und mit nichts,
ja mit nichts außer der
Leichten Brise unmittelbar vor
Sommergewittern zusammen
Bleibt in Umarmung der Lüfte.
Es staubt, wenn draußen
Die Schneeflocken tanzen. Auf
dem Scheitel dieses Gebäudes,
Knapp neben dem Bild des Polar-
sterns – ein Fenster, das
Immer einmal wieder von wirren
wandernden Gesellen, ruhlosen
Kometen des Kosmos geöffnet wird.

Spiel mir das Lied vom Tod

So weit ist es: ich suche dich in fremden Worten.

Den Weg hast du selbst mir freigemacht

bevor die Tür ins Schloss fiel.

Heimlich hab ich schon die Wörter ausgesät

in die du mir jetzt zurückfällst

– und bist mir doch voraus:

ein Wort, ein Lied,

ein Loch im Bauch.

Das musst du füllen,

egal, wie du es hälst –

ich schütze dir den Rücken,

mit dem du dein Gesicht verstellst.

Rattenfänger in der schwarzen Jacke,

wir spielen dein Spiel:

du drehst dich um, du bist errstarrt.

Du, spiel du mir weiter,

ich denke mir die Regeln aus.

Saraj : evo : 2006

An der alten orthodoxen Kirche steht niemand

nach Kerzen Schlange : es fließt wieder

der Strom in den Leitungen : die Werbetafeln

blühen : niemand übernachtet

im Keller : draußen sitzt es sich gut

in kühler Luft an Juliabenden : wer denkt

hier an Granaten : ein Bier

die Tatrabahn humpelt wieder

durch die Straßen : unbeirrt

von ein paar Einschußbeulen : letzte

Zeugen : das irre Kind

das mit verdrehtem Blick : die Pistole

auf dem Spielplatz zückt : es knallt

es knallt : sonst nichts : kein Schuß

nur ein Geräusch : kein Prinz

& keine Schwangere fällt aus der Kutsche

nur die märchenhafte Wiederkehr

des Serail : Orhan Pamuk

liegt bei buybooks : türkische

Almhütten ducken sich

neben die geplatzten Paläste

der Habsburger : Hamburger-

Verkäufer : Habenichtse

in den Schaufenstern die verschleierten

Modepuppen : um fünf Uhr

legt der Muezzin die CD ein

mit dem Schrei in alle Richtungen

sprachlose Türme aus ölreichen Stromländern

wachsen dem Himmel entgegen : nur das Alters-

heim gähnt : schwarz & leer

O Wuppertal

O Wuppertal : daß ich mich deiner erbarme

du Chemnitz des Westens : verlassene Schwerindustrie : verhastete

Arbeiterstadt : nur von Zeit & Regen

verschlissener als deine Schwester im Osten : ein Systemwechsel

ist vonnöten : damit neue Herrscher dich

wiedererrichten auf den zertrümmerten Nachkriegs-

fassaden & dich umbenennen : ein Name
den du verdient hast : Friedrich-Engels-Stadt

Karstige Berge

Montenegrinische Frauen : stolz wie die karstigen Berge

entlang der schmalen Küste : wie es scheint

unbesteigbar : doch auch hier gibt es

für den Wanderer markierte Wege : am Morgen

zeigt sie dir mit Vergnügen die blauen Flecken

am Oberarm : ein verschmitztes Lächeln

huscht über das strenge Gesicht : aber

kein Blick in die Augen : das Spiel in der Nacht

hat ein Nachspiel : im Auto

wird sie dir ein Lied singen : rauchig tief

die Stimme : von den montenegrinischen

Männern können wir schweigen : entweder sind sie

gute Soldaten : stämmig mit rasiertem Kopf : oder

bauchige Paschas : die den Tag verbringen

in der Kafana : es lohnt sich

stolz zu sein : unbesteigbar wie ein karstiger Berg

Im Vektorraum (6)

Er saß in seinem Sessel und wartete auf das Essen, das irgendwann in seinen Mund schweben und die wunden Eingeweide mit neuer Nahrung versorgen würde. Er wußte, daß die Dinge ihren Lauf nehmen würden, wie sie immer ihren Lauf genommen hatten, von Anbeginn der Zeiten – seit Kugeln rund sind.

***

Ein Vektorraum ist eine Menge von Punkten, deren Verschiebungen entlang eines Körpers ein ähnliches Bild seiner selbst erzeugen. Ein Vektorraum ist – wie die menschliche Verfassung – ein gedachtes Ganzes idealer Beziehungen. Du sollst dir kein Bild machen.

Tanz’, Brüderchen, aber sieh zu, daß du niemandem auf die Füßchen trittst

WELIMIR CHLEBNIKOW  

Tod der Zukunft

  

I.     Mein Freund, wofür? Verwandter, gewandt! Zurück!

– Den Tempel aus Schüssen in meiner Hand,

Fünf Augen,

Fünf dunkle Flecken.

Ganz in Blut zucken Gimpel röter-röter auf dem Hemd.

Ließen flatternd sich nieder im Gebüsch, meiner Brust.

Ich starb und röchle, wie traurig.

Fünf Löcher in meiner Brust.

  

II.   Stirb nur und röchle.

  

I.     Keine Tat eines Anfängers.

Ich lobe dich, Verbrecher.

Hast mich zum Sieb gemacht.

Und jede Köchin wird dir dafür danken.

Verdammt! so ist es – glücklos.

Dabei wollte ich noch übern Newski schlendern.

Beginnen das Buch der Sonne, ihren Frühling.

Du gestattest die Frage, warum?

Ich werde es gleich erfahren.

Welch großes Buch hier auf dem Tisch.

  

II.   Ich weiß es doch selbst nicht, versteh, o Mensch!

  

I.     Sag, wann wurdest du geboren?

Tag, Jahr, Atemzug, Augenblick?

  

II.   Am sechsten Tag im Spiel der Klüfte,

Ein grüner Stern im Himmel kreuzte

Der Nächte Weg, strahlend wie Gott in der Höhe.

  

I.     Wunderbar, sieh her – Gesetz: jetzt

Öffne ich diese Klammer

Und bringe alles Geteilte nach außen.

Unserer Herkunft

Gemeinsamen Nenner.

  

II.   O nein, nicht so

Hatte der große Alte es verkündet:

Zu kennen Ort und Zeit genügte.

Und auch da müsste es anders sein:

Da stimmen die Potenzen nicht.

Wir vergaßen den Teiler gi-gi.

  

I.     Ha-ha, du kennst die Formel Murmel nicht!

  

II.   Welch schiefer und schwieriger Weg.

Da lob ich mir doch die Methode Wik-Wak-Wok,

Die hilft beim Rechnen.

  

I.     Ha, wundervoller Wahrheit erster Schimmer

Hängt schon überm Feld der Gleichungen.

Ich bin beim Sinn des Ganzen angelangt.

  

II.   Ja-ja, so ist es recht!

Genau das ist der Weg.

Die Klammern müssen verschwinden.

Ganz klar, ich musste töten. Aus diesem Grunde!

Ich danke Euch für die Erleuchtung.

Für des Gedankens präzise Arbeit.

  

I.     Und ich verstehe nicht, von welcher Potenz.

Doch neigen die Ahnen sich mir zu in letzter Wolke.

  

II.   Ich verstehe – und danke dem Getöteten.

  

I.     Ich danke dir, Mörder!

Einen Grund zum Denken gabst du mir.

So drücke ich fest die Hand

Dem grausamen Mörder.

  

(April 1921)  

  

WA SIS TD ASS OZ IALE?

PUNK IM SCHRANK: WIE

EIN GEDANKE DIE WELT

SPALTET IM SICH ANDI R