I’m ramblin‘ through my life,
The rhyms’ll be my wife-
The rhythm won’t be asian-ONE:
Its blues must shame (zens.) mother-tongue…
Forwards, the prize is hize.
I’m ramblin‘ through my life,
The rhyms’ll be my wife-
The rhythm won’t be asian-ONE:
Its blues must shame (zens.) mother-tongue…
Forwards, the prize is hize.
Ich hieß damals Paul und war mit Capablanca auf Zigarren. Sie nannten mich Morphy. Wir waren jung und schon ziemlich kaputt. Unser Gedächtnis war ein ewiger Worksong – keine Weltgegend, in der die singenden klingenden Hammerschläge nicht in irgend jemandes Traum widerhallten. Oh Amigo, weißt du noch, diese Partie im „Ambassador“ – und der Onkel von Bobby Fischer schmuhlte vom Nebentisch wie ein wildgewordner Berserker.
Wir trafen uns rechts in der Mitte. Ich machte dir ein Angebot, wie es damals in aller Munde war: nur ein halbes Pfund, bei der rechten Herzkammer. Es würde auch heute noch unsittlich sein! Tja, und du nahmst an. Heute, heut wissen wir alle: ich begab mich damit in deine Hand. Nicht mit Haut und Knochen, noch nichtmal bis hinter die Lauchfelder, aber der Vorteil einer reichen Geburt wäre heuer mit diesem Zug endgültig dahin. Wir machten eine starke Partie – ich bestürmte dich, du mauertest par elegance. Bobbys Pate bestellte einen Whisky nach dem anderen.
Dann trat die Tänzerin hinter dir durch den unsichtbaren Vorhang, eine Pferdedecke, wie es sie hier nicht gibt in den warmen Gefilden. Ich blickte sie aus den Augenwinkeln heraus an. Sie war geschmückt wie ein König für das Ritual. Ich war am Zuge. Ah – Malinche, marry Cortez – engarde! Ich schloss kurz die Augen und rechnete. Nebenan der Onkel goss drei Volle weg in der Zeit. Sechs Züge, und der nächste wäre die Gabelung. Ich zog in jenem Moment, da sie an unseren Tisch herantrat und ihr gefiedertes Augenlicht im Saal verströmen ließ. Du hattest keine Chance mehr auf Erden.
Ich gewann die Partie und starb einige Jahre später, während des nächsten Krieges. Ich hatte alles erreicht in unserem Spiel. Du aber wurdest ewiger Zweiter und warst zur Lohnarbeit verdammt. Kortschnoi oder Lafontaine … immer das gleiche fortan. Deine Konten dampften auf der Grenze – doch wo das Gras wächst hattest du keinen Zutritt. Im Niemandsland feierten wir die Kunst der Freiheit, Fliederfittiche zu improvisierten Bratpfannenkonzerten – später wohltemperierte Telefonkonferenzen zwischen Aldi und Hinterhof, dich aber machten sie einige Jahrzehnte später zum stellvertretenden Dramaturgen an der Royal Metropolitan. Oh Ami-Ami-Go, Jewgeni Schwaniachwili, musste es denn wirklich, wirklich so sein?
Marktflecken : fleckige Häute
ausgebreitet auf dem räudigen Gelb der Steine : unter
dem Pflaster nur Sand : die abgemagerte
Kirche kichert zu allem : was vorbei
zieht : die Zeit & die Zeiten
sie zuckeln an diesem Nest vorüber : jetzt
all the best from the west : waste
die Morawa spült ihn ans Ufer : den Müll
der Geschichte : wer lacht da
lustige Hirten sinds : die sich auf diesem
vergammelten Markt versammeln : fleckige
Gesichter : ausgehauchte Lichter
die ihren Witz im Namen hinterlassen haben
Es war schrecklich kalt. Träumte ich, dass ich schon wach sei und in einem eisigen Backofen darauf wartete, von hilfreicher Hand ins Hier und Jetzt sinnvoller Verrichtungen geführt zu werden, oder hielt ich wachend einen süßen Traum umklammert – die Überzeugung, dass es im Inneren des Schlafsacks noch wohlig warm sein müsste, während draußen der gefrorene Atem, einen eisigen Morgen anzukündigen, seine klirrende Kraft verströmte.
Ich wartete darauf, dass du deine Augen aufschlagen würdest. Mit vier Augen wären wir vielleicht in der Lage, einen Ausgang aus der vertrackten Situation zu finden: Zwei warme Körper in ihren Hüllen, die sich gemeinsam in einem Zelt befanden, dessen geschützter Innenraum durch eine dicke Eisschicht vom Rest der Welt abgetrennt wurde.
Das Zelt stand in einem Wald. Es war Februar, und wenn draußen nicht ein Wunder geschehen sein sollte, dann war der Wald nun tief verschneit. Dieser Wald war die Welt, in der wir uns gegenwärtig aufhielten, und die Aufgabe, die mit dem heutigen Morgen vor uns stand, die Aufgabe des beginnenden Tages, bestand einfach darin, einen Weg aus diesem warmen Innen hinaus in die weite, offene Welt zu finden. Und die Welt war ein stummer weißer Winterwald, dessen jungfräuliche Schönheit uns träumende Halbwesen so unwiderstehlich anzog wie ein nächtliches Feuer die Tiere des Waldes anzieht, Motten auf einer galaktischen Umlaufbahn.
Danach waren Wände da ohne errichtet worden zu sein
der Winter verging und dort
wo alles versperrt ist
blieb der lautlose Kampf der Kleider mit dem Wald
auch der Ort des Gesichts an dem wir nicht weilen dürfen
Gennadij Ajgi, Requiem für ein Mädchen
Veronika, denn so werde ich dich, wie wir beide, wie wir zwei nun geworden sind, wir mit Verotschka, ja … so will ich dich, Schwester – von hinter dem östlichen Stadion, Großstadt in einer Mitte, Verse Nike mit spitzen Fingern aus südlichem Mitteleuropa, Traumgrenze – nennen: so lagen nun zwei nebeneinander in einem Raum ohnegleichen. Hast du mich wirklich nicht erkannt?
Ich erkannte dich nicht. Ich lag neben dir, lauschte erst deinen schwebenden Atemzügen, atmete dann synkopisch dagegen, wunderte mich über die Unterschiede in dieser Welt, schlug mit dem langsamen Licht – einem fröstelnd gereiften Entschluss plötzlich die Augen auf und erschauerte: War das wirklich unser Atem?
An den Wänden ringsum, im geschützten Bereich dieser doppelt eingewickelten Leiber starrte mit tödlichem Glitzern das Eis. Es war dies ein neuer Morgen – eingeschnürt in seine Hoffnungslosigkeit wie in ein Korsett. Sonniger Frost brach sich an Fingerspitzen, leuchtende Flechten klebten grell und flüchtig am niedrigen Acrylhimmel einer Zeltbahn, Atemgedanken, die schnell wieder eintauchten in die unsichtbare Tiefe des Schlafsacks. Es dämmerte.
ich interessiere mich
mich interessiere ich
interessiere ich mich
drei noch
aber
die ergeben allesamt nichts neues
Es klingt gut. Was Golem da geschrieben hat. Und nimmt mich länger ein als lieb. Das apokalyptische Gemurmel, der kryptische Vers, die krude Vision vom MenschComputer. Selbstläufer. Funktionierendes System. Mystisches Gebräu aus Lehm und sciencefiction.
Golems sind der Sprache nicht mächtig. Wer hat dir das Plättchen unter die Zunge gelegt ?
Doch sein wir vorsichtig. Und gründlich. Im Denken und im Reden. Schließlich befinden wir uns hier abseits vom mainstream.
„Bauartbedingt“ weist der Mensch Schwächen auf, wenn man seine kognitive Leistungsfähigkeit mit Computern vergleicht. Gottseidank ! – ist man verleitet zu rufen, und promt sitzt man in der nächsten Wortfalle, der Dichter als Dauermieter ohnehin. Wer andern eine Grube gräbt.
Wer sich aber ernsthaft mit Kognition als biologischem Phänomen auseinandersetzen will, kann dies ja tun, Maturana und der Baum der Erkenntnis stehen zur Verfügung, u.a.m. Und wer dann noch in der glücklichen Lage ist, den Trost annehmen zu können, der einem entgegenwächst, wenn man die Identität zwischen Erkennen und Handeln nicht mehr leugnet, der scheint doch nahezu erlöst. Zumindest von der Agonie.
Städtisch geworden
Ist alles Weben
Der cardo wächst
Woher dieses Weh
Das leidige W
Ware Worte
Wunder Werke
Wahnsinn Wissen
Wünsche Wege
Wonnekessel
W W W
—
Nichts im Übermaß. Sagen die Griechen.
Aber die Römer sind nicht aufzuhalten.
Judy required a
high resolution graphics
from the chain store girl.
A wedding picture
she wanted to send
to her mum.
I was pointing at her.
And the sublime portrait
she threw on the counter.
Dressed up in a feather boa,
pictured from a magazine,
I was out to teach poetry.
Putting Judy
quaintly off her stride
when asking her
(oh, my god, a lesson you should have learned)
if she was married
to David Sylvian
while I knew
It was You.
Am Kreuzweg der Bus.
Der Wanderer.
Das Murmeln des Windes.
http://video.web.de/watch/4636459/Santiagos_Goettin_der_U_Bahn_verhaftet
„Ich interessiere mich für die Menschen, für die ich tanze – die U-Bahn-Fahrer.“
ICH INTERESSIERE MICH
The modern poet of the keys
today inscripts his frieze
on the sketchy fleeting screen
with the tongue of the Queen.
By the strange words, far born,
he uses for his poetry,
he can not get a simple bread
nor ticket for the local train.
He will not write a Scottish play
nor put in words one Irish day
but with working and allies
he could win the Austrian prize.
He left his home, it’s going to decline
like all the other empty hives,
it remains the worldwide one,
a lonesome bee, the swarm is gone.
diesen ort ließ ich aus : den versammlungs- +=+ ort : agora fahrender jünger +=+ junger fahrer : eingereiht & nach wartemarke sortiert +=+ es geht so friedlich zu : in hierarchien +=+ diskussion überflüssig : zeigen sie +=+ ihre papiere : schweigen & nicken +=+ durchschwirrt den raum : versammelte langeweile +=+ nur ich bin aufgewühlt & trauere : den zügen nach +=+ den zugigen bahnsteigen : als ich in schatzkisten +=+ die gestohlene zeit mit mir trug : ich werde +=+ mein leben ändern : ich werde +=+ erwachsen & mitglied der fahrenden zunft : ich werde +=+ wie ihr irre am menschsein
Selten so irdisch ein Frühjahr besungen
Bezwungen
den Berg
auf allen Vieren
Kalymnischen Ziegen den Schatten genommen
Geschwommen
im Keil des Mandarin
Jasmin
geschnüffelt
Holunderdolden
Und immer noch golden schimmert die Schuppe der toten Brasse
Gelaufen gelaufen und wieder gelaufen
Und selten so ungern ans Gehen gedacht
Im Wald der Drache.
Die stählerne Kralle.
Das fallende Holz.
In Berlin überlebst du dank deiner Gleichgültigkeit
die Museumswächter : ausstaffiert mit prächtigen
Schnurrbärten : weisen dich aufs Absurde hin
schütz deine Gesundheit : indem du vermeidest
dich anzulehnen : dich hinzusetzen : zu atmen
die Füße zu lüften : du könntest dir
eine Infektion einfangen : Berliner Marmor
ist sauber : kein Bakterium verendet
vor seiner Zeit : du mußt gleichgültig sein
willst du weiterkommen : in der Bahn
mußt du Augen & Ohren schließen : konzentrier dich
auf deinen inneren Film : wenn die Armee
der Obdachlosen ihre Straßenzeitung preist
einer schreit & krümmt sich : „Hunger!“ : torkelt
davon : hat wohl einen zuviel auf nüchtern
gehoben : eine gute Idee : trinken wir
auf die Nüchternheit : die Gesundheit : die Absurdität
die Dichter verkriechen sich in dunklen Räumen
Licht ist gefährlich : laß uns lieber
diskutieren : wie Poesie Brücken baut
zwischen Feinden : die Polizei stürmt
nicht in unser akademisches Kellerverlies : man
läßt uns in Ruhe : ist es nicht schön
in Europa : das dürfen die Chinesen nicht
frei sprechen : während die Herrschenden
Beschlüsse fassen : zur Konstruktion neuer
Waffen : Errichtung neuer Zäune : zum Abzug
der Steuern : wir Dichter verzaubern die Welt
so schön & lachen : damit wir die Gleichgültigkeit
nicht verlieren : damit wir überleben : damit wir
weiterkommen : die Stadt rauscht pausenlos
du kannst darüber hinweg hören : bis dich das nächste
Martinshorn weckt : bleib in den Gärten : die Stadt
pulsiert nicht : sie setzt sich ins Endlose fort
dir erscheint es als Leben : das Jammern
der Dichter über ihren endlichen Wirkkreis : gibt es
seitdem es Dichtung gibt : dir zur Freude
stell dir vor : die Dichter könnten überallhin
wirken : wir würden ersticken am Wort
die Gedächtniskirche hörte nicht auf
zu läuten : hinter hundert Versen maskiert sich
der Mörder : ich liege im Tiergarten & lausche
dem Rauschen : die Stadt ist mir : was für den Maler
die Grundierung ist : beflecktes Gelände
& setze meine Gestalten drauf : Berliner Dichter
laden die Welt ein : in schwarzen Limousinen
fahren sie vor : wie einsam : sie bemerkens nicht
& bleiben unter sich : ich bleibe unbemerkt
wie ein Spion erkunde ich Territorien der Sprache
tierisch laut im Garten : umrauscht & löffle
die Suppe aus : in die all die preußischen Wärter & Wächter
ihr Johanneskraut & ihre Brennessel geworfen haben
Auch im nächsten Jahr werden wir eine Inskriptionen-Anthologie auf Papier drucken & laden als Co-Juroren diejenígen ein, die sich mit den am meisten poetischen Beiträgen oder Kommentaren einschreiben. Als Kommentare gelten Entschlüsselungen hermetischer Texte oder Fortschreibungen im Stil des Protagonisten. Wertungen nach dem Schema „gut“ oder „schlecht“ werden nicht gezählt…
Die Weite ist nicht die Weite und die Enge nicht die Enge. Das wissen wir doch. Was also reden wir herum, was denken wir, so nach und nach, geschraubt, gedreht, gedrechselt. Ist das Freude, ist das Spiel, ist das gut fürs eigne Hirn, höhere Onanie sozusagen ? Oder ist es wirklich schon Unzucht, denkporno …? Zu schön um wahr zu sein. Die Denkdirne, die verstößt gegen Norm und angenommne Sittlichkeit, mit Worten und Gedanken, so drall und voll, daß einem das Blut zu Kopf steigt. Wundervolle Schweinerei. Wäre das. Ach. Lasst mich Denkdirne sein. Auf der Stelle. Jungfrau. Leibeigen. Um Lohn und Brot. Käuflich. Ich denke – sie zahlen. Das wäre das beste daran.
Doch gegen wen oder was soll ich verstoßen ? Akkusativ. Der Wenfall ist eingetreten. In jede beliebige Richtung kann man schlagen, es ist kaum noch einer da, den man umhauen könnte. Alles ist Norm. Alles ersoffen. In Freiheit. Stirbt die Scham, werden die Tabus knapp. Wo sind sie, die Tabus, die ich noch brechen könnte. Her mit ein paar neuen Tabus. Aber woher.
Suche Tabu – biete Unzucht.
Die Denkdirne.
Meines eigenen Kopfes Strohhalm
Guttapercha von Gänsehautlippen
Soll ich mein Bild deinem Goldglanz zuneigen
Wenn die Nacht ein Über-Ohr Leib
Lyrik auf Semmeltüten:
die ultimative
Verbaldiarhooe
geschrieben um entsorgt zu werden:
knittert leicht und innen
krümelts:
Herr Bäcker, Íhre Semmeln enthalten
zuviel Luft,
die abgelassen werden will:
Pffffft!!!
Las mal einen los, Mann
runter vom Sofa
ran an den PC
rauf auf die Semmeltüte.
Fliegende Darmwinde
auf Kettenbäckers Packpapier
Warten auf ein gemütliches Frühstück, garniert mit
Erdbeermarmelade, Feuerwehrrot,
Tu‘ den Farbstoff in den Tank.
Die letzte Zigarette
von Aldi
weist den Weg zum Klo.
Europa, Rohgestein –
So ist dein Fundament.
Dein Herz wie Spinnweb so
Trocken in der Wüste.
Die Kinder dein – unsere Angst:
So wie die Jungen einer Beutelnatter
Das Fleisch ihrer Alten verschlingen.
Einst glaubte ich den Geschichten.
Einst glaubte ich deine Brüste
Überschießen in Milch.
Ich sah dich andrängen mit Büchern
Aus denen die Orakel ihre Sprüche nahmen.
Ich hörte in den Wäldern
Dich heulen – Wölfe, die
Knochen ihres Klans zerknackend.
Ich weiß um das Spröde deiner Visionen:
Du schlossest die Türen
Für ihn, den stählernen Bräutigam.
Du entschiedst dich gegen die Liebe
Nur weil sie allein & ganz
Der Stille verschworen blieb.
Von ihr her sind deine Orakel genommen
Und die Prophezeiungen bestellt:
Du lachtest über die Blinden,
Obwohl du doch selber blind bist,
Kämpfend in dieser großen Nacht.
Kinder erben das Feuer.
Sie blasen seine Flammen in den Himmel hinauf
Und verbrennen andere im Schlaf.
Und was wird die Sonne dazu sagen?
Die Sonne wird lachen, denn
Selbst Wiegen brannte sie aus von Zeitalter zu Zeitalter.
Mit der Pleite des Aufbau-Verlages verliert Ostdeutschland endgültig seine Stimme im Chor des bundesdeutschen Verlagswesens. Christoph Links hat in seinen Beiträgen (siehe: Was wurde aus dem „Leseland DDR“?, in: ders. (Hg.), Am Ziel vorbei, Berlin 2005) schon vor Jahren auf den ökonomischen Irrsinn hingewiesen, der eine gesamte Region zum Absatzmarkt degradiert, die Wertschöpfung aber liquidiert. Ist es als Preis der deutschen Romantik zu verstehen, daß auf ökonomische Folgen politischer Entscheidungen in diesem Land zu wenig geachtet wird, sobald sich ideologische Gespenster vor den Augen tummeln? Die schrumpfende ostdeutsche Bevölkerung hat sich damit abgefunden, scheint es, daß die Mehrheit der Gesellschaftsmitglieder auf Dauer alimentiert werden muß. Das Anziehen der Daumenschrauben (Hartz 4) versetzt Gefesselte nicht in Bewegung. Über das ökonomische Ausmaß der treuhändischen Abwicklungspolitik sind wir uns mittlerweile im Klaren: es gibt in Ostdeutschland keine nennenswerte Verlagsproduktion mehr, nur 2,2 Prozent der lieferbaren Titel werden im Osten verlegt (ZEIT, 19. 6. 2008). Es gibt nur noch diverse Liebhaber- oder Nischenproduktionen, ein Negligé für den gesamtdeutschen Buchmarkt, eine ökonomisch zu vernachlässigende Größe, die für die Kulturpolitik und die Branchenverbände immerhin noch ausreicht, um der Öffentlichkeit in Hochglanzbroschüren das Bild von einem florierenden Geschäft zu suggerieren. Im Verlagswesen zeigt sich um einen Deut klarer, was auch in der übrigen Wirtschaft gespielt wurde: ein radikaler Kahlschlag, der bestenfalls vom Niedergang des Buchhandels insgesamt in Folge der Digitalisierung jemals wieder eingeholt werden kann.
Die Frage, die sich anschließt, lautet: Was bedeutet die vollständige Liquidation des ostdeutschen Verlagswesens für die Kultur und das demokratische Experiment eines Landes, das in seiner Geschichte üble und übelste Diktaturen hervorgebracht hat? Darüber wird auffällig wenig oder gar nicht diskutiert – ein Mangel, der mit dem Fehlen der materiellen Basis demokratischer Meinungsäußerungen, der Existenz unabhängiger Verlage, merkwürdig korrespondiert. Die westdeutschen Meinungsmacher, die seit vierzig Jahren, genauer: seit 1968, in ihren Redaktionssesseln lümmeln, hauen gern mal verbal auf ihre ostdeutschen Landsleute ein, wenn es darum geht, nach einem rechtsorientierten Überfall oder Wahlsieg der Linken Demokratiedefizite in irgendeiner Kleinstadt zu bejammern. Daß den Ostdeutschen die eigene literarische wie politische Stimme entzogen wurde, indem man nach dem Fall der Mauer den ehemals volkseigenen Verlagen einen Bauingenieur als obersten Verwaltungsbeamten mit dem Auftrag vorsetzte, sie schnellstmöglich zu verscherbeln, koste es, was es wolle – diese vom Westen inszenierte Entmündigung wird von den heutigen Moralaposteln stillschweigend übergangen. Sie ähneln Eltern, die ihr Kind zwar gut füttern, die ersten Lallversuche aber als Ruhestörung mißverstehen und mit Klebeband vorm Mund bestrafen, um das Kind dann, wenn es – berechtigterweise – bockt und trotzt, erst richtig zu verprügeln oder dem Jugendamt vorzuführen, damit es in Obhut genommen werde. Seit dem Fall der Mauer erleben wir die verlegerische Inobhutnahme der Ostdeutschen in westdeutsche Fürsorgeanstalten, wir erleben eine beispiellose Entmündigung, die auf Sammetpfoten daherkommt, nicht mit den Mitteln der politischen Zensur, sondern des ökonomischen Zwangs agiert.
Woher kommt das nachhaltige Desinteresse in der ostdeutschen Bevölkerung an der Entwicklung der Demokratie und der Hochkultur? Wie kommt es, daß ernsthafte Fürsprecher der beiden letzteren allenfalls ein müdes Lächeln ernten, wenn überhaupt? Ist es die angebliche Unbelehrbarkeit oder Starrköpfigkeit des ostdeutschen Charaktertyps, der eben über anderthalb Generationen hinweg durch den Stalinismus versaut worden sei? Xenophobische Spekulationen dieser Art werden noch in manchem Wohlstandsnest des westdeutschen Hinterwalds gepflegt – mit der Lebenswirklichkeit haben sie wenig gemein. Die tägliche Erfahrung der Stimmlosigkeit läßt niemanden verhungern. Es gibt keine Demonstrationen, solange die Entmündigten noch einigermaßen satt sind. Niemand hat es nötig, für das Recht auf Meinungsäußerung auf die Straße zu gehen – denn das Recht steht formal jedem offen, darum geht es nicht. Es geht um die materielle Grundlage, seine Meinung – und sei es nur seine literaraische und ästhetische Überzeugung – in den Diskurs werfen zu können, ohne daß sie zuvor von westdeutschen Redaktionsstuben und Lektoraten gefiltert wird. Wenn es Menschen nicht mehr möglich ist, ihr Menschsein zu artikulieren, hören sie allmählich auf, Mensch zu sein. Der Mangel an ungefilterter Äußerung (früher hieß das Authentizität, aber sie ist in Verruf geraten) entwertet nunmehr die gesamtdeutsche Demokratie und überführt ihre Apologeten der Lüge. Wer sich vor jeder Wortmeldung hinten anstellen muß, wendet sich irgendwann ab. Die Themen im öffentlichen Diskurs der Bundesrepublik werden von einem Filz bestimmt, der einer „Wende“ bedarf, einer personellen Erneuerung. Wie wäre es die Leitungsstellen in den öffentlich-rechtlichen Anstalten grundsätzlich auf fünf Jahre zu befristen? Ich höre schon die Kritiker, die mich aufs Internet verweisen und die Freiheit, die dort zu finden sei – sie ist tatsächlich zu finden und deshalb stehen diese Gedanken dort.
„Aufbau“, das einstige Flaggschiff der DDR-Verlage, war das letzte Feigenblatt, das die ostdeutsche Entblößung von literarischer Wertschöpfungskapazität verbergen sollte. Paradoxerweise hat die politische Zensur, die die DDR auf die Literatur- und Kulturszene ausübte, zu deren Wertsteigerung beigetragen und den mittlerweile verhallten Ruf vom „Leseland“ erst hervorgezaubert. „Aufbau“ suggerierte, daß es einem ostdeutschen Verlag möglich sei, im Chor der Konzerne und Meinungskartelle mitzusingen. Der äußere Schein war beeindruckend. Nun ist die Hülle gefallen und jedermann sieht: dahinter ist nichts.
Hechelndes Klappern der Tastatur : das heißt Schreiben
die Ohren geschützt vorm Geplapper am Nachbartisch
durch schwarze Stöpsel : aus denen Musik quillt
wie Mineralwasser : klar & medium
gerade gereckt : der Rücken : fällt
in sich zusammen : Haltung bewahren
darauf kommts an : wir schreiben alle
irgendetwas : meistens Berichte
die drei Tage später schon wieder vergessen sind : wenn
überhaupt & unser Schreiben ist wichtig
Vom Bahnhof aus liefen wir mehrere Stunden in den Wald hinein. Die Zweige der knisternden Tannenbäume entfalteten sich vor den Augen zu einem grünen Teppich, auf dem der Blick ruhen konnte wie auf einer Couch. Kalte Luft drang in die Nase, ihr würziger Duft war ein seltsames Gemisch aus Sonne und Schnee. Je weiter der Tag voranschritt, um so tiefer gelangten wir in die Wildnis. Einzelne Spuren verteilten sich im Weiß. Die gleichmäßigen Schritte verloren allmählich alle Konturen, die Bewegung sorgte für sich selbst, nur die Gedanken schweiften immer öfter dem unwillkürlich kreisenden Blick hinterher und versuchten, die beiden, scheinbar unvereinbaren Ideen von frierendem Schnee und wohligem Schlaf zusammen zu bringen. Es begann zu dämmern. Leichter Wind kam auf. Nun galt es, einen Lagerplatz zu finden.
– Da hinten sieht es ganz gut aus.
– Nö, das ist zu abschüssig. Laufen wir lieber noch ein Viertelstündchen.
– Gut. Aber in einer halben Stunde ist es garantiert dunkel.
Und die Nacht kam ohne Umschweife. Sie brach über uns herein als zittriger Schwall schnell in die Glieder einsickernder Eisluft. Wir bauten im Halbdunkel das Zelt auf. Versuchten mit klammen Fingern Feuer zu machen. Es ging immer wieder aus. Schließlich flüchteten wir vor der unerbittlichen Kälte ins Innere des geschützten Bereichs.
Was mochte unter deinen Lidern vor sich gehen? Du lehntest in der Ecke des Abteils, der rote Lederbezug der Sitze war ein ziemlich schäbiger Himmel, und die Gestalt, die mir da gegenübersaß, war durchaus kein Engel, es war ein menschliches Wesen, Fleisch und Blut mit engelsgleichem Antlitz. Die roten Ledersitze waren abwaschbar, und nachdem auch die Mutter mit ihrem Sohn ausgestiegen war, hätten wir bedenkenlos die Armstützen hochklappen und uns im Abteil bequem ausstrecken können. Der Raum war ganz in Schlaf gehüllt. Ich versuchte den Rhythmus deiner Atemzüge zu ergründen, irgendeinen Reim musste es auf das stille Vibrieren dieser Augenlider doch geben – allein, ich war mit meinem Blick und und meinen Gedanken ganz und gar außerhalb deiner, und du warst eingekapselt in den Raum dieser Ecke dort wie ein Ungeborenes in die Flüssigkeit seiner Fruchtblase. Ja, mir war tatsächlich mulmig zumute. Zwischen Kopf und Bauch wanderten wunderliche Gestalten hin und her. Und du, du saßest mir gegenüber wie in einer anderen Welt. Ich war das Auge, welches dich zum allerersten Mal erblickte. Du aber hieltest deine Augenlider hartnäckig gesenkt.
Gedichte hören heißt den Wind hören : das Rauschen
grau : des Verkehrs : das Verstummen
der Stimmen : Gedichte sind hörbares Schweigen
urbar gemacht : Rohstoff
der Ohren : Gedichte nisten in Pausen
massieren das Trommelfell : finden
den Weg durchs Labyrinth der Gehör-
gänge : rufen Schwindel hervor : das ist
die Wahrheit : Gedichte dröhnen nicht
sie gehen der Musik voraus : sie dünkt
sich dem Universum gleich : Gedichte
klingen : ohne zu singen : reine
Vorstellung vom Klang : vergiß
Rhythmus & Jambus : Trochäus
Gedichte zu hören heißt hören
Gedichte lesen heißt Gedichte schreiben : wer liest
der schreibt sie neu in seinem Kopf : der Klang
entsteht im eignen Ohr : des einen
Schönheit ist des andren Haß & Wahrheit
ist eine flüchtige Muße : erfunden
im Auge des Dichters fällt sie
in den Blick des Richters : Dichter
sind Richter : vergiß
Reim & metrische Bindung
Und meine sieben wunden punkte
auf denen die großen ochsenfliegen
ihre eier ablegen neben die du dich
hinsetzt als wäre es normal verdammter
streichst mit der linken über mein stoppelfeld
das waren mal wünsche sind jetzt abgemäht
ziehst mich fest zu dir dass ich rauch fisch
und fäule rieche und zeigst mit dem finger
schau da drüben die hübsche kleine dichterin
wie sie in ihren elfenschuhchen spaziert
wie sie ihr köpfchen ruckt und wünscht sich
ein wenig wehwehchen in ihren text
als gewürz – Wollen wir sie abschießen?
Au ja das wollen wir! Das wollen wir!
Peng
Wir werden einen Schneesturm fordern,
damit er treibe
durch Abgründe der Vitrinen.
Gennadij Ajgi, Frau von rechts
Ich war einverstanden gewesen. Wir trafen uns am Bahnhof und nahmen den Zug in Richtung Süden. Hinter dem Fensterglas lagen die verschneiten Wiesen und Felder in der Sonne, sie zogen am reglosen Blick vorbei wie Bilder einer besseren Welt, im überheizten Abteil war die Luft äußerst stickig. Die drei Stunden Fahrt vergingen wie im Fluge. Wir sprachen wenig. Von Zeit zu Zeit sahen wir einander an und schienen dann jedesmal gleichzeitig zu erschrecken ob der offenkundigen Verrücktheit von Mitreisenden. Einmal wurde die Tochter einer älteren Frau so mir-nichts-dir-nichts nach Amerika geschickt, immer noch besser als ohne Mann und ohne Job in der Provinz zu versauern, ein andermal durfte ein kleiner Junge nach zwei Stunden inständigen Bittens drei Stücken Schokolade essen und verdarb sich dabei fast den Magen. Der Schaffner grüßte freundlich, aber diskret – das schwarze Tuch um deinen Hals sah verwegen aus. Ich begann mir Gedanken zu machen: Könnte ein Schlafsack zu dieser Jahreszeit überhaupt den vom wachenden Geist verlassenen Körper so warm halten, wie die gleißenden Träume es erforderten? Würden nicht die Schuhe durchweichen und schließlich die Füße erfrieren? Je näher wir unserem Ziel kamen, um so mulmiger wurde mir zumute. Und du, du hieltest die Augenlider hartnäckig gesenkt.
„Wir leben nicht im frühen 19. Jahrhundert.“
Plagiat der dt. Romantik, schon die Familie Mann
Erkannte diesen Stilfehlgriff
rechtzeitg und
hat sich aufgeschwungen
Tradition und Moderne
in ein harmonisches Gleichgewicht –
zu pre— halt!
In Müsli-Harmonie
un-gepost-modern, gekleidet
Pastell, nicht neon,
nicht gelb, nur grün –
dann schon lieber Vokuhila.
„Zurück zur Natur!“
und ins Orkustürmchen
elitärer Dichtkunst.
Liebe Jungen und Mädchen, wollt ihr
mit Johann Wolfgang verkehren?
Bedenkt, er war vielleicht ’ne Schwuchtel.
Dann schon lieber Vokuhila.
Kleben bleiben, in der Oberstufen-Ära,
kleben hält jung.
(die Tasse hat nen Sprung, um Himmels willen, meidet den Reim, weidet den Leim, schneidet den Keim…)
Zu Boden mit Euren 200 Jahren!
Retro für echte Zeit-Bomben,
da muss wohl noch Napoleon
seinen Kanonendonner abfeuern
oder die Guilloutine Euch
den Kopf kürzen,
aus dem naturkonform,
biosamennah – du heiliger Kartoffelsack –
Schrotmühlengemahlen, wie Max und Moritz,
durch die Rollenpresse reproduzierbarer Kupferstiche,
Euer naturnahes Gekrümel bröselt.
Dies sind Eure Wanderjahre, verlebt auf dem Sozialamt:
Raus aus dem deutschen Wald und auf ins Feuchtgebiet.