Der menschliche Wahnsinn

1

Er ist jetzt kein Problem

und wird später

garantiert keines mehr sein.

Die Zeit nimmt ihn fort,

still verzagt,

gegen jedwede Vernunft.

Im Text am Werk,

will er mit seinen Kindern

ein unbeschreibliches Leben führen.

Wir lassen ihn gewähren

auf dieser Entdeckungsreise

durch die Bestandteile des bloßen Atems.

Und wie von selbst

kullert er nun den Berghang hinunter

zum gegenüberliegenden Ende.

2

Im westlichen Gazastreifen

Maßnahmen der Bundesschutzpolizei

zur Bewahrung vor ihm.

Es besteht die Gefahr,

dass irgendwer die Kontrolle verliert,

wenn das Herz nicht dabei ist.

Zwar werden bewundernswerte Teilergebnisse gemeldet,

die man sammeln soll

wie Ideen im Halbschlaf.

Doch ist ein Kunststück nicht eigentlich erst da,

wo der Hütchenspielertrick gelingt

ohne mit dem Gürtel zu schlagen?

3

Er war so winzig in seinem Bettchen,

doch sieh, wie groß er nun gegen den Himmel absteht,

purpurn verschattet.

In solch einer schwierigen Lebenssituation

halten sich längst nicht alle so,

was denkst du denn.

Wenn ehrenamtliches Engagement gefragt ist,

spricht er ambivalente Worte

über Genosse Mielke.

Zum zigsten Mal heißt er Janislaus Kromberg,

spielt hinterm Friedhof eine kleine Partie,

die null zu null ausgeht.

Ob irgendetwas dieser Art

auch in anderen Zimmern stattfindet,

wissen wir nicht.

Ebenso nicht,

warum genau dieser Baum sterben musste,

jetzt in seinem zwanzigsten Jahr.

Nur soviel ist gewiss:

Wir haben in ihm das faszinierendste Geschenk erhalten,

das je der Mensch von sich selber erhielt.

DONG!

Albträume, albträume, die sind, albträume, albträume, abträume, nicht sein- sie sollen dong – machen, nicht sein, dong machen, dong, dong, dong – nicht sein – ding, dong – albträume, albträume…

In diesen Sommernächten

zerbrechen die Träume oft

an der vom Wind weg getragenen

Wärme

 

Die Kühle umfängt, der Pullover,

leger um Hüfte oder Hals geschwungen,

ersetzt den Menschen,

der nicht seinen Arm um dich legt

 

Die Mauern der alten Gebäude

spenden ihre vom Tag gespeicherte Wärme

an das emporstrebende Nichts

Der Himmel leuchtet feuerrosa

 

Ein junger Mann springt stürmisch

von seinem Fahrrad

packt seine Geige aus, stimmt sich ein.

Eine dieser Sommernächte beginnt.

mediterran 1

einer Gazelle gleich schleicht der Bischof
unter den Pinien am Ufer entlang

die Bucht : ein natürlicher Hafen
keine Wellen : nicht mal bei Sturm

hier läßt es sich streifen durchs Unterholz
der Robe beraubt : das sieht jedermann nach

diese Hitze : um den Hals baumelt
angekettet das Kreuz : im Gleichtakt

mit dem Geschlecht : im Schritt
ist der Bischof ein Mann : wie jedermann

spähend nach einem Knaben : harmloses
Abenteuer : aus dem keine Kinder erwachsen

Anbeipause

Sehr geehrte Leser! Nach reiflicher Überlegung eröffnen wir heute im Inskriptionen-Reich eine neue Rubrik. Die Redaktion erhofft sich von dieser Maßnahme ein neues Stück Pergamentpapier.

Orfeusz [0, 1]

Alles begann damit, dass aus der C-Dur-Mundharmonika ein kleines schwarzes Pferdchen hervorlugte und sich leise wiehernd aus dem Staub machte. In der Ferne fuhr ein Mähdrescher über die goldene Ebene, eingehüllt in eine Wolke undefinierbarer Substanzen begann das Licht unmerklich zu verschwinden. Pim lag auf seiner Decke und starrte auf die sich am Horizont entfernenden Schatten. Das tiefe Brummen der Maschinen wurde vom Wind zerklüftet, stark drehend drang es immer wieder leicht anschwellend bis hierher. Instinktiv wusste er, dass etwas Unsauberes im Gange war.

Ich fühle mich oft nicht

wohl in meiner Haut

auf dem Faden der Sekunden

zerbricht das Licht in Streifen

 

sie glänzen, einer Sichel

zwischen den Lampen gleich

Das Leben betrachtet sich von Außen

Ein Fahrradfahrer kreuzt von rechts

 

In der Ferne klingt Musik

Zwischen S-Bahn Geräuschen

tanzen Paare, wiegen sich

in der Gewissheit, fadenscheinig.

Venedig

die Schlauen sind fort : die Kaufleute
& Generäle : Kramhändler zieren
Gassen & Plätze : Damenschuhe
klappern : Amerikaner suchen vergeblich
nach ihren Wurzeln : Kinder : in Gruppen
angereist : singen längst vergessene
Schlager : ein Murmeln : das nachhallt
hörbar über dem Schlagen der Wellen
bringt die hautkranken Häuser zum Bersten

wie räudige Katzen : ausgesetzt : streift man
herum : dies ist ein Ort : man fühlt sich
zusammengehörig : in Weltsprachen plaudernd
über Bellini : verläßt man eilenden Schritts
die Galerie : heitert sich auf im Café
ich streune umher : höre Schreie & Schritte
nachhallen : folge den Herren in braunen
oder blauen Mänteln : besitzergreifend
schmiegt sich Arm um Arm

im Schaufenster blitzen Gesichter auf
man dreht den welterfahrnen Kopf
gegen das Tag für Tag gleiche Angebot
Wurst & Salat : man urteilt & schreitet
zum nächsten Sklavenmarkt : in der Hoffnung
alles muß weitergehen : einst stemmten
die Bauleute Steine als Bollwerk ins Meer
sie starben & andre vollendeten ihr Werk
einst hörte man den Nachhall der Hämmer

Vor einem Monat

f.L.M.

Der schönste Mensch der Welt ist ein

Dichter. Walross ohne Bart, Haare & Zähne –

Berg in den Weiten des Wassers, darin die

Worte ertrinken wie Eisschollen; alles schmilzt. Dieses

Seltsame Wesen aus Witz, Schmerz, Freude & dem

Blitzen eines Salztröpfchens auf der Oberfläche des Planeten

Ist Teil der Kristallstruktur des Universums.

Pompeji

verkohlte Wände : verstohlene Blicke
Epikurs Lebensfreude : Priapus vorm Haus
Gebete um Fruchtbarkeit : nicht zur Einkehr

lüsterne Blicke der Stoiker auf dichtes Wohnen
der Lust gewidmet : nicht der Rechnung
Mikrokosmos : Zeugnis einer glücklicheren Zeit

wäre nicht der Vesuv
räschend über sie
hergefallen

Held des Himmels

Inmitten finsterer Weite, wüst & leer.
Das Licht ist eine Wolke weißer Punkte.
Ein jeder sticht das Helle in die Schwärze.
Am Rande blüht es leise vor sich hin.
Das Ganze ist ein Ohr, darin die dünne
Luft der Räume Dunst in den Synapsen bildet.
Die unsichtbaren Teile ziehen in Schwärmen
Durch finstere, wüste, leere, weite Räume.
Das Licht ist eine Wolke warmer Dünste.
Am Rande blüht es leise vor sich hin.
Die Linie zwischen Punkten, fern im Dunkel
Füllt Möglichkeiten in die Dimensionen. Schwach
Schimmert es am Rande. Fetzen blühen,
Ein Blitzgeruch weht nach der Mitte hin.
Der Linien viele von den Rändern – des Himmels
Her verstricken sich im Raum. Es ist ein
Großes Ohr nun in der Weite, darin die dünne
Luft der Räume Dunst in den Synapsen bildet.
Es ist ein Zucken weißer Punkte nun.
Der Kosmos sucht sich einen eigenen Körper.

leergeräumt

leergeräumt

Siehst du die Sterne, sagt er und zeigt in den Himmel.

Aber klaro sehe ich die Sterne!

Erkennst du den Kleinen und den Großen Hund?

Wo rennen da Hunde herum?

Siehst du den Hasen? Und da, neben den Hunden, siehst du den Jäger Orion?

Eine richtige Jagd!

Erkennst du da drüben den Stier?

Gibt es jetzt auch schon Rindviecher im Himmel?

Aber den Fuhrmann erkennst du, schau dort hinüber, siehst du ihn?

Den Großvater? Er ist tot! Papa, du hast Halluzinationen!

Den Löwen, dort drüben, wo die Sonne bald aufgeht, den siehst du doch?

Liegt jetzt Afrika im Himmel?

Die Zwillinge wenigstens wirst du doch sehen!

Hast du zu viel getrunken, Papa? Die liegen im Bett und schlafen hoffentlich!

Wenn du in den Himmel schaust, was siehst du dann?

Ich sehe den Himmel.

Und weiter?

Nichts weiter!

Du musst doch die Sterne sehen!

Natürlich sehe ich die Sterne.

Und weiter!

Was weiter?

Was siehst du, wenn du in den Himmel schaust?

Nichts!

Ohne Worte frage ich dich

Darf ich deine Puppe berühren?

Wer bist du?

Magst du diesen Ball mit meinem Würfel tauschen?

Sind seine Ecken nicht spitz?

So wie ihr Köpfchen glatt?

Und dieses Aufflattern, ist es nicht erschreckend und beglückend zugleich?

Willst du mit mir spielen?

Ist das Leben nicht schön?

Kommst du mit?

Wollen wir gemeinsam hier schweben, schweben?

Du bist missmutig, warum?

Gefällt dir denn mein Schweigen nicht?

Neapel

wie geschaffen sind die die Uferpromenaden
für Motorinos : die Stadt lebt mit dem Meer
für frische Luft ist kein Platz in den Gassen
Hanibals Elefanten passen nicht hindurch

bunter Plunder liegt ausgebreitet uns zu Füßen
Haijin-Container stapeln sich am Hafen : Burgen
die Stadt wird belagert & hungert aus : im Museum
gibt es noch Jobs : acht Stunden Nichtstun

auf starrende Touristen starren : solche Jobs
sind ein Luxus : du findest die Neapolitaner
an den Ständen in der Via Umberto Eco I. : Einkaufs-
meile der Straßenhändler : Schwarze

verhökern rosa Bommelmützen : Tunesier
widmen sich dem zeitlosen Geschäft
mit Damenledertaschen : fälschungssicher
imitiert nach dem Design von D & G : Chinesen

verschreiben sich der Zukunftsware : knallige Waffen
als Kinderspielzeug : das Heer der arbeitslosen
Neapolitaner besinnt sich auf den Verkauf der ruhmreichen
Vergangenheit : Würstchen & Konzertgitarren

in der Luft liegt das Lied von der brüllenden See

Das Gerüst

Welch seltsam Mantel aus Geraden-
Stücken und Knoten in der Luft hat
Das alte Gemäuer sich zugelegt?
Überall nur Quader, Ritzen, leere
Segmente – ein loser Stoff, worin das
Nichts die Abwesenheit der Materie
Zur universellen Fraglichkeit allen Sinns
Verbaut – Ritzen und Löcher, Kupplungen
Für das Jauchzen der Form unter unter-
Schiedlichen Bedingungen; auf den Brettern
Bewegen sich Moleküle von Händen, ihren An-
Sammlungen fehlt es an Zeit, sich in Ruhe
Zu betrachten. Nachts scheint das Gebäude
Zu frieren: aus dem vibrierenden Dunkel
Des Traums, der klobigen Hülle aller denk-
Baren Möglichkeiten hebt sich der Umriss
Eines Plans über die Tiefe, wo die Samt-
Schichten wolkendurchatmeter Zeit sich zu
Winzigen Gebirgen auftürmen, nur Metaphern für

Das Förderband

Vollständig entleert gleiten die eisernen Schlünde talwärts. Nach Erfüllung aller Zwecke hat die Seele wieder Ruhe für einige Zeit. Zugrunde gegangen beißen sich die Motoren ins Erdreich. Unmerklich geht es vorwärts. Alles verschwindet. Was bleibt ist grundlos leer. Blitze wie Bites aus Sätzen von Blei. Der Aufstieg des Erzes ist hier Maßstab des Dauerhaften. Der lange aufgeworfene Staub türmt sich in den Himmel. In der Luft liegt ein Gespinst bizarrer Frequenzen. Das langsame Schaudern der Stahlgeometrie, aus Geraden und Kreisen zusammengefügt. Frequenzen. Frequenzen. Fast scheint’s die Sprache sei zu grob für permanente Drehungen, Blickachsen durch das mannigfaltige Gewebe. Neue Wolkenschichten. So füllt sich die Lunge von unten her. Das unsichtbare Reich des Staubs erzeugt seine Skulpturen. Träume, angefüllt mit Wasser aus den berstenden Strömungen. Das Licht ein zeitloses Dämmern, gleißende Funkenbrücken inmitten des Schlafs dieser Landschaft.

Solveig

Ohne bücher und ohne das lesen hätte ich meine kindheit und jugend nicht überlebt, besonders nicht die zeit, als es zuhause so schlimm war.
Solveig drehte den kopf und starrte durch den raum. Auf dem tisch lag ein angebissener apfel, schon ganz braun.
Die kräche zwischen vater und mutter, meist nachts, die schläge und die tränen. Bücherlesen war keine flucht, sondern die einzige rettung!
Sie erhob sich vom stuhl und ging zum fenster.
Hörst du mir überhaupt zu, fragte ich.
Sie öffnete das fenster und stieg auf das sims.
Ich beobachtete sie genau.
Sie sprang. –

Gut, dass wir parterre wohnen.

Die türklinke ging nieder, Solveig trat ein.

Was hättest du getan, wenn wir im achten stock gewohnt hätten? fragte sie und setzte sich wieder auf den stuhl.

?????????? ?????? (Siwerskyj Donez)

Ich binde mir eine lunge um

und atme tief durch. Ich erzähle Ewa von dem traum, den ich letzte nacht hatte und auch die nächte davor. Wenn ich lange genug im bett wach liege, höre ich, wie der zement im mauerwerk arbeitet. Es knackt, wie wenn du einen marienkäfer mit dem daumennagel zerdrückst. Ewa steht oft mitten in der nacht auf und öffnet die haustüre, damit die katze am morgen zurückfindet. Manchmal schlafwandelt Ewa auch nur. Dann fragt sie, wer die haustüre aufgesperrt habe und wo die katze sei. Am liebsten atme ich salzluft.

Die lunge wird nicht für lange reichen. Ich muss sie mit Ewa teilen und der katze.

Oder gute frische bergluft. Ich glaube, der zement löst sich auf. Irgendwann wird der wind durch das mauerwerk pfeifen und die kälte wird eindringen, oder ich werde durch die ritzen das tageslicht sehen. Ewa ist eine gute und tapfere frau, sie beklagt sich nie.

Eines tages werden mich die lungenflügel hoch in die lüfte tragen. Ich binde mir eine neue lunge um und atme tief durch. Ewa fragt mich, ob ich wieder meinen traum hatte. Heute hat sie sogar die katze vergessen und die haustür nicht aufgesperrt.

Pfuuuuh!

Im Kaffee Kleist: Kakao, mit Haut bitte. Die Haut von elefantener Beschaffenheit. Der Monokelträger schiebt einen Gummisaurier auf den Tisch, der von Ms. Pistole bewundert werden soll. Er ist etwas dickbäuchig, der Saurier, und verfügt über einen grünen Kamm am Rücken. Das Tier ist von Rossmann, aus der Badeabteilung, das ahnt Ms. Pistole. Und reife Herren haben Spieltrieb, dem Gummisaurier wird auf den rosafarbenen Bauch oberhalb der kurzen Beine gedrückt. Pfuuuuh! Mit „Tüüüüühhh“ geht die Luft wieder rein und das Gummi bläht sich zurück in seine angestammte Position. Wenn jetzt nicht Winter wäre, denkt Ms. Pistole, ich glaube, ich hätte einen Sonnenstich. Zum Wohl. Sie hebt das Glas, in dem roter Wein zu Boden liegt. Sie hebt, hebt es – und prostet dem Monokelträger zu. Gut, dass ich heute pünktlich war, doch beim nächsten Mal werde ich – falls es in der Region zwischen Venus und Mars, und vielleicht auch im interstellaren Raum –  zum Wohl!

Ein Sommergruß

Die kleinen Buckel

Im Atem zittern

Stumm

Ihrem Tal  entgegen: grün

Wächst das Gras auf den Wolken, der zukünftige Mensch

War nichts als Kind

War nichts als

Gestreckter Nackenkörper

Und hoch oben der Schnee

* * *

für Armin

Das Herz

Ist ein Gespinst aus

Nerven, zwischen seinen

Fasern hängen die Träume

Schwer

Im Nirgendwo. Der Raum

Vor den Augen bindet

Alle Farben, kaum

Hörbar ihr Gewisper:

Fertig, fertig, fertig

Wird es nie sein

Das Kraftwerk

Gedichte in die Produktion!

Tod den Märtyrern!

Wer nicht denkt, soll auch nicht sprechen!

Jeden Abend Feierabend!

Für das Ende der Geschichte!

Jede Feier bis zum Morgen!

Nie wieder Alkohol!

Hände weg vom Lenkrad!

Kein Keller ohne Überschwemmung!

Dem Frühling die Freiheit!

Freie Fahrt für blaue Würger!

Jedem Brötchen seinen Aufschnitt!

Kein Klavier ohne Stimmung!

Tod dem Menschen, es lebe die Knuts