In fernen Tagen, wenn Licht und Finsternis, Herz und Verstand, Wasser und Stein, Welle und Teilchen, Gedanke und Erinnerung, Durch nichts Sich unterscheiden, Werden wir eingehen In die Ewigkeit Von Raum und Zeit Am Ziel einer langen Reise. Und niemand wird Je von ihr erzählen. Poetische Schwingungen, Zarter Klang stummer Töne. In allen Farben Konturloses Schweigen. Der Morgen danach Wird ertrinken im Meer Unendlicher Schönheit.
Ein blasser Mond, Im Blau schwimmend, Er kennt meinen Namen nicht. Hinter Schleiern die Sonne. Unklare Tage, Licht der Lüge, Trugbild von Erwartungen. Die Zukunft, die Unbarmherzige, Nimmt uns mit großen Schritten Mit sich fort. Auch sie Kennt meinen Namen nicht. Deine Spuren im Sand Verlieren sich am Horizont, Und der Wind der Zeit Verweht alle Gedanken. Kanntest du meinen Namen? Worte, geschrieben im Staub Der Vergangenheit. Im Spiegel Menschen ohne Gesichter. Doch auch ich Kenne ihre Namen nicht. Namenlos ist Der Ursprung der Dinge.
Hoch stand der Sanddorn am Strand von Hiddensee.
Micha, mein Micha, und alles tut so weh.
Ich im Bikini und du am FKK, Nina im Mienie -
Rotwein war auch da!
(Die Maschine wird behutsam gestartet, ein Anlasser-Unvergleichlich schleppt seinen rechten Fuß hinter sich her)
Es knackt: das magnetische Potenzial bewirkt eine mechanische Bewegung
Weißt du noch, als wir über den Busfahrer redeten? Es war eine Kontaktanzeige, und der Busfahrer meldete sich. Mit fliehenden Fahnen stellte er sich vor: bunt und unkonventionell versuchte er, von seinem langweiligen und kurvenreichen Beruf abzulenken. Hut auf, Brille hinter den Ohren, Bart angeklebt. Farbiges Shirt, hochgeklappte Schuhe, weite Hose mit engem Bund. Das Jackett: Gelb und viel zu eng. Wir freuten uns: Dank dieses Kuriosums kam etwas Leben in unsere Bude, unter anderem bestand die Gelegenheit, zu Geburtstagen einen Bus zu chartern und mit den Gästen darin zu feiern. Später erfuhren wir von seiner Lieblingslektüre. Diese Lektüre gab auch Aufschluss darüber, weshalb unser Freund sich so seltsam kleidete. Er hatte Stefan Zweig gelesen, diese Geschichte, in der ein Typ vorkommt, der von sich erzählt, dessen extravagantes Arbeitszimmer beschrieben wird, starkriechende Blumen, eine Kordel um die Decke und ähnliche Kinkerlitzchen. Also, der Busfahrer, er war der Typ mit der Kordel.
Was können wir tun, damit aus dem Busfahrer wieder ein Radfahrer wird?
Zu den Exportgütern der Volksrepublik gehören nicht nur materielle Waren. Nach dem Vorbild der deutschen Goethe-Institute hat die Volksrepublik ein weltweites Netz von Konfuzius-Instituten aufgespannt. Konfuzius als Vertreter des konservativen, an sozialen Hierarchien orientierten Sozialsystems wurde in der Ära Xi’s rehabilitiert. Die nach ihm benannten Institute widmen sich dem Spracherwerb und Kulturaustausch – harmlos, wie es scheint. Wieder hat die Volksrepublik auf das bewährte Konzept des joint ventures zurückgegriffen: die Institute sind Teil der Universitäten im Gastgeberland, zur Hälfte aus Beijing finanziert, greifen sie der dahinsiechenden westlichen Sinologie unter die Arme und genießen im Gegenzug sofortige akademische Anerkennung im Westen.
In der „Zeit der Streitenden Reiche“, einer kriegerischen Epoche vor der chinesischen Reichseinigung im Jahr 221 v.u.Z., zogen in der Wandergelehrte – ähnlich den Trobadouren im europäischen Mittelalter – von Hof zu Hof, um ihre Erfolgsstrategie an die Fürsten zu verkaufen. Die Epoche wurde bereits im alten China als „Zeit der hundert Schulen“ bezeichnet. Es handelt sich um die kreative Zeit des chinesischen Denkens – alle bis heute lebendigen philosophischen Strömungen stammen aus dieser Epoche und wurden in den nachfolgenden beiden Jahrtausenden fortlaufend neu interpretiert. Von den vielfältigen philosophischen Strömungen, die im alten China als „Hundert Schulen“ im Wettstreit miteinander standen, wurden in der Volksrepublik unter Xi zwei Traditionslinien wiederbelebt:
Konfuzianismus
Konfuzius (551-479) hat ein strikt patriachalisches System etabliert, in dem Frauen den Männern und die Jüngeren den Älteren hierarchisch untergeordnet sind. Aufgrund einer feststehenden sozialen Hierarchie werden soziale Verhältnisse – bis zur Erstarrung – stabilisiert. Wissen, Fleiß, Gehorsam, Mitmenschlichkeit und Güte sind konfuzianische Werte, die unter Xi als sozialistische Werte in der Volksrepublik wiederauferstehen. Sie veredeln die autoritäre Einmann- und Einparteienherrschaft mit einer humanistischen Oberfläche und unterwerfen den Einzelnen einer positivistischen Moral: Sei aktiv, lerne, tue das Gute!
Legalismus
Mittels Zentralverwaltung, Vereinheitlichung von Schrift, Währung und Maßeinheiten, Zwangsarbeit, Abschaffung der Erblichkeit von Ämtern sowie einer ausschließlich auf Landwirtschaft und Angriffskrieg konzentrierten Lebensweise, führte der Shang Yang (gest. 338 v.u.Z.) den Staat Qin zu preußischer Effizenz und Größe. Prinz Hanfeizi (280-233), ein Schüler des misanthropischen Konfuzianers Xunzi (300-239), gewissermaßen der Machiavelli des alten China, setzte sich ausführlich mit dem paradox erscheinenden Prinzip „Tue das Nichtstun“ (Wei Wuwei) auseinandergesetzt – er kam zu dem Schluß: der Fürst könne sich am ehesten zurücklehnen und nichts tun, wenn er eine Diktatur errichte, in der die Menschen so viel Angst haben, daß sie alles tun, wenn der Herrscher nur mit der Wimper zuckt. Schöngeistige Bücher sollten verboten werden. Das erreiche er durch die Todesstrafe oder durch Belohnung in Form von Landparzellen ensprechend der Zahl der Köpfe getöteter Feinde. Nicht dem Fürsten der Han, sondern dem 13jährigen Ying Zheng (259-210), der zum Fürsten von Qin ernannt wurde, gelang es, China zu vereinen, indem er die Nachbarstaaten durch Druck, Überredung, Drohung, Eroberung oder Bestechung unterwarf – er nannte sich fortan Qin Shi Huangdi (Ursprünglicher Gelber Kaiser von Qin). Von Qin leitet sich der im Westen verbreitete Name „China“ ab (während die Chinesen selbst ihr Land als „Reich der Mitte“ bezeichnen). Qin Shi Huandi starb jung im Alter von 49 Jahren. Von ihm kündet bis heute die berühmte Grabstätte, die Terrakotta-Armee bei Xian. Unter seinem Sohn zerfiel das Reich.
These 11: Präsident Xi nimmt sich offenbar Qin zum Vorbild – ohne zu erwägen, daß Qin’s geeintes Reich schon nach zwanzig Jahren Rebellen zum Opfer fiel: Es zerbrach am Unmut des Volkes gegen das allzu harsche Regime.
Auf Anraten seines Ministers Li Si (280-208), der ebenfalls ein Schüler von Xunzi war und Hanfeizi’s Empfehlung eines Bücherverbots folgte, befahl im Jahr 213 v.u.Z. Qin Shi Huangdi, die Mehrzahl der auffindbaren Bücher (Bambusrollen) zu verbrennen und die Gelehrten lebendigem Leib einzugraben.
„Diese Gelehrten lernen nicht von der Gegenwart, sondern von der Vergangenheit, und kritisieren damit unsere Zeit und stürzen die Schwarzhaarigen (die Bauern – die Red.) in Verwirrung. Wenn sie hören, dass ein kaiserlicher Befehl ergangen ist, debattieren sie ihn je nach ihrer Lehrmeinung. Bei Hofe kritisieren sie ihn im Herzen; draußen reden sie darüber in den Straßen. Den Herrscher zu diskreditieren ist ein Weg, berühmt zu werden. Sie leiten ihre Schüler darin an, üble Nachrede zu üben. Wenn Dinge wie diese nicht verboten werden, wird die Macht des Herrschers oben geschwächt, und unten bilden sich Parteien. Ich bitte deshalb darum, alle historischen Aufzeichnungen, die nicht aus dem Reiche Qin stammen, zu verbrennen. Außer den Exemplaren, die in der kaiserlichen Hofakademie liegen, sollen alle Lieder, Urkunden und alle Schriften der Hundert Schulen, die irgend jemand im Reich aufzubewahren gewagt hat, zu den Gouverneuren und Kommandanten gebracht und verbrannt werden. Jeder, der es wagt, über die Lieder und die Urkunden zu diskutieren, soll auf dem Marktplatz hingerichtet werden. Diejenigen, die das alte System heranziehen, um das neue zu kritisieren, sollen mitsamt ihren Familien exekutiert werden. Beamte, die von diesen Verbrechen hören oder von ihnen wissen, ohne sie zu verfolgen, sollen genauso bestraft werden wie diese Kriminellen. Dreißig Tage nachdem dieses Dekret ergangen ist, wird jeder, der seine Bücher noch nicht verbrannt hat, mit dem Brandmal im Gesicht und Zwangsarbeit bestraft. Ausgenommen sind nur Bücher über Medizin, Orakelkunde und Landwirtschaft.“ (Li Si, zit. nach Rademacher, 2003, S. 126)
Tatsächlich rettete das Volk eine Vielzahl der Schriften vor den Flammen, versteckte sie in Tongefäßen und vergrub diese in der Erde. Bücherverbrennungen – das war ein archaisch-radikaler, blutiger Versuch der Zensur. Zunächst lehnten die chinesischen Marxisten Qin Shi Huangdi ab und betrachteten die Bauern, die die Herrschaft seines Sohnes stürzten, als Revolutionäre. Zu Beginn des Großen Sprungs sprach sich Mao jedoch plötzlich für den Ersten Kaiser aus, ja, er erhob sich über ihn: Auf der zweiten Sitzung des Achten Parteitages am 8. Mai 1958 lobte er den Artikel Die historische Forschung muß heute dick und in der Vergangenheit dünn sein: „Dieser Artikel beweist, daß es unsere Tradition ist, in der Gegenwart dick und in der Vergangenheit dünn zu sein. Sima Guang wurde zitiert, Qin Shi Huang leider nicht. Doch Qin Shi Huang war ein Experte darin, die Gegenwart zu verdicken und die Vergangenheit zu verdünnen.“
An diesem Punkt entgegnete Lin Biao: „Qin Shi Huang verbrannte Bücher und verbot den Konfuzianismus.“
Mao brüstete sich daraufhin mit folgender Dummheit: „Was war denn so außergewöhnlich an Qin Shi Huang? Er hat 460 Gelehrte (Konfuzianer) lebendig begraben; wir haben 46.000 Gelehrte (Konfuzianer) lebendig begraben. Dazu habe ich schon mit gewissen Demokraten diskutiert: Ihr glaubt, ihr könnt uns beleidigen, wenn ihr uns als Qin Shi Huang bezeichnet, aber ihr irrt, wir haben Qin Shi Huang hundertfach übertroffen! Ihr bezeichnet uns als Diktatur – wir bekennen uns gern zu diesen Eigenschaften, wir bedauern nur, daß ihr derartig hinter der Wahrheit zurückbleibt, daß wir eure Vorwürfe ergänzen müssen!“ (Mao Zedong, 1958, Text 29)
Während der Kulturrevolution setzte sich die Glorifizierung des Ersten Kaisers durch: Seine Gewaltherrschaft zum Wohle der Nation wurde bejubelt, dessen Weitsicht China geeint habe. Nur weil er die Staatsfeinde nicht gründlich genug ausgerottet habe, sei er den Rebellen zum Opfer gefallen.
Lang lebe der Mao-Zedong-Gedanke
Zu Studenten und Professoren der Beijing-Universität sprach Präsident Xi:
„Es ist der größte Traum des chinesischen Volks seit dem Opium-Krieg (1840-1842) und das höchste und grundlegendste Interesse der chinesischen Nation, ein reiches und starkes, demokratisches, zivilisiertes und harmonisches und modernes sozialistisches Land aufzubauen und die große nationale Renaissance zu verwirklichen. Die Bestrebungen aller 1.3 Milliarden Chinesen dienen im Grunde dazu, dieses großartige Ziel zu verwirklichen… Doch wir sind gegen die Schlußfolgerung, daß ein starkes Land zwangsläufig Hegemonie anstrebt, und beharren auf einem friedlichen Entwicklungsweg.“ (ebd., S. 208 ff.)
Zu Politkadern der Kommunistischen Partei Chinas sprach Xi:
„Parteimitglieder und Funktionäre müssen fest an den Marxismus und Kommunismus glauben, sich unermüdlich und gewissenhaft für die Verwirklichung des grundlegenden Programms der Partei in der jetzigen Phase einsetzen … Führende Funktionäre, insbesondere ranghohe, sollten die grundlegenden marxistischen Theorien zur Ausbildung ihrer besonderen Fähigkeiten beherrschen und den Marxismus-Leninismus, die Mao-Zedong-Ideen und insbesondere die Deng-Xiaoping-Theorie, die wichtigen Ideen der Drei Vertretungen sowie das Wissenschaftliche Entwicklungskonzept gewissenhaft studieren … Parteilichkeit und Volksverbundenheit stehen nach wie vor in Einklang … Dabei setzen wir darauf, ganz nah am Menschen zu und den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen. Unsere Arbeit muss sich dementsprechend daran orientieren, dem Volk zu dienen … Es sollen vor allem Solidarität, Stabilität und Aufmunterung thematisiert werden und positive Berichte sollen dominieren.“ (ebd., S. 188 f.)
Präsident Xi stammt aus der alten Nomenklatura. Sein Vater trat 1928 in die KP ein und bekleidete während der Hungerjahre nach dem Großen Sprung das Amt des Stellvertretenden Ministerpräsidenten (1959-1962). Danach war er Gouverneur der Provinz Guangdong. Xi genoß eine privilegierte Kindheit, bis die Roten Garden seinen Vater verhafteten und die Familie verunglimpften. Als Jugendlicher floh Xi in das Dorf Liangjiahe, wo er etliche Jahre als Landarbeiter unterkam und in einer Höhle lebte. Diese Erfahrung bewegte ihn jedoch dazu, die maoistischen Methoden der Umerziehung und des Terrors fallenzulassen. Die gegenwärtige Verfolgung der Uiguren in Xinjiang gilt als „die größte Internierung einer ethnisch-religiösen Minderheit seit der Nazizeit“ (Kai Strittmatter, 2020, S. 19) Es ist vor allem der kurzfristige Erfolg des Legalismus, den Xi vor Augen hat: ihm verdankt China bis auf den heutigen Tag seine Einheit und ist in Form der wieder ausgegrabenen Terrakotta-Armee Qin Shi Huangdi’s zu bewundern.
Ich weiß nicht, wer es war, jedenfalls einer der Passanten, die jeden Tag am Krankenhaus vorbeikamen. Er war jedenfalls, so wird es erzählt, nachts mit einer Schaufel über den Friedhofszaun geklettert, hatte sich ein Grab gesucht, das gerade aufgelöst, aber noch nicht eingeebnet worden war, hatte gegraben, einen doch recht gut erhaltenen Schädel gefunden und mitgenommen. Jetzt steht der Schädel auf seinem Schreibtisch (manche sagen, das ist nur ein Schauermärchen, wie das Medizinstudenten den Juristen auf Partys erzählen; aber Schädel – die kann man nicht im Internet bestellen). Jeden Morgen singt er jetzt einen lateinischen Hymnus, bevor er seine Tasche nimmt, ins Auto steigt und Montag bis Freitag der immergleichen profanen Arbeit nachgeht.
„Wenn ein einsichtiger König regiert, zeigt sich sein Wirken überall unterm Himmel, ohne daß er selbst in Erscheinung tritt; die zahllosen Lebewesen wandeln sich, und das Volk gerät nicht in Abhängigkeit; niemand wird gepriesen und gerühmt, alle finden Freude in sich selbst; er richtet sich auf durch das, was sich nicht ermessen läßt, und spaziert dort umher, wo nichts ist.“ (Zhuangzi, 7.4)
Wir haben durch Lenins Brille auf den pandemisch angegriffenen Westen geblickt – ein noch klareres Bild erkennen wir, wenn wir den Blick gen Osten richten, wo der Marxismus/Leninismus bis heute den ideologischen Überbau der Herrschenden bildet, ohne ernsthaft als Analyseinstrument der aktuellen Lage genutzt zu werden: Mao Zedong (wörtlich „Wohltäter des Ostens“), einst als „Steuermann der Weltrevolution“ gepriesen, vollbrachte unter zahllosen Menschenopfern das Wunder, mit einer schlecht ausgerüsteten Bauernarmee, Japan zu besiegen und den Bürgerkrieg gegen die reaktionäre Kaste von Chiang Kaishek (Jiang Jieshi) zu gewinnen, der sich 1949 schließlich mit einem Großteil der kaiserlichen Schätze nach Taiwan absetzte, um auf der Insel die „Republik China“ auszurufen. Seitdem blickt Mao’s Konterfei vom Tor der Verbotenen Stadt herunter auf den Platz des Himmlischen Friedens. Doch der alternde Revolutionär kam nicht zur Ruhe. Von der Idee beflügelt, die Industrieproduktion des Westens zu übertrumpfen, befahl er den Bauern, „die Stadt auf das Land zu bringen“, in den Dörfern Volkskommunen zu gründen, Werkzeuge selbst zu bauen, Rohstoffe vor Ort zu finden – das hieß letzten Endes die kaum vorhandene chinesische Industrie zu dezentralisieren, Mini-Hochöfen anzufeuern und auf diese Weise Stahl zu gewinnen. Es sollte der „Große Sprung nach vorn“ werden, der China, die Sowjetunion und den Ostblock mit wissenschaftlicher Gesetzmäßigkeit an die Spitze des Fortschritts katapultieren sollte, und mündete in der größten Hungerkatastrophe der Menschheit, die von 1959 bis 1962 währte: In wenigen Jahren starben nach offiziellen Angaben der chinesischen Regierungen 15 Millionen Menschen, nach inoffiziellen Schätzungen waren es 45 bis 55 Millionen. Zu dieser Zeit kam es noch darauf an, die Sterbeziffer in der Propaganda stark zu untertreiben. Augenzeugen berichteten von eng beeinander liegenden Leichen in den Straßengräben.
Für Mao war dies nicht genug. Die Genossen „der ersten Front“, u.a. Liu Shaoqi – der wie Mao Sohn reicher Bauern war und eine Ausbildung zum Lehrer absolviert hatte – und Deng Xiaoping (seit 1923 sein Parteiname, der wörtlich „Kleiner Friede“ bedeutet), erklärten den Klassenkampf für beendet und versuchten, das Land mit Hilfe der Anreize eines regulierten Marktes zu ordnen und mit ruhiger Hand aufzubauen. Mao witterte Verrat. Für ihn galt der Spruch: „Mit Chaos auf Erden erreicht man Ordnung im Land.“ Er betrauerte Stalins Tod, mißtraute der Tauwetter-Politik Chrustschows, dessen Kritik an den Volkskommunen zum Bruch zwischen China und der Sowjetunion führte. Mao befürchtete, daß aus der Unterschicht neue Ausbeuter hervortreten und die Stelle der alten Feudalherren einnehmen würden. Als sich die „erste Front“ vom permanenten Revolutionär abwandte, nutzte er den schwelenden Generationenkonflikt, um die studentische Jugend gegen die neue Funktionärskaste aufzuhetzen: die Große Sozialistische Kulturrevolution begann, forderte im Laufe von zehn Jahren schätzungsweise bis zu 20 Millionen Opfer und stürzte China erneut in den Ruin.
Der Pragmatiker Deng Xiaoping erfand ab 1975 die „sozialistische Marktwirtschaft“, mit der sich China tatsächlich sprunghaft nach vorn zu bewegen begann. Noch auf dem Sterbebett unterstellte ihm Mao, er sei „ein kleiner Kapitalist mit rechter Gesinnung“, der vom Klassenkampf nichts verstünde und in der alten kapitalistischen Demokratie stehen geblieben sei. (Changshan Li, 2010, S. 190). Hat Mao mit dieser Einschätzung recht behalten?
Nach Mao’s Tod stürzte die Parteiführung die Viererbande – so hatte Mao selbst noch das ihm suspekt erscheinende Bündnis genannt, das seine letzte Ehefrau Jiang Qing mit den linksextremen Parteisoldaten Wang, Yao und Wang aus Shanghai eingegangen war, um während der Kulturrevolution die Macht, insbesondere in den staatlichen Medien, auszuüben und zur Gewalt aufzustacheln. Mit der Beschränkung der Amtszeit hoher Beamter und der Ausarbeitung einer neuen Verfassung für die Volksrepublik entfesselte Deng das chinesische Wirtschaftswunder. Indem sich das Billiglohnland China als Werkbank der Welt darbot, wurde nicht nur in kürzester Zeit ein epochaler Wohlstand erarbeitet. Vielmehr gelang es der chinesischen Wirtschaft den westlichen Kapitalismus, allen voran Amerika, Zug um Zug in ihre Abhängigkeit zu ziehen. Während sich im Westen die Staatsschulden anhäufen, wachsen in der Volksrepublik die Dollarreserven. Der Zwang, daß westliche Firmen joint venture mit chinesischen Firmen eingehen müssen, wenn sie auf dem chinesischen Markt verkaufen wollen, führte zu einem signifikanten brain drain: Wurde den Chinesen vorgeworfen, westliche Produktionsgeheimnisse auszuspionieren und westliche Technologie zu kopieren, geht die technische Innovation nun vielfach von der Volksrepublik aus. Satelliten im Orbit, Taikonauten, Monderkundung, Marsmissionen sind nur die Speerspitze dieser Entwicklung. Indem sich der Westen illusorisch als Hort der Freiheit im Denken und Handeln selbst mißversteht, während die wirtschaftliche Dynamik tatsächlich von der exponentiell wuchernden Bürokratie gebremst und behindert wird, unterschätzt er das chinesische Innovationspotential.
Freiheit in China spielt sich vorrangig außerhalb der Hauptstadt ab, in den Provinzen und Sonderwirtschaftsregionen, wo der Arm der Zentralgewalt nicht hinreicht. „Regieren unter Verzicht auf Eingriffe in den natürlichen Lauf der Dinge“ – ein Grundsatz aus der Philosophie Laozi’s, auf den sich chinesische Politiker gern berufen, wenn es gilt, den autoritären Kern zu verschleiern. In der Praxis werden Regeln pragmatisch gebrochen, Interessen rücksichtslos durchgesetzt. Großprojekte scheitern nicht an Fledermaus-Habitaten oder einstöckigen Wohnhäusern ohne Kanalisation, die den Trassen der Industrialisierung im Wege stehen. Menschenrechte, Umweltbelange – kein Hindernis. Im Westen erscheint der radikale Pragmatismus, von dem in China tätige Architekten und Firmenchefs schwärmen, als Ausdruck eines zentralistischen Durchgriffs. Doch auch dies ist eine Fehleinschätzung: Die Führung in Beijing wußte nach dem Ende der Kulturrevolution, daß die Wirtschaft nur Fahrt gewinnt, wenn sie dezentral von Einzelnen vorangetrieben wird. Familien, Gruppen, Clans sind es, die die Regeln bestimmen – der chinesische Staat agiert fröhlich mit.
Insofern ist die „sozialistische Marktwirtschaft“ der Volksrepublik seit Mitte der 1970er Jahre ein staatskapitalistisches System mit marxistisch-maoistischer Fassade, die an den Universitäten nach wie vor zum Pflichtprogramm gehört. In der Volksrepublik muß sich der staatsmonopolistische Sektor nicht erst entwickeln, indem er mühsam die Verwaltung als Kundin gewinnt und in materielle Abhängigkeit zwingt. Der chinesische Staat ist per Verfassung Lobbyist in eigener Sache, der die privatwirtschaftliche Konkurrenz als Stachel nutzt, um das Wachstum zu beschleunigen. Zugleich achtet er mit Argusaugen darauf, daß Privatunternehmer wie der ehemalige Englischlehrer Jack Ma, Gründer von Alibaba, dessen Firma nicht zuletzt durch einen Milliardeneinstieg von Yahoo Erfolge verbuchte, nicht übermächtig und schon gar nicht zum Kritiker des chinesischen Weges werden – in diesem Fall, welch Wunder, ist der maoistische Revolutionsgedanke wieder zupaß und die chinesischen Wettbewerbsbehörde bereit, den Ausbeuter zu disziplinieren.
Nun ist die Ära Deng Xiaopings bereits Geschichte. Präsident Xi Jinping, im Volksmund „Baozi“ (gedämpfte Teigtasche) genannt, ließ sich als rechtmäßiger ideologischer Erbe Maos mit Unfehlbarkeitsstatus zum „überragenden Führer“ auf Lebenszeit ausrufen. Seine Ideen zum „Sozialismus chinesischer Prägung“ sollen in die Parteistatuten eingehen. Einer seiner Vorgänger hatte bereits das Prinzip der Dreifachen Vertretung etabliert: die Kommunistische Partei vertrete in China die Entwicklung der Produktivkräfte, die Ausrichtung der Kultur und die Interessen der Mehrheit des Volkes.
These 10: Tatsächlich erkennen wir in der Bewegung von Mao, über Deng zu Xi einen Wandel vom Stalinismus zum dynamischen Staatskapitalismus und schließlich zum Imperialismus chinesischer Art.
Der „chinesische Traum“, den Xi stellvertretend für die Volksrepublik träumt, zielt auf die Wiederherstellung des Reichs der Mitte als Mittelpunkt und Stabilitätsanker der Welt. China hat im internationalen Handel einen Finanzüberschuß erwirtschaftet, den es natürlich gewinnbringend anlegen möchte. Das Zauberwort heißt Neue Seidenstraße oder One belt, one road. Damit ist das Investitionsprogramm gemeint, mit dem sich die Volksrepublik überall auf dem Globus, wo sich die Chance bietet, seit 2014 einkauft: Sei es der Hafen Piräus vor den Toren Athens, der Duisburger Güterbahnhof, in dem wöchentlich drei Dutzend Züge aus China eintreffen, der Schweizer Chemiehersteller Syngenta, der Augsburger Roboterentwickler Kuka, Filmproduktionsfirmen in Hollywood, italienische Fußballvereine, ein Hafen in Sri Lanka, die Autobahn in Montenegro, Eisenbahnlinien und Pipelines in Afrika – es sind gerade finanzschwache Strukturen, die sich von Chinas Unterstützung angezogen fühlen und in die Schuldenfalle tappen. Die Regierung in Beijing bietet keinen Fond mit gleichen Regeln für alle Teilnehmer, sondern handelt die Konditionen bilateral mit jedem Bittsteller einzeln aus. Sri Lanka beispielsweise verpachtete seinen Hafen für 99 Jahre an die Volksrepublik, ein Schelm, wer dabei an Großbritannien und seine ehemalige Kronkolonie Hongkong denkt… Während Beijing von einer Globalisierung 2.0 schwärmt, sprechen Kritiker von einer Kolonisierung 2.0. Als Gegenleistung erwartet Beijing einen Kotau vor seinen geopolitischen Ansprüchen: den Verzicht auf die Anerkennung von Taiwan und des Dalai Lama, die Akzeptanz der Vereinnahmung des südchinesischen Meeres usw.
Schlechte Aussichten: Weinende Kreaturen, Fische schreien, Tote Vögel im Watt. Nichts hören, Nichts sehen, Nichts sagen. Das große Fressen Geht zu Ende. Der Mars steht Nah den Plejaden, Der Stier hat seine Hörner Nun auf uns gerichtet. Die Konten eingefroren, Kleingeld geronnen Zu Staub.
Ich sagte es dir. Du sagtest es ihm. Er sagte es ihnen. Sie sagten es auch. Es wurde gesagt. Wir alle sagten es. Ihr sagtet es weiter. Doch Sie alle kannten Die Wahrheit nicht.
Ein neues Zeitalter hatte begonnen. Niemand hatte daran gedacht, doch nun war es da. Wie konnte es geschehen? Zuerst kam die Sintflut. Nicht die biblische, sondern die neuzeitliche Überflutung ganz West- und halb Mitteleuropas. Auf dem verbleibenden Festland wurde das Autofahren verboten. Die Leute nahmen es hin und bastelten fortan an ihren Booten und Surfbrettern herum, glaubten, das wäre alles. Herr Klopsig arbeitete bei der Bahn, dort genoß er freie Fahrt auf allen Strecken, die von der Sintflut verschont geblieben waren. Das Autoverbot berührte ihn nicht, im Gegenteil, er begrüßte es. Die Regierung fühlte sich ermutigt.
Als nächstes knöpfte sie sich das Trinken vor. Nein, die Zustände der Prohibition kehrten nicht wieder: Es gab keinen Widerstand, keinen Untergrund. Gering alkoholische Getränke wie Bier und Wein blieben legal – verboten wurden Destillate. Die Leute waren so gesättigt und schwach, beschäftigt mit ihren davon schwimmenden Eigentumswohnungen und Liebesgeschichten, daß niemand auf die Idee kam, Schwarzbrennereien zu gründen, um den Stoff für noch mehr Geld zu brennen. Es wäre eine phantastische Umverteilung geworden. Neue proletarische Kreise wären zur Elite aufgestiegen, erst in der Mafia, dann in der Regierung. All das blieb aus.
Statt dessen beschlossen die Oberen, schamlos mutig, das Fallenlassen von Papier auf die Sandwege unter Strafe zu stellen. Was wäre ein Gesetz ohne Strafen anderes als ein hornloses Nashorn? Binnen eines Jahres folgte die Wiedereinführung der Todesstrafe. Die Leute jubelten. Die Todesstrafe wollten sie schon immer zurück haben. Endlich wieder Köpfe rollen sehen. Die Todesstrafe – gepaart mit dem universellen menschlichen Bedürfnis nach Sauberkeit und Ordnung – entsprach vollkommen dem Volkswillen. Von wegen, Demokratie und Diktatur seien Gegensätze. Diktatur erschien den Machthabern als der vollendete Ausdruck der Demokratie: sie war unverstellt und schrankenlos. Eine neue Verfassung wurde verabschiedet: die Verfassung der liberalen Diktatur.
An den gebohnerten, im staubigen Sonnenlicht glänzenden, menschenleeren Sandwegen war zweifelsfrei zu erkennen, daß das neue Zeitalter ausgebrochen war. An den Gullydeckeln wurden Soldaten mit Maschinengewehren postiert, die darüber wachten, daß niemand eine Zigarettenspitze oder ein Papiertaschentuch hineinwarf. Die kleinste Verunreinigung konnte zu einer Verstopfung im Kanalsystem und einer erneuten Überflutung Berlins führen. Das Rauchen im öffentlichen Raum hatte die Regierung im übrigen schon vor der Sintflut unter Strafe gestellt. Die Züge und Schiffe füllten sich mit Gesetzesbrechern, das heißt die Güterzüge und die Containerschiffe.
Der Bahnhofsvorsteher, ein alter Schulkamerad von Herrn Klopsig, ihm seit langem als freundlicher Arbeitskollege vertraut, lächelte. Jetzt hatte er endlich alle Hände voll zu tun. Herr Klopsig lächelte zurück, dachte, er könne, indem er ihm helfe, das System unterminieren. Herr Klopsig sah die furchtsamen Gesichter in den Öffnungen und Ritzen der Waggons. Die lächelnde Visage des Bahnhofwarts. Die gespenstisch glänzenden leeren Straßen.
Zur Demokratie gehörte der Dreck, er zeugte vom Leben. Der Tod hatte keine Zeugen. Nur den Bahnhofswart, der die Weichen so stellte, daß die Waggons direkt in den Schlund des Verbrennungsofens hineinrollten. Und Herrn Klopsig, der mitmachte, um zu protestieren, zu sabotieren. Aber daraus wurde nichts.
Einmal, als der Bahnhofsvorsteher eingeschlafen war, stellte Herr Klopsig die Weiche um und manövrierte den Zug auf ein Abstellgleis, hoffte, daß die zahlenmäßig überlegene Meute der zum Tode verurteilten Sandwegbeschmutzer aufbegehren würde. Statt dessen blickte sie furchtsam, in Schreckstarre, durch die Ritzen im Holz und nichts geschah. Sie fragten demütig, wann die Fahrt weitergehen würde.
Ehe Herr Klopsig sich versah, hatte ein Geheimdienstler den Mißstand erkannt, war hinzugeeilt, lotste den Waggon in den Orkus und feuerte Herrn Klopsig von seiner wunderbaren Arbeitsstelle als Dispatcher bei der Bahn. Beinahe wäre er selbst vorm Tribunal gelandet und verurteilt worden. Diesmal hatte er Glück.
Später erzählte Herr Klopsig, wenn er nach dem Grund seiner kurzzeitigen Arbeitslosigkeit gefragt wurde, er habe seinen Beruf bei der Bahn wegen der Sintflut verloren. Was nur halb stimmte. Tatsächlich fuhren die Züge nach der Sintflut lediglich in Richtung Rußland. Im übrigen Europa waren die Böden zu sumpfig geworden. Herr Klopsig hätte ohnehin seinen Beruf bei der Bahn aufgeben oder nach Osten umziehen müssen. Bald schon hatte er sich eine neue Existenzgrundlage geschaffen.
(geschrieben 2008, wiedergelesen am 21.6.21, in: „Empörte Flut“)
Als Dauergast in unsrem Kreise, Verstört sie uns auf eigne Weise. Sie ist zur Regel uns geworden Für Störungen verschiedener Sorten. Die Zeitungen benennen diese Als Grund für alles hier: die Krise.
Als Ursache für alle Sorgen Beunruhigt sie uns schon am Morgen. Ob Flüchtende, ob Klimawandel, Die Schwierigkeit im Weltenhandel, Das Konto zeigt wieder mal Miese, Wir wissen nun: schuld ist die Krise.
Trotz allem gibt es schöne Sachen Und alle Tage was zu lachen. Das Auf und Ab der Konjunktur Ist mir egal, denn ich will nur Dass man mir meine Ruhe ließe, Ihr könnt mich mal mit eurer Krise.
Mag sein, im Moment der Todeserwartung, wenn alles eilt, alles in panischer Angst sich durch Flucht zu retten sucht, sich beeilt, über Zäune springt, ohne Hoffnung etwas zu retten, die Mannigfaltigkeit vieler persönlicher Leben, sondern nur ums eigne sich sorgend, wenn im Kopf eines Menschen dasselbe geschieht, was in der Stadt geschieht, die von den hungrigen Wellen flüssigen, geschmolzenen Gesteins überflutet wird, kann es sein, dass im Moment der Erwartung des Endes im Kopf eines jeden mit schrecklicher Schnelligkeit eine solche Erfüllung in Reißen und Riss, Formbruch und Grenzüberschreitung vor sich geht. Und sein kann es , dass im Bewusstsein einer jeden mit derselben schrecklichen Schnelligkeit die Wahrnehmung eines Zustands A in die Wahrnehmung eines Zustands B übergeht, und dass erst dann, im Zustand B, die Wahrnehmung ihre Geschwindigkeit verliert und wahrnehmbar wird, so wie wir die Speichen eines Rads erst dann wahrnehmen, wenn die Geschwindigkeit seiner Drehung unter eine bestimmte Grenze fällt…
Aber niemand sollte weinen müssen ohne Wein Aber niemand sollte satt sein mit leerem Bauch Und Musik ist was dem Tod auf dieser Erde fehlt Und Musik nun wie der Tod in der Luft ein Hauch
Aber wenn du einen Stengel in der Tasche hast, heißt das Dieses ganze Leben ist doch gar nicht so schlecht Wenn ein Ticket für den Silberflügler mit hineinpasst Der beim Abheben nur seinen Schat_ten da lässt
Schade, dass Wörter älter werden. Dabei werden sie nicht schöner;
Der Sektionsvorsitzende zum Rapport beim Innenminister. Schriftzeichen. Sie haben schon welche, und leider viel bessere als wir. Aber das mache nichts. Tabak- und Alkoholsteuer noch unbekannt, seien sie für Fortschritt noch so offen wie ein Scheunentor. Wie es einstmals der Genosse Lenin ausdrückte – Schritt vor, zwei zurück. Machen wir es also wie damals die Russen mit uns:
– Welcher Verdauungstrakt ist der wichtigste im Kampf?
– Ah, dieser Witz – na, der Kling-, äh Blinddarm…
– Richtig. Und wo klingelt es am lautesten?
– Peter und Paul… Wie war das nochmal… „der Mensch ist ein lachendes Geschöpf; der Mensch ist ein federloser Zweifüßler; der Mensch ist ein…“
– Ja. Und dazu jetzt noch die kyrillischen Buchstaben, wie in plazdarm — dosto –
– primetschatelnosti, äh, also einfach Straßtwutje, hm, äh, also ich frag‘ ‚ ’nfach Jew…
wenn ich sage, dass araignée (Spinne) im Altfranzösischen aragne lautete, fällt mir auf, dass araignée eine aragne ist, die beim Älterwerden ihren schönen Klang verloren hat,
also Zhenja, ja?! Die Sterne am Himmel, immer eine Herausforderung… Am interessantesten immer noch die Kometen, Asteroiden und anderen Irrlichter vorm Astoria… Keine VLs mehr, noch nicht mal Kosmos-Vorlesungen… Die KI nun emanzipiert oder was man so nennt, mensch Egon! Im Staate Dänemark die Lacher immer auf deiner Seite, und der nordeuropäische Bürgerkrieg endlich durch Sprachbarrieren befriedet… Der Traum vom barrierefreien Wohnen findet nun im Theater auf der Bühne statt, sofern’s noch nicht möglich war, sie abzureißen % Denkmalschutz, Zielkonflikte, rouge & noir… Weiße Haut unter schwarzer Seide – schon Rassismus? Die im Wort selbst abgespeicherte Suppe ist selten nicht selbst, was sie brandmarkt
der frank und frei durch seine beiden a eröffnet wird, und dieses >> gnée << ist weder angenehm noch notwendig. Aragne hat genügt.
„Im Staat Zheng lebte ein Schamane namens Ji Xian (Kenner der Gelegenheiten), der wußte, wann die Menschen geboren werden und sterben, überleben und umkommen, wann ihnen Unglück oder Glück widerfährt, ob sie lange leben oder jung sterben, er vermochte dies auf Jahr, Monat, Woche und Tag vorherzusagen, als wäre er ein Geist. Wenn die Einwohner von Zheng ihn erblickten, ließen sie alles stehen und liegen und rannten davon.“ (Zhuangzi, 7.5)
Über die Verteilungsgerechtigkeit zu wachen, gehört zu den menschlichen Urinstinkten: Als Kinder passen wir auf, daß der Kuchen in gleiche Teile geschnitten wird. Die für das Kind existenzielle Angst, zu kurz zu kommen, rührt vom Narzissmus her, der in den ersten Lebensjahren überlebenswichtig ist, um sich in einer Welt von Erwachsenen und Gleichaltrigen zu behaupten. Wenn die Eigenliebe zugunsten von Mitgefühl und Liebe in den Hintergrund tritt, ändert sich das Motiv der Gerechtigkeit. Die Wahrnehmung, daß andere ungerecht behandelt werden, indem sie zu kurz kommen und keine Chance haben, ihr Recht zu erlangen, tritt als neue Qualität hinzu.
In der Corona-Krise wurde unter dem Stichwort der „Solidarität“ das Gerechtigkeitsempfinden des narzisstischen Kindes angesprochen: Wenn wir privat zurückstecken und verzichten sollen, dann sollen auch die großen Betriebe schließen und ihren Beitrag zur „Kontaktvermeidung“ leisten. Wenn die Älteren in den Heimen weggeschlossen und isoliert werden, dann sollen auch die Jüngeren keine Partys feiern und fröhlich durch die Gegend laufen. – Das ist Gerechtigkeit auf der untersten Stufe, „Solidarität“, die vom Neid bestimmt wird und letztlich auf eine große Ungerechtigkeit hinausläuft: Denn für die Älteren ist es unangemessen, in den Heimen eingesperrt zu werden, wie es unverhältnismäßig ist, die Jüngeren ihrer Lebensperspektiven durch das Vorenthalten von Bildung und Arbeit zu berauben. Für beide braucht es andere Wege. So aber leiden die Älteren in Einsamkeit und Elend während ihrer letzten Lebensmonate, in denen sie vor einer Krankheit geschützt werden, und sterben nicht selten an den Folgen der Isolation. Die Jüngeren aber müssen noch Jahre und Jahrzehnte mit dem Trauma der zerbrochenen Perspektive, Schulkarriere oder wegen Pleite aufgegebenen Selbständigkeit leben. Dabei waren sie von keiner Krankheit übermäßig bedroht – der Lockdown war menschengemacht, Menschen tragen für ihn die Verantwortung. Daher das schreiende Gefühl der Ungerechtigkeit. Es ist Zynismus, sie dem Virus zuzuschreiben.
Der künstlich geschürte und verstärkte Generationenkonflikt – mutet er nicht bekannt an? Am Vorabend des Ersten Weltkriegs trafen sich auf dem Hohen Meißner in Hessen 2.500 Jugendliche und Heranwachsende, um in der Natur dem Mief der schwerindustrialisierten Großstädte und dem Militarismus zu entkommen. Sie forderten die Möglichkeit, „aus eigener Bestimmung, vor eigener Verantwortung, mit innerer Wahrhaftigkeit“ ihr Leben zu gestalten: „Die Jugend steht an einem geschichtlichen Wendepunkt. Bisher aus dem öffentlichen Leben ausgeschlossen und angewiesen auf eine passive Rolle des Lernens, auf eine spielerisch-nichtige Geselligkeit, nur ein Anhängsel der älteren Generation, beginnt sie, sich auf sich selbst zu besinnen. Sie versucht, unabhängig von den trägen Gewohnheiten der Alten und von den Geboten einer häßlichen Konvention sich selbst ihr Leben zu gestalten.“ Aufruf zur Teilnahme am Freideutschen Jugendtag auf dem Hohen Meißner, 1913)
Die Corona-Krise läßt sich als Symptom betrachten: als Symptom einer allgemeinen Krise des modernen Menschen, genauer des Menschen in einer normopathischen Gesellschaft (Maaz), der sich nicht nach seiner natürlichen Bestimmung (Zhuangzi) fragt, sondern den auferlegten Pflichten folgt, die ihm Eltern, Lehrer und Chefs übergestülpt haben – des Menschen, der funktionieren will. Diese Funktionslust wird durch die Corona-Maßnahmen infrage gestellt: Politik und Medien nutzen die reale Angst vor dem Virus, um Angst zu schüren, indem sie „den Alarm hochhalten“. Damit werden verdrängte Ängste geweckt, die auf ungelöste innere Konflikte hinweisen (Abhängigkeit, Entfremdung). Das Bewußtwerden dieser Ängste wird vom Ich aktiv abgewehrt a) durch totale Anpassung an die politischen Einschränkungen und die vehemente Verteidigung der angetragenen Unfreiheit oder b) durch Skepsis und Kritik an der einseitigen Darstellung der vermeintlichen Risiken, dabei in Kauf nehmend, als Verräter, Omega, Verschwörungstheoretiker oder Nazi diffamiert zu werden.
Die politische Wirkung besteht in der Polarisierung der Gesellschaft, genauer gesagt in der kognitiven Verstärkung der ökonomisch angelegten Polarisierung. Indem sich die Mehrheit der Bevölkerung in Corona-Gläubige und Corona-Skeptiker, Positiv- und Negativgetestete, Geimpfte und Nichtgeimpfte spaltet, wird der Konflikt auf den Nebenschauplatz der Virusbekämpfung abgelenkt, während die eigentlichen Konflikte der heutigen Zeit aus dem Blick geraten.
„Grundrechte sind nicht nur Abwehrrechte des Einzelnen, sondern sie fungieren über die Verfassungsbeschwerde auch als politische Partizipationserzwingungsrechte von Minderheitengruppen. Parlamentarische Mehrheiten werden gezwungen, andere Belange zu berücksichtigen, jedenfalls sich mit ihnen auseinanderzusetzen, damit das Gesetz nicht vor Gericht scheitert. Föderalismus und Grundrechte beheben auf diese Weise Repräsentations- und Artikulationsdefizite des parlamentarischen Prozesses und sorgen dafür, dass auch ein in Berlin erstarrter politischer Prozess, der nur noch eine Koalitionsvereinbarung „abarbeitet“, oder in der Gewissheit von Modellrechnungen denkt, Anstöße erhält. Für solche Arenen, die Partizipation und Pluralismus pflegen, besteht besonderer Bedarf, wenn sich der politische Prozess vor solchen Anstößen abschottet und auch durch Gerichte nicht dazu gezwungen wird, sie zu verarbeiten.“ schrieb Oliver Lepsius in seinem Beitrag Das verfassungsrechtliche Argument hat es schwer vom 05.02.2021.
Tatsächlich steht die moderne Welt am Scheideweg, sich mittels intelligenter Technik in eine Wohlfühl-und-Fürsorge-Technokratie zu transformieren, die im Kern autoritär bis totalitär, sagen wir technokratisch, ist und dem Profit der führenden Tech-Konzerne dient; oder die Gesellschaft demokratisiert sich weiter in subsidiär verwaltete Minderheiten und Nischensozietäten, in denen Partizipation und Basisdemokratie lebendig entfaltet werden können. Die Tücke der Corona-Strategen besteht darin, die allgegenwärtige latente Gesundheitssorge in eine Angst zu verwandeln. Dafür werden vermeintlich linke, ursprünglich einfach demokratische Werte wie „Solidarität“ und „Partizipation“ als festlich geschmückte Zugpferde vor den Karren der Konzerninteressen gespannt: Jüngere beschränken sich und verzichten für Ältere, Impfstoff für alle… In der gegenwärtigen Umkehrung aller Werte treten autoritäre „Linke“ für Freiheitsbeschneidung, Unterwerfung, Obrigkeitsdenken und das Ausbluten des Mittelstandes ein, während sie Illusionen wie No- oder Zero-Covid hinterher eilen.
These 9: Die Corona-Politik bewirkte unter Berufung auf die „Solidarität“ – die Jüngeren bringen ein Sonderopfer für die Älteren, die Maske schütze nicht mich, sondern die anderen – eine Rechts-Links-Umkehr.
Wurde diese Parole von den Regierungen zunächst nur rhetorisch im Sinne einer prophylaktischen Präventionskommunikationsstrategie gebraucht, um einem Rückfall in die Barbarei vorzubeugen, in der jeder nur sich selbst der nächste ist, lockte die „Solidaritäts“-Propaganda die „Linke“ in die Vorkammern der Macht und reanimierte die Lust am autoritären Staat, der sich anschickt, Gleichheit und Gerechtigkeit auf dem Weg der Verordnung von oben durchzusetzen – gleichsam die Wiederkehr des überwunden geglaubten leninistisch-stalinistisch-maoistischen Programms. Die „Rechte“ dagegen, die in den Jahrzehnte davor nicht zimperlich war, die Staatsgewalt für ihre Zwecke einzusetzen, geriert sich nun als Verteidigerin der individuellen Freiheit…
Statt die Industrie in den Schutz der Bevölkerung einzuspannen, wird die Bevölkerung durch Zermürbung gefügig gemacht, so daß das „Sich-Frei-Impfen“ auch auf große, nicht gefährdete Gruppen, die unter 60jährigen, ausgeweitet wird. Dies führt zu dem Paradox, daß die „Solidarität“, die den Jüngeren in Form eines umfassenden Lebendigkeitsverzichts abverlangt wird, durch Zwangsmaßnahmen aufrechterhalten bleibt, obwohl die vulnerablen Gruppen bereits „durchgeimpft“ sind. Die Jüngeren werden mit dieser Strategie doppelt betrogen und ausgebeutet: Zunächst wurden sie Einschränkungen in Beruf und Bildung unterworfen. Seitdem die verletzlichen Gruppen qua Impfung als geschützt gelten, werden die Einschränkungen nur für sie, nicht aber für die solidarisch in Mithaftgenommenen wieder aufgehoben. Gar keine Rede ist davon, daß bei Jüngeren (<60 J.) die Kosten-Nutzen-Abwägung der Impfung kippt: aufgrund der äußerst winzigen Wahrscheinlichkeit für nicht vulnerable Menschen, tatsächlich eine schwere Atemwegserkrankung (nicht nur ein positives Testergebnis) zu erleiden und daran zu sterben, potenziert sich das Gewicht „seltener“ Nebenwirkungen wie der Hirnvenenthrombosen, Embolien usw. Zum doppelten Betrug an der jüngeren Bevölkerungsmehrheit kommt die Verdopplung des Risikos hinzu, von Impfnebenwirkungen betroffen zu sein, deren Wahrscheinlichkeit umgekehrt proportional zum Alter wächst.
Wie „begründet“ die Politik die Impfung der nicht von Covid gefährdeten Bevölkerung? Natürlich wegen der „Solidarität“ mit den Älteren, denn würde man den Jüngeren die für sie gefährlichere Impfung ersparen, wäre die „Herdenimmunität“ passé.
Wenn ich mit älteren Menschen spreche, wundern sie sich über den Aktionismus der zumeist kinderlosen Politiker: Die Älteren wollen die Chancen ihrer Kinder und Enkel nicht davonschwimmen sehen; eine Politik, die dies zuläßt, empört sie – Reisemöglichkeiten auf die Balearen oder an die Algarve hin oder her. Und die „Herdenimmunität“ ist vermutlich eine Chimäre, wenn das Virus wie in den letzten drei Millionen Jahren im Herbst leicht variiert wiederkehrt. Die Jugendlichen auf dem Hohen Meißner widersetzten sich dem Diktat, indem sie wanderten, sangen und tanzten. Und auch heute gilt wieder: Tanzt, tanzt, sonst sind wir verloren! Tanz bedeutet Leben, Liebe, Freiheit, Kampf, Sehnsucht, Freude, Verzweiflung, Versöhnung, Schönheit und Kraft.