Unterwürfig: wie dein Leben

* Aus meinem staubkörnigen Blick siecht wie Liebe aufgetragene Bedeutung. Du hast recht in deinen Monologen. Es ist zu viel Weltfremde in mir. Ich gehöre nicht mal meinen eigenen Abgründen. Auch sie sind bloss erfunden. Sobald sich etwas mir entspricht. Also aus dem Sprechen verliert. Also aus dem Weinen zu sich kommt. Sich aufgiebt. Aus lauter Lust. Dringt. Und dich bedrängt. Aus dem Hals. Davor wars ein Herz. Bleibe unterwürfig, um die Grammatik nicht zu verlieren. 

Das Gelb: wie Pickel. Unausgedrückt.

verwaschenes Pünktchen auf der Fingerspitze. Und dann das Ausrechnen der Stunden, bis man wieder ansehnlich geworden sein könnte. Bis morgen wird sich eine Kruste bilden. Die sollte ich in Ruhe lassen. Dann übermorgen noch. Dann mit dem Fingernagel eine sanfte Annäherung. Mit dem ersten Glücksgefühl einer anfänglichen Ablösung des geronnenen Blutes. Und beim Geniessen dieses Gefühls

Trüffel: schweinisch.

*  Aus deinen Widersinnigkeiten nehm ich mit auf die Jagd. Tropf ab und gefrier. Deine Mossbehauptung. Enthaupteter Petersilienhügel. Strotzt lässig vor sich hin. Uns entgeht die Verleumdung des Lebens kaum noch. Ringst dir ein Lachen ab. Wie zurückatmen. Du willst nicht mehr: in meine offenen Verlogenheiten schweigen. Treiben. An dir auftauen. Auf mich zuschimmern. Weisst du: wie diese Morganas im Fatum. Später auch. Fällt aus deinem Gesicht der Abgrund. Wie zu berührt. Zum Glück = für den Tag den Atem finden = legst du dich in meine Morgenlästerungen. Du ruhst nicht in dir. Nicht aus dir. Den Wolken geht’s gut. Sieh doch. Oder vernack dich. In meine ausgestreckten Daumen. Wie Schwimmhäute, die dich auffangen. Ohne dich. Immer wieder zu entjungfern.

Mann, Heinrich

diesen kleinen Regisseur mit dem unscheinbaren Gesicht im grauen Bart (wie eine Mösenumrandung) gesprungen, und er glaubte, sie wird ihn immer so anspringen bis an sein Denkensende, was ja sehr schnell, am ersten Abend bereits, einsetzte, dann vögelte sie den Nächsten … und sie hat mittlerweile immer noch solche Pausbacken wie mit 14, nun jedoch voller Sperma von all den Typen, die damals so selig einschliefen, nachdem sie glaubten, dass die Holde es heruntergeschluckt hat.

Es bleibt immer etwas zurück. Vor allem im Gesicht. Heute liegt die versoffene Geliebte von Heinrich Mann immer noch in Amerika in irgendeiner Erde, obwohl sie über diese Blonde hier steht, und der geile Heinrich liegt auf dem Dorostädtischen mitten in Berlin, du brauchst nur von der Invalidenstrasse rechts abzubiegen und da immer irgendwo eine Baustelle ist, findest du auch immer eine Stelle für deinen alten Citroen … hörst du mir überhaupt noch zu

Nacht bei flüssigen Floskeln.

Nämlich wie die sich bloss äussere Vermittlung in Selbsterkenntnis auflöst. Um dieses rein logischen Inhalts willen ist das positive Urtheil nicht wahr (Hegel). Spärlich verriet, aber nicht er, mir die Nachtverrieglung des Himmels, als dir noch zugenähtes Hirn im Wege stand, mitten in den Windfloskeln.

Schädel hoch: gekrochen.

*  Aus deinen Berührungen wollte der Tag gekrochen sein. Noch nie ein Aufbäumen. Ein Gelingen bis tief ins Zerschnittene, Übergangne, Entstirnte. Dein Stöckeln wie an anderen Abgründen. Nun gehen wir nicht mehr ans Ufern. Verlang dich aufs Geheime zu. Schnauf mich aus und finde den Atem weit hinter der Stirn. Du sollst breitbeinig verrecken. Selbst der Abend, so verlassen, schluckt dich nicht mehr. So rot, so zart, ganz von sabberndem Sonnenmund gesogen. Geleckt. Gelangweilt. Danach dieses viel zu grandiose Grün das aus seinem Schädel kroch. Ihm wurde dabei kalt.

Ein Exxistiern.

Vielleicht exxistiert auf der Welt ein Geschmackssignifikat, der leider nicht auf der Suche nach dir ist. Wenn ich dich umarme, bin ich angewiesen/abhängig von der Einsilbigkeit meiner Finger. Mehr soll wohl nicht sein. Früher hatte ich das Unmögliche an mir anders verstanden. Ein langer Verschlingensstraum. Aus deinem Leben hast du ja wohl auch keinen weiteren Beruhigungsprozess gemacht, innerlich, mein ich, bist du nur an deinen Nerven zugrunde gegangen. 

halsfrei

 

gleich der abgesang an deine früher hätt’ ich gesagt
zaghaft zitronengezehrten versuche an deine lippen sie
trocknen um dein letztes wort als auch du im strauch
verstummtest du bist da

wieso halsen sich die gefrässigen blüten auch an mich lüftest du uns komm her mein schrei
weisshäutig wie du nun mal bist vielleicht finden
wir uns einst im

jesilikum

3-klang. Schweiss.

So eng mit dir, Deinklang. Es giebt nur das schmutzige Glück. Du weisst es besser. Bist so leise weinend an mich herangeschlichen. In mein Unverlierbares geschlüpft. Der Himmel schlürfte deinen Schweiss aus jeder Pore. So wie heute und an jenen Nachmittagen. Vorhin. Du hast nichts gemerkt. Schliefst. Wie liebst du deinen aus dem Mund rinnenden Speichel im Halbschlaf. 

mesozoikum

der abstand zwischen mir und der welt
bemisst sich in der schichtdicke von sandstein
im faltenwurf sich auftürmender gebirge
erkenne ich dich
du bist schön
dein antlitz leuchtet wie pyrit
deiner spur folge ich
wie den spuren der saurier
ein vorgebirge ist die welt
das herausragt aus einem schelfmeer
zwischen driftenden kontinenten

gedichte für schneeleoparden

auf dem bahndamm liegen die dörfer / nach süden hin
seit du gegangen bist / schreibe ich gedichte
schneeleoparden sind dankbar / für jedes wort

gestern sah ich einen / er lief an den dörfern vorbei
nach süden
wo ein meer lag / bevor sich gebirge erhob

als kinder lasen wir bücher über schmetterlinge
aus ihnen wählte ich mir den trauermantel

du hast dich in eine schneeleopardin verwandelt
und gehst auf dem bahndamm

das meer suchend / doch nur gebirge findend

krafla

sie schreiben gedichte
und trinken billigen branntwein
draußen im fjord sinkt ein schiff

wer ein pferd hat
hat auch ein schaf und eine frau

neben dem gletscher wächst gras
schwarze steine schimmern im nordlicht

in reykjavík schieben sie ihre autos
über die straße und grölen schweinische lieder
gegen den wind riecht der schnaps

in keflavík hängt der himmel tief
von husavík bis akureyri lesen sie unanständiges zeug

der ausgebreitete himmel umfasst alles und brennt

die berge brennen am sprengisandur
die herzen brennen in vík
die kehlen brennen über der krafla

nachts kehren stimmen

nachts kehren stimmen
an meine tür zurück
oder ich beobachte sie draußen im garten
wie sie sich austoben
mit den eulen

im april haben die stimmen ausgang
in den regen den schnee und die sonne
auf die noch verlassenen almen
im april sind die stimmen melancholisch
verirren sich in die städte
warten an einer kreuzung vor einer roten ampel
auf das erste zarte grün
auf die buschwindröschen und das wiesenschaumkraut
den löwenzahn
bekommen kraft oder werden wütend

panik

frisch
eingesonnte
grüne schmerzen
in eine männerhand
versprochen
savin all my love for you
geringelte donnerschläge
aus dem off gekrochen
böse zungen mit augen
wie zornesgefolge
liebe ist eine
un
heim
lich
k
e
i
t

Hut vorm Gesicht

Specktinte auf Karton. Der Hut vorm Gesicht. War mal ein Apfel. Blau-Brokat von C&A weht durch die Turnhalle. Lauwarme Herva rinnt die Speiseröhre hinab. Weich drücken sie sich auf die pinken Spitzenschuhe, die Gummisohlen von dreiundachtzig. Wie ein Schwamm. Wie ein dicklicher, hellgelber Schwamm. Vollgesogen mit Badewasser auf dem seit Wochen filmtrüben Wannenrand. Sie lutscht Vivil ohne Zucker. Ihre Haare hat sie puppenhaft wuschelig auftoupiert. Seine Finger quetschen die Pastille aus dem Staniolpapier in ihre Handfläche. Dazu kleine Flasche Herva aus der Brutbatterie. Ihre Haut ist wie Radiergummi. Schokolade möchte ich essen, Schokolade. In der Stadt gehen sie jetzt zu ihrem Abendtreff. Die Hosenbeine flattern. Kalorienreduziert.

Wojtek.

Geht’s dir auch so, dass du ein Gemütsbedürfnis bist. Das dir immer wieder zu Kopfe steigt. Ach, wie aus Winterkleidern steigen. In letzter Zeit tret ich meine Hose mit den Füssen ab und lass sie auf dem Boden liegen. Die Füsse gehn dann weiter. Weiss auch nicht, wohin. 

Zweiteilung des Gesichts.

Mit dem Abwenden der Leute beschwingt sich meine Pulsader. – Du sagst, dass man davon mehrere habe. – Okay, dann ists ein kollektives Beschwingen. Du glaubst gar nicht, wie schön ich geworden, wenn mir meine Geburt nicht dazwischen gekommen wäre, hast du noch nicht davon gehört oder glaubst du immer noch an die Zweiteilung deines Gesichts. 

Die Frankheimer Spezielle. Eine Groteske

Einst erfreute sich die Frankheimer Spezielle Zeitung (FSZ) einer verstohlenen Beliebtheit unter den Kulturherren des Landes: Man empfand einen gewissen Stolz, in ihr erwähnt zu werden, „besprochen“. Die Kritik adelte den Künstler. Professoren gaben Eitelkeiten zum Besten. Zyniker fielen über Novizen her und schlachteten sie genüßlich. Patricia von Todtental hatte lange Jahre des Volontariats hinter sich gebracht, um in diese Kreise aufgenommen zu werden. Wieviel Schlappen hatte sie einstecken müssen, wie wenig hatte ihr der Adelstitel genutzt. Endlich hatte sie es geschafft, sie wurde Redakteurin.

Warum blieb die Freude an dieser Zeitung verstohlen? Jeder vernünftige Leser bekam das unheimliche Gefühl nicht los, explosiven Stoff morgens aus dem Briefkasten zu ziehen. Oder wollte er sich von niemandem in seiner heimlichen Liebe zum Konservativen erkennen lassen, wenn er das dünne Papier mit der markigen Frakturschrift neben dem hartgekochten Frühstücksei ausbreitete, um sich auf die Bosheiten des Tages einzustimmen?

Doch dann kam das Internet. Schon bei seinem ersten Erscheinen war zu ahnen, daß es einem Meer glich, abgrundtief, dunkel, salzig. Und daß Papier in ihm rasch aufweichen, in Einzelteile zerfetzen würde, um in den runden Mäulern der Fische zu verschwinden. Die FSZ warf ihr Blatt Tag für Tag hinein und hoffte, es würde standhalten. Perlenfischer – ein hierzulande längst ausgestorbener Beruf – erlebten eine unerwartete Nachfrage. Sie warfen ihre Netze aus und zogen kleine Schätze aus der Tiefe ans Licht, quirlten sie ordentlich durch zu einem verdaulichen Brei, den sie vorbeischlendernden Touristen feilboten. Ab und zu war eine schillernde Gemeinheit aus der Feder eines FSZ-Kritikers darunter, die sonst längst untergegangen und vergessen worden wäre.

Die Redakteure schäumten, ihr Boss explodierte fast: Wie kann das sein? Wer angelt hier nach unseren Artikeln? Wo bleibt die Polizei? Die ließ sich nicht blicken. Sie mied das Meer und die Netze. Zumindest in der Anfangszeit. Eine Zeit des Wilden Westens. Virtuelle Schießereien aus verbalen Kanonen. Die Frankheimer Spezielle besann sich auf ihre besten Freunde. Professoren rieten ihr – und ließen sich den guten Rat auskömmlich vergolden – eine Abteilung für Haarspalterei an Bord zu holen, die werde es schon richten. Sie könne die Perlenfischer jagen wie Piraten vor der somalischen Küste.

Gesagt, getan. Doch die Perlenfischer retteten sich an die nächstgelegene Küste und verschanzten sich hinter eigengeschöpften Sätzen, sie waren von den Haarspaltern nicht angreifbar. Dafür gingen die Haarspalter nun selbst auf Fang hinaus auf hohe See. Ihren sorgfältig programmierten virtuellen Treibnetzen und Hecktrawlern sollte niemand entgehen. Und sie wurden fündig: in den tieferen Schichten des Meeres, hinter Klippen und Riffen hockten die Künstler und Dichter, die Musiker und Maler, die sich noch immer darüber amüsierten, in der FSZ „besprochen“ zu werden. Sie hockten da, aus der Ferne kaum zu erkennen, aus der Nähe betrachtet ein Haufen bunter Parasiten. Sogar Händler und Zwischenhändler hatten sich unmerklich untergemischt. Keiner ahnte, daß ihre Freude an einer Erwähnung in der FSZ nunmehr zum Delikt erklärt worden war. Sie alle hatten sich Perlen aus der FSZ zwischen die Zähne geklemmt, um den Hals gelegt oder an die Ohrläppchen gehangen und sie brüsteten sich öffentlich damit.

Diesen Schmuck wollte die FSZ den Möchtegern-Helden gern wieder entreißen. Gebt sie her, das sind unsere Perlen, riefen die Redakteure empört. Stellt euch der Perlenpolizei, ihr bösartigen Geistesdiebe. Könnt ihr euch nicht selbst bejubeln, wozu braucht ihr unsere Kritiken? Patricia bewies ihr Talent zur besonders eifrigen Perlenpolizistin. Äußerlich erinnerte sie eher an eine Hofdame, nun wurde sie in den Stürmen des neuen Zeitalters mit einer Station auf den weltweiten Meeresboden herabgesenkt, um dort das Übel an der Wurzel zu packen: Keine Toleranz für Parasiten! Dem Geistesdieb auf Land und Meer gebet keine Perle mehr!, skandierte sie kämpferisch in unterseeische Schalltrichter.

Die Gerichte erteilten der FSZ Absolution, erkannten ihre Wahrheit in Leninscher Manier als die einzige Wahrheit an und die fällige Säuberungsaktion konnte beginnen. Was dann geschah? Nichts. Es kehrte Stille ein, im Meer und auf dem Land. Künstler, Dichter, Sänger, Maler – all diese Perlenparasiten wurden verfolgt und sie igelten sich ein, bezahlten brav ihre Bußgelder und hielten den Mund. Die vermeintlichen Perlen, die sie so lange festgekrallt hielten, spuckten sie aus, rissen sich die Ketten vom Hals und die Klunker von den Ohrläppchen. Sie wollten von all dem nichts mehr wissen, warfen es beiseite wie Spielzeug, mit dem sie lange genug ihre Lebenszeit verschwendet hatten. „Verwunderung“ löste diese Mißachtung aus – immerhin gab es ja, behauptete die FSZ, außer ihr keine andere überregionale Zeitung mehr, die sich derart detailversessen, hartnäckig und verbissen der Parasitenbekämpfung auf künstlerischem, literarischem und musikalischem Gebiet verschrieben hatte.

Nun endlich hatte die FSZ die ersehnte Alleinherrschaft, das Monopol, erreicht. Sie war am Ziel ihrer Träume angekommen, sogar der Brandung des weltweiten Meeres hatte sie mit ihrem Papier getrotzt. Von wegen aufgeweicht und zerfetzt! Das einzige Problem war, daß sich keiner mehr für sie interessierte. Statt sich im Ruhm einer Erwähnung in der FSZ zu sonnen, wandten sich die Dichter, Musiker und Maler – aus Sicht der FSZ rückständig wie im Mittelalter – der Dichtung, der Musik und Kunst zu. Sie hörten auf, sich auf Erwähnungen in der Zeitung etwas einzubilden. Wo immer sie wohnten, in Sekundenschnelle hatten sie miteinander Kontakt. Das Netz, jaja, das Netz erlaubte ihnen den Austausch. Nur Patricia auf dem Meeresgrund rief warnend in die Trichter, nun sei das Ende nah.

Lachsfarbene Pissnelke.

Schrie ich oder hörte sich das alles nach einem falschen Inneren an. Meine Sorge gehört seit Tagen der lachsfarbenen Pissnelke, von der ich dir schon mal erzählt habe. Sasst du da nicht sogar im Streifenanzug wie ein Streifenanzug vor mir und wolltest mir so was wie gute Laune verkaufen und in der beiläufigen Erwähnung deiner Freundin und ihres Namens so was wie ewige Liebe einhauchen – und wenns nicht bei ewiger Liebe bleiben sollte, so doch unendliche Nähe. Jetzt erst begreif ich, dass sich unsere Blicke so heftig aneinandergeheftet hatten, weil sie unterm Blatt das Geheimnis eines Stalkers verrieten. Auch wir werden uns lebenslang verfolgen und uns dann wie zufällig in der Nähe des lachsfarbenen Todes … wiedersehn.

besuch bei david

man öffnete uns die stillen paläste
die alten brücken mieden wir
unter denen der arno so dunkel
dahinfloss & darüber die menschen

die restauration des frühlings
wie der venus waren gelungen
nur die frauen waren männer mit
angeklebten brüsten aus marmor

in der kathedrale gab es nichts
zu bestaunen außer uns selbst
es dauerte eine weile bis wir das
begriffen im gigantischen licht

dann das nächste festmahl und die obligate
reverenz an die schönheit des steins
eine gute gelegenheit
für selbstmörder sagte sie lächelnd

blickte hinab in den lichthof der
galleria dell‘accademia

Frühling, nachts

Mitten in der Nacht erwachte ich und hatte das deutliche Gefühl, dass etwas nicht in Ordnung war. Vielleicht war es die Stille. Kein Auto war zu hören, kein Krakeelen von späten Passanten, selbst das Licht der Straßenlampen drang spärlicher als sonst durch die Vorhänge. Ich starrte eine Weile ins Dunkel des Zimmers und versuchte zu verstehen, was mich geweckt haben könnte. Dann sah ich die Umrisse des Kissenbergs neben mir. Kein Atemgeräusch. Asja war nicht im Zimmer. In der Wohnung herrschte vollkommene Stille.
Ich stand auf und ging in die Küche. Alles war dunkel, nur der Kühlschrank summte plötzlich. Auch im Badezimmer war niemand. Ich trank kühles Wasser aus dem Wasserhahn. Ich schaltete das Licht erst in der Küche und dann im Wohnzimmer an und wieder aus. Ich lauschte angestrengt in die schweigende Nacht. Nichts. Keine Asja, keine Nachricht.
Als ich die Balkontür zum Markplatz hin öffnete, begriff ich, was anders war. Draußen herrschte dichter Nebel. Ich sah weiße Schwaden aus meinem Mund aufsteigen und sich mit dem Nebel verbinden. Kaum konnte ich die Straßenlaterne erkennen, die unweit der Balkonbrüstung eine orangegelbe Lichtwolke ins wallende Nichts sickern ließ. In der Ferne heulte eine Sirene auf und verschwand wieder. Mich fröstelte, ich schloss die Balkontür.
Auf dem Weg ins Schlafzimmer fiel mir auf, dass Asjas Jacke nicht am Haken hing. Im ersten Moment wollte ich sofort draußen nach ihr suchen. Vielleicht wollte sie sich die Beine vertreten, war vom Nebel überrascht worden und hatte sich verlaufen. Aber ich konnte schlecht durch die Straßen des schlafenden Städtchens laufen und fortwährend ihren Namen rufen. Also legte ich mich wieder ins Bett und starrte auf das dämmrige Licht hinter dem Vorhang.
Das nächste Mal wurde ich wach, als sich neben mir etwas regte. Draußen war es noch dunkel. Zwischen den Kissen hörte ich Asja seufzen. „Asja?“ flüsterte ich. „Wo bist du gewesen?“
Asja richtete sich auf. „Was meinst du?“ fragte sie schlaftrunken. „Ich habe geschlafen wie ein Haufen Steine.“ Ich wusste nicht, was ich denken sollte. Asja murmelte etwas Unverständliches und vergrub sich wieder in ihre Kissen.
Ich tastete nach ihrer Hand. Sie war eiskalt.

Tod.

   Diese Formen, die mich mittlerweile begreifen, sagte Marizz damals, als Achim, ihr Friseur, sie besuchte, um ihr die Haare zu schneiden, und ich stand daneben und sah ihren Hals und spürte, dass sie gehen wollte. Da war keine Lust mehr, zurückzublicken. Da war nur noch diese verfeinerte Todesform. Dafür es zu lieben lohnt. Der Tod macht dir ein Gespür dafür. Er spricht mit dir auf eine andere Art. In einer anderen Sprache. Ich glaub, ich hab die ersten Buchstaben gelernt. 

Immer noch …

 

Immer noch …

dein hinterhältiges weitförmiges Fleisch im Nebensatz, fast angehängt ans gliedgeformtes Schwolldenken … nur reden, um etwas zu verbergen … die Hamletmaschine in Oberbruch auf dem Sportplatz: wenn Menschen ihren Sarg also vor sich hertragen … Heiner, erklär mir Verlogenheit … 

Paul.

Je tiefer der hinter den Worten mitschwingende Gleichklang in ihm zu spüren war, umso mehr begann sich die Sprache des Onkels in Edmond breitzumachen, allein von diesem einen Wort her, und umso mehr fühlte Edmond sich zu ihm hingezogen. Er fühlte sich diesem einfachen Menschen dann ganz nah. Und zum ersten Mal in seinem Leben nahm er Nähe nicht als Gefahr wahr. Aber warum? Er suchte doch immer schon die Nähe: zu einer schönen Frau, einem Gedicht oder aber einem einfachen, ehrlichen Menschen.

Leisewerdn.

Wir können uns nur ausgewollt lieben? Es ist nun an der Zeit, meine falsche Beschaidenhait zu korrigieren. Layla, du musst mich in der Schwere halten … hihi, Äffchen, die dich lieben, hättn ja Schwebe gesagt … mein Quadratmeter Liebe hätte ausweglose Folgen … schliesslich bin ich in einem schrägen Geburtslicht gekrochen (hast du schnöden gesagt) … um irgendwann nicht mehr zu kriechen: liebe es, die Tropfen in meiner Höhle abzulecken, so wie mich nicht mehr ständig korrigieren zu müssen von dem, wie ich mich entsage und entgleise und nun punkte (ohne Komma und Leisewerdn). 

Toasting

(feat. apathie der moleküle)

Das Thermostat am Backofen zeigt fast dreihundert Grad an. Hier lässt sich Brot gut und schnell rösten. Warum ich mich ängstlich fühle, verstehe ich nicht. Ist doch alles in Ordnung. Ich öffne die Ofentür, heiße Luft schlägt mir entgegen. Die Körperoberfläche strahlt die Wärme wieder an die Umgebung ab. Ich versuche, rund zu atmen, doch die Luft, die da aus dem Ofen kommt, ist eckig. Es wird noch heißer. Bin ich ein Pyromane? Schnell lege ich das Brot aufs Backblech und lasse die Tür zufallen. Ist doch gar nichts passiert. In fünf Minuten wird das Brot gut sein. Dann gilt es, die Temperatur möglichst schnell wieder auf Zimmertemperatur herunter zu drehen. Ich betätige den Schalter und stelle ihn auf Null. Wahrscheinlich wird das heiße Gas entweichen. So ein Quatsch, der Ofen ist aus feuerfestem Silizium und funktioniert elektrisch. Strom ist derzeit noch genug vorhanden. Die Sonne hat ein Einsehen und schickt keine Stürme bis zu uns, die zum globalen Stromausfall führen. Nun, die Sonne. Die hat sich seit Tagen hinter dicken und schwülen Wolken verkrochen. Regen ist lange keiner gefallen.  Auch der Luftdruck hat zugenommen. Ich versuche, die Lungen zu füllen, aber es geht nichts rein. Wahrscheinlich kommen meine Gedanken deshalb so asynchron daher. Das menschliche Gehirn toleriert eben nur enge Zonen physikalischer Zustände.