Irgendwann hatte er aufgehört,
die Hütte zu streichen. Sie begann
mit dem Netzwerk der Spinnen
zusammenzufallen. Im Bauch seiner Wandergitarre
nisteten sich Vögel ein
(die brüchige Geige: zu klein).
Der neue Nachbar mähte
und dachte sich seinen Teil.
Kinderfeste und leuchtende Nächte
waren lange vorbei – ihr Spiritus Rector
ging zu früh schon zu weit.
Rosen schossen
ins Kraut, wo sich Bohnen und Schoten
einst Beete teilten. Die Brennesseln
rannten die Zäune ein.
Der letzte Sturm lichtete
die Weide, ein Eichhörnchen flitzte
an ihrer Seite. Moos
tränkte die Luft, zwei Libellen
schwirrten blind miteinander
vorüber. Der Kuckuck rief
nicht nach ihm: Es war Zeit,
noch ein bisschen zu bleiben.
Eine Einladung zu bleiben – das hier ist wahrlich eine.
… eine Dame ziert sich und will gebeten werden.
Lieber Jens Rudolph,
mir gefällt dein Gedicht. Da kommt ein offensichtlich seine Freiheit suchender junger Stadtbewohner aufs Land oder in eine Vorstadtsiedlung. Er lebt schon eine ganze Weile dort, ist an der Schönheit seiner Hütte nicht mehr interessiert, Spinnen und Vögel sind seine Mitbewohner. Ein neuer Nachbar blickt scheel auf ihn, die Leute werden schwatzen. Selbst die ihn umgebende Natur hat aufgegeben. Der Leser gewinnt einen Eindruck von der Vergeblichkeit, auf diese Weise dem Trubel der Zeit entfliehen zu können. Dein Gedicht verneint diese Möglichkeit, Aussteigen ist auch nicht die Lösung.
Sprachlich gibt es ein paar interessante Formulierungen, mir gefällt besonders die Conclusio, sie drückt die ganze Hilflosigkeit deines Protagonisten aus: Er bleibt noch ein bisschen. Die Trägheit siegt. Das finde ich gekonnt.
Lieben Gruß, Antigone
Guten Abend, Antigone.
Herzlichen Dank für Ihr differenziertes Feedback. Ohne ins Detail zu gehen (Was wäre schwerer zu ertragen als die „Auslegung“ eines Gedichtes durch seinen Verfasser?): das „Waldstück“ sollte (wie eigentlich jedes Gedicht) verschiedenen Lesarten zugänglich sein. In der Tat kreist es u.a. um Themen wie Vergänglichkeit, Natur, Ordnung, Zeit, Weltoffenheit … . Zwar ließe sich wohl darüber streiten, ob sich der Protagonist hier wirklich als ein träger Wiedergänger Oblomows zeigt, aber auch das mag offen bleiben.
Ihnen noch einen schönen Abend und einen besinnlichen ersten Advent.